
Vertragsärzte müssen auf die fristgerechte Vorlage ihres Fortbildungszertifikats achten – sonst droht eine Honorarkürzung. Das hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg in einem aktuellen Urteil vom 27.11.2024 (Az.: L 5 KA 3215/22) klargestellt. Im Zentrum des Falls steht ein Internist, der seine Fortbildungsverpflichtung nach § 95d SGB V zwar inhaltlich erfüllt, den Fortbildungsnachweis jedoch nicht in der gesetzlich geforderten Form und Frist bei seiner Kassenärztlichen Vereinigung (KV) eingereicht hatte.
Hintergrund: Vertragsarzt übermittelt Fortbildungsnachweis zu spät
Der klagende Facharzt für Innere Medizin und Pneumologie war seit 2012 in einer Praxis tätig – zunächst angestellt, später selbst als Vertragsarzt zugelassen. Die KV Baden-Württemberg forderte ihn auf, bis zum 31. Juli 2017 ein Fortbildungszertifikat der Ärztekammer vorzulegen. Zwar hatte der Arzt bereits im Februar 2017 einen Auszug seiner Fortbildungspunkte übermittelt und damit sogar mehr als die geforderten 250 Punkte erreicht. Doch: Das geforderte formelle Zertifikat wurde erst im August 2018 nachgereicht – zu spät.
Die Folge: Die KV kürzte das Honorar für das erste Quartal 2018 um exakt 12.011,10 Euro, was 10 % des Quartalshonorars entspricht. Dagegen klagte der Arzt – vergeblich.
LSG: Pflicht zur Vorlage des Zertifikats gilt unabhängig vom Arztstatus
Das Landessozialgericht Baden-Württemberg stellt in seiner Entscheidung klar: Die Fünfjahresfrist zur Erfüllung der Fortbildungsverpflichtung beginne mit Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit – und zwar auch dann, wenn diese zunächst im Status eines angestellten Arztes erfolge. Ein späterer Wechsel in eine Zulassung unterbreche diese Frist nicht und lasse sie auch nicht neu beginnen.
Auch dass der Kläger seine Fortbildungspflicht inhaltlich übererfüllt habe, spiele laut Gericht keine Rolle. Allein die fristgerechte Vorlage des Fortbildungszertifikats der Ärztekammer zählt. Ein bloßer Auszug über Punkte reicht nicht – selbst dann nicht, wenn dieser mehr Punkte aufweist als gefordert.
Rechtliche Bewertung: Form schlägt Inhalt
Das Gericht verweist auf die gesetzliche Regelung in § 95d SGB V, die eindeutig eine formgebundene Nachweispflicht normiert. Vertragsärzte müssen alle fünf Jahre nachweisen, dass sie sich entsprechend ihrer Fortbildungsverpflichtung weitergebildet haben. Erfolgt dieser Nachweis nicht oder nicht fristgerecht, ist die KV gesetzlich verpflichtet, das Honorar um 10 % für bis zu vier Folgequartale zu kürzen – danach sogar um 25 %.
Zudem betont das LSG, dass es sich um eine gebundene Entscheidung handelt – die KV hat bei Verstoß keinen Ermessensspielraum. Selbst „leichte Fahrlässigkeit“ beim Versäumen der Frist sei unerheblich.
Praxistipp für Vertragsärzte: Fristen kennen, Formvorgaben einhalten
Dieses Urteil zeigt deutlich: Für Vertragsärzte ist es essenziell, ihre Fortbildungspflicht nicht nur ernst zu nehmen, sondern auch formal korrekt und fristgerecht zu dokumentieren. Ein hoher inhaltlicher Aufwand und eine Vielzahl an Fortbildungspunkten schützen nicht vor Sanktionen, wenn das Fortbildungszertifikat zu spät eingereicht wird.
Wichtig: Die Frist beginnt jedenfalls nach Auffassung des LSG nicht mit dem Tag der Zulassung, sondern mit der ersten vertragsärztlichen Tätigkeit – auch in angestellter Position. Der betroffene Vertragsarzt hat gegen die Entscheidung des LSG Revision zum Bundessozialgericht (BSG) eingelegt. Die Revision ist unter dem Aktenzeichen B 6 KA 10/24 R anhängig. Wie das BSG entscheidet, ist natürlich offen. Schwerpunktmäßig scheint die Revision auf die Fristberechnung beim nahtlosen Wechsel von der Anstellung in eine Zulassung abzustellen. Aufgrund der grundsätzlich geringen Flexibilität des Vertragsarztrechts und des klaren Wortlautes des § 95d SGB V erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass auch das BSG die formale Sichtweise des LSG teilt.
Fazit: Klare Regeln für den Fortbildungsnachweis?
Vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des BSG, die auf sich warten lassen kann, schafft das Urteil zunächst Klarheit: Die Fortbildungspflicht ist nicht nur inhaltlich, sondern auch formal eine strenge gesetzliche Vorgabe. Wer die Frist versäumt, muss mit spürbaren Honorarkürzungen rechnen – selbst dann, wenn die tatsächlichen Fortbildungen längst absolviert wurden.
Für die Vertragsärzteschaft bedeutet das: Dokumentation, Fristenkontrolle und Formalien sind kein „Kann“, sondern ein Muss – sonst drohen empfindliche finanzielle Einbußen.
Autor: Wolf Constantin Bartha
Auszeichnungen
-
Top-Kanzlei für Medizinrecht (Behandlerseite)(WirtschaftsWoche 2023, 2022, 2021, 2020)
-
TOP-Wirtschaftskanzlei Deutschlands im Bereich Gesundheit & Pharmazie(FOCUS SPEZIAL 2024, 2023, 2022, 2021 - 2013)
-
Top-Anwalt (Wolf Constantin Bartha) für Medizinrecht(WirtschaftsWoche 2023, 2022, 2021, 2020)
-
„Eine der besten Wirtschaftskanzleien für Gesundheit und Pharmazie„(brand eins Ausgabe 23/2022, 20/2021, 16/2020)
Autor
UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME
UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME
Sind Sie unsicher, ob Sie mit Ihrer Angelegenheit bei uns richtig sind?
Nehmen Sie gerne unverbindlich Kontakt mit uns auf und schildern uns Ihr Anliegen.
Wir freuen uns auf Ihren Anruf.