Gestaltungsüberlegungen zur steuerwirksamen Realisierung stiller Lasten

– zugleich Anmerkung zu den BFH-Urteilen vom 12.12.2012, I R 69/11 und I R 28/11, vom 16.12.2009 – I R 102/08, vom 14.12.2011 – I R 72/10 und vom 26.04.2012 – IV R 43/09

 

Mit seinen beiden am 20.03.2013 veröffentlichten Urteilen vom 12.12.2012[1]ergänzt und vervollständigt der I. Senat des BFH seine Rechtsprechung zur bilanziellen Behandlung angeschaffter Verbindlichkeiten[2]. Diese Entscheidungen stehen in einer Linie mit dem Urteil des IV. Senats vom 26.04.2012[3]und eröffnen unter klarer Absage an die restriktive Auffassung der Finanzverwaltung erheblichen Gestaltungsspielraum zur aufwandswirksamen Realisierung stiller Lasten[4].

Im Kern geht es um folgende Thematik: Unternehmen dürfen in ihrer Steuerbilanz aufgrund einkommensteuerlicher Passivierungsbegrenzungen bestimmte (ungewisse) Verbindlichkeiten entweder nicht ausweisen oder sie haben die Verbindlichkeiten mit geringeren Werten anzusetzen als in ihrer Handelsbilanz, vgl. § 5 Abs. 2a; § 5 Abs. 3; 5 Abs. 4; § 5 Abs. 4a; § 6 Abs. 1 Nr. 3a; § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. f). In der Praxis besonders bedeutsam sind die Ansatz- und Bewertungsbeschränkungen des § 6a EStG für Pensionsrückstellungen, wo der normspezifische Teilwert nach § 6a Abs. 3 EStG aus letztlich fiskalpolitischen Gründen hinter dem handelsrechtlich auszuweisenden Barