
Viele Gerichtsverfahren enden durch gerichtlichen Vergleich. Der Vergleich kann entweder unmittelbar im Verhandlungstermin protokolliert werden oder aber die Parteien einigen sich im schriftlichen Verfahren nach § 278 Abs. 6 ZPO. Das LAG Köln hatte nun zu entscheiden, ob ein solcher schriftlicher Vergleich wirksam zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt hat (LAG Köln v. 5.12.2024, 6 SLa 247/24). Die Entscheidung ist von besonderer Bedeutung, da nicht nur die Frage geklärt wird, ob ein schriftlicher Vergleich das Privileg „gerichtlicher Vergleich“ im Sinne des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG genießt, sondern auch, unter welchem Gesichtspunkt eine Beendigungsvereinbarung als unzulässige Befristung angesehen wird.
Der Fall:
Die klagende Arbeitnehmerin war bei dem beklagten Arbeitgeber in der Vergangenheit auf der Grundlage mehrerer befristeter Arbeitsverträge beschäftigt. Mit Blick auf die arbeitsvertraglich vereinbarte letzte Befristung des Arbeitsverhältnisses zum 31.10.2020 hatte die Klägerin eine Entfristungsklage anhängig gemacht. In diesem Prozess einigten sich die Parteien dann auf einen Vergleich. Der Arbeitgebervertreter übersandte dem Gericht einen Schriftsatz mit einem Vergleichstext. Dieser Vergleichsvorschlag wurde dann von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin angenommen.
Das Gericht hat sodann gemäß § 278 Abs. 6 ZPO das Verfahren durch Beschluss beendet und den Vergleich mit folgendem Wortlaut festgestellt:
„[…]
Wird festgestellt, dass folgender Vergleich zustande gekommen ist (§ 278 Abs. 6 ZPO):
1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis über den 31.10.2020 hinaus fortbesteht und erst mit dem 31.12.2023 endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf.
2. Die Klägerin wird ab dem 1.2.2021 in der D Akademie in der Projektgruppe Controlling beschäftigt und ab diesem Zeitpunkt nach der Vergütungsgruppe VG VI. (Sachbearbeiterin), Stufe 7, vergütet und bis zum Beschäftigungsende in B eingesetzt. (…)“
3. Für die Zeit vom 1.11.2020 bis zum 31.1.2021 erhält die Klägerin Vergütung nach VG V., Stufe 6 nachgezahlt. Zwischenverdienst in dieser Zeit wird angerechnet.
4. Abweichend vom Tarifvertrag erhält die Klägerin eine Versorgungszusage nach dem Tarifvertrag Altersversorgung in der A vom 27.7.2017 in der jeweils gültigen Fassung. Dabei wird sie so gestellt, als wäre sie zum 15.11.2016 fest angestellt worden. Die Beschäftigungszeiten im Fristvertrag werden für Zwecke der Versorgungszusage so behandelt, als seien sie Im unbefristeten Arbeitsverhältnis geleistet worden,
5. Die Klägerin hat die Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis jederzeit einseitig mit einer Ankündigungsfrist von 14 Tagen zum Monatsende zu beenden. In diesem Falle zahlt die Beklagte der Klägerin auf der Basis einer Abfindung von 30.000,00 € (i. W. dreißigtausend Euro, Cent wie nebenstehend) brutto eine Abfindung, wobei diese Abfindung sich für jeden Monat des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses ab dem 1.11.2020 um 1.000,00 € brutto reduziert. Folglich erhält die Klägerin im Falle der Dauer des Arbeitsverhältnisses ab dem 1.11.2020 von mindestens 30 Monaten im Falle einer einseitigen Beerdigung keine Abfindung mehr.
6. Die Beklagte hat die Möglichkeit, vor einer Erklärung der Klägerin gemäß Ziffer 5., dass sie das Arbeitsverhältnis einseitig beenden will, zu erklären, dass das Arbeitsverhältnis unbefristet fortgesetzt wird. In diesem Falle entfällt das Recht der Klägerin, das Arbeitsverhältnis einseitig zu beenden und die entsprechende Abfindung somit zu erhalten.
7. Die Beklagte erteilt der Klägerin ein wohlwollendes qualifiziertes Zwischenzeugnis, das dem Prädikat gut im Hinblick auf Führung und Leistung entspricht. Dieses wird auf den 29.1.2021 datiert und nicht erwähnen, dass sich die Tätigkeit zukünftig ändert. Die Klägerin hat die Möglichkeit, Änderungswünsche vorzubringen, von denen nur aus wichtigem Grunde abgewichen wird. Zum Beschäftigungsende wird ein Endzeugnis erteilt, das im Hinblick auf Führung und Leistung dem Zwischenzeugnis entspricht.
8. Damit ist der vorliegende Rechtsstreit erledigt.“
Entfristungsklage der Klägerin
Auf Basis dieses Vergleiches arbeitete die Klägerin dann in der Folgezeit bei dem beklagten Arbeitgeber weiter. Mit Klage vom 17.8.2023 machte sie die Unwirksamkeit der in diesem vorgenannten Prozessvergleich vereinbarten Befristung ihres Arbeitsverhältnisses geltend. Sie hat insbesondere vortragen, bei dem Text des feststellenden Beschlusses des Arbeitsgerichts handele es sich nicht um einen gerichtlichen Vergleich im Sinne des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG, da das Gericht beim Zustandekommen des Vergleichs und bei dessen Formulierung nicht verantwortlich mitgewirkt habe. Es handele sich bei dem Vergleich nicht um eine zulässige Beendigungsvereinbarung, sondern vielmehr um eine unwirksame Befristung.
