
Die Start-up werden erwachsen. Ihre Verträge werden immer häufiger Gegenstand obergerichtlicher Entscheidungen. Dies zeigt sich nunmehr in zwei Entscheidungen des Kammergerichts (KG) zum Vesting sowie zu Bad-Leaver-Regelungen. Sie zeigen die Grenzen auf.
Hinweisbeschluss KG vom 12.8.2024 – 2 U 94/21
Im Shareholder Agreement war geregelt, dass ein Gesellschafter seine Anteile vollständig verliert, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb des ersten Jahres des dreijährigen Vesting-Zeitraums ordentlich gekündigt wird. Umgesetzt wurde diese Vorgabe durch die typischen Call-Optionen. Die Gründungsgesellschafter gaben untereinander bedingte Angebote auf Verkauf und Abtretung der Geschäftsanteile ab, welche im Falle eines Ausscheidens eines Gründungsgesellschafters durch die jeweils anderen Gründungsgesellschaften innerhalb einer Frist von 3 Monaten ab dem Tag des Eintritts des Bad-Leaver Events angenommen werden konnte. Der Vesting-Zeitraum war zeitlich begrenzt.
Das KG hat diese Vesting sowie Bad-Leaver Regelung als wirksam angesehen. Zu entscheiden war, ob diese Regelungen wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 BGB nichtig sein könnten. Relevant war insoweit die Fallgruppe der „Hinauskündigungsklauseln“, aufgrund dessen Gesellschaftern das Recht eingeräumt wird, ohne sachlichen Grund einen anderen Gesellschafter aus der Gesellschaft zu verdrängen. Das KG hat keine Sittenwidrigkeit wegen unzulässiger „Hinauskündigung“ angenommen. Risikokapitalgeber haben ein legitimes Interesse daran, das Engagement der Gründer während einer kritischen Frühphase sicherzustellen. Eine Hinauskündigung könne im Rahmen eines dreijährigen Vesting-Zeitraums bei vorzeitigem Ausscheiden sachlich gerechtfertigt sein. Entscheidend sei, dass der Ausschluss nicht schrankenlos sei, sondern nur innerhalb eines klar definierten Zeitrahmens greife und mit dem weiteren unternehmerischen Engagement des Betroffenen verknüpft sei.
Urteil KG vom 19.05.2025 – 2 U 15/25
Nach § 15 des dortigen Shareholder Agreement löste die Abberufung eines Gründungsgesellschafters als Geschäftsführer bei vorsätzlicher oder strafrechtlich relevanter Pflichtverletzung ein Bad-Leaver Event aus. Dieses führt zur Pflicht zur Übertragung der Anteile zum Nennwert von 1 EUR je Geschäftsanteil. Die Regelung galt unbefristet und ohne Rücksicht auf die Schwere des Fehlverhaltens oder auf abgestufte Maßnahmen wie eine vorherige Abberufung als Geschäftsführer ohne Verlust der Anteile.
Zu dieser Bad Leaver-Klausel äußerte das KG in dem Urteil vom 19.05.2025 erhebliche Bedenken. Es beanstandet insbesondere, dass die Abberufung als Geschäftsführer für die Übertragung der Geschäftsanteile ausreiche. Mildere Maßnahmen wie die bloße Abberufung als Geschäftsführer, ohne Auswirkung auf die Gesellschafterstellung, sehe die Klausel nicht vor. Die Maßnahme sei damit unverhältnismäßig. Besonders kritisch sei aus Sicht des KG, dass das dortige Bad-Leaver Event zeitlich unbegrenzt gelte und daher wie ein Damoklesschwert über den Gründungsgesellschaftern hänge.
Fazit:
Alles nur ein Sturm im Wasserglas? Wohl nicht! Beteiligungsverträge werden massenhaft eingesetzt. Vesting sowie Bad-Leaver Regelungen sind Herzstücke dieser Verträge. Werden sie in einem Vertrag als nichtig angesehen, gilt die Nichtigkeit auch in allen anderen Verträgen, die eine vergleichbare Klausel besitzen. Gründer und Investoren sollten daher dringend ihre Beteiligungsverträge überprüfen. Zeitlich unbegrenzte Bad-Leaver Events sind kritisch. Dies ist noch der einfachere Teil. Schwieriger wird die Vorgabe des KG in dem Urteil vom 19.05.2025, die Verhältnismäßigkeit zu beachten. Dies rührt an den Kern dieser Klausel. Sie sind nicht verhältnismäßig ausgestaltet, sondern wie ein „Fallbeil“ konzipiert. Wenn die Voraussetzungen des Bad-Leaver Events vorliegen, treten die Rechtsfolgen ein. Da das KG in dem Beschluss vom 12.08.2024 zu diesem Mechanismus keine Bedenken geäußert hat, sollte insoweit noch die weitere Entwicklung abgewartet werden.
Autor: Dr. Andreas Menkel
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„MEYER-KÖRING ist besonders renommiert für die gesellschaftsrechtliche Beratung.“(JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2022)
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