Das Arbeitsgericht hat der Entfristungsklage stattgegeben.
Die Entscheidung:
Im Berufungsverfahren hat das LAG die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt.
I. Abgrenzung Aufhebungsvertrag und Befristung
In dem Vergleichsbeschluss haben die Parteien lediglich eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2023 vereinbart. Zur Rechtsnatur dieser Abrede haben sie in dem Vergleich nichts geregelt. Es könnte sich also um einen Aufhebungsvertrag oder um eine Befristung handeln. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt es dabei auf die Bezeichnung selbst nicht an. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalles. Wird die übliche Kündigungsfrist um ein Vielfaches überschritten, müssen weitere gewichtige Anhaltspunkte vorliegen, um eine zulässige Aufhebungsvereinbarung zu bejahen. Anhaltspunkte können z.B. die Zahlung einer Abfindung, eine Freistellung, sonstige auf die Beendigung zielende Regelungen in der Vereinbarung sein.
Im vorliegenden Fall fehlte es an solchen Anhaltspunkten. Die Kündigungsfrist wurde um mehr als drei Jahre (31.10.2020 bis 31.12.2023), also um 38 Monate, verlängert. Zudem ging es zuvor um eine Entfristungsklage nach bereits erfolgten diversen Vorbefristungen. Weiter haben die Parteien in dem Vergleich den Inhalt der Leistungspflicht geändert und gerade keine Freistellung vereinbart. Auch die für eine Beendigungsvereinbarung ansonsten typische „Sprinterklausel“ sah hier atypisch vor, die Sprinterklausel durch einseitige Entfristung zu entwerten (vgl. Ziffern 5. und insbesondere 6. des Vergleichs). Die Regelungen sprechen also gerade gegen einen Trennungswillen des Arbeitgebers.
Arbeitsgericht und auch Landesarbeitsgericht haben daher in der Abrede im materiell-rechtlichen Sinne eine Befristungsvereinbarung zutreffend vereinbart.
Hinweis für die Praxis:
In vielen Gerichtsverfahren wird nach Ausspruch einer Kündigung im Güte- oder Kammertermin ein Prozessvergleich vereinbart. Die vorgenannten Regelungen gelten auch für solche Vergleiche in einem Kündigungsschutzverfahren. Soll daher die Kündigungsfrist um ein Vielfaches in einem Vergleich verlängert werden, ist genau zu prüfen, ob nicht tatsächlich eine Befristung vereinbart wird. Das kann vermieden werden, wenn typische Beendigungsklauseln vereinbart werden. Das Risiko einer unzulässigen Befristung steigt aber mit zunehmender Verlängerung des Ausscheidens.
II. Kein Befristungsprivileg
Eine Befristung kann gerechtfertigt sein, wenn ein Sachgrund für die Befristung vorliegt. Im vorliegenden Fall konnte allein der Sachgrund des gerichtlichen Vergleiches nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 TzBfG greifen. Es handelte sich um einen gerichtlichen Vergleich im schriftlichen Verfahren nach § 278 Abs. 6 ZPO. Nach der ständigen Rechtsprechung der Arbeitsgerichte erfordert aber das Privileg des gerichtlichen Vergleiches die Mitwirkung des Gerichts am Vergleichsschluss.
An dieser Mitwirkung fehlt es, wenn für den Prozessvergleich die Variante des § 278 Abs. 6 S. 1 Alternative 1 ZPO gewählt wird. In diesem Fall übersenden die Parteien einen gleichlautenden Text und das Gericht ist dann lediglich „Protokollstelle“. Eine Mitwirkung des Gerichts liegt dann gerade nicht vor. Soll das Privileg des gerichtlichen Vergleiches zur Anwendung kommen, müssen die Parteien den Weg des § 278 Abs. 6 S. 2 Alternative 2 ZPO wählen. In diesem Fall unterbreitet das Gericht einen Vergleichstext, den dann die Parteien jeweils annehmen. Nur dann greift die erforderliche Mitwirkung und das Befristungsprivileg.
Autor: Prof. Dr. Nicolai Besgen
Auszeichnungen
-
TOP-Wirtschaftskanzlei für Arbeitsrecht(FOCUS SPEZIAL 2024, 2023, 2022, 2021, 2020)
-
TOP-Kanzlei für Arbeitsrecht(WirtschaftsWoche 2023, 2022, 2021, 2020)
-
TOP-Anwältin für Arbeitsrecht: Ebba Herfs-Röttgen(WirtschaftsWoche, 2023, 2022, 2021, 2020)
-
TOP-Anwalt für Arbeitsrecht: Prof. Dr. Nicolai Besgen(WirtschaftsWoche 2023, 2020)
Autor
UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME
UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME
Sind Sie unsicher, ob Sie mit Ihrer Angelegenheit bei uns richtig sind?
Nehmen Sie gerne unverbindlich Kontakt mit uns auf und schildern uns Ihr Anliegen.
Wir freuen uns auf Ihren Anruf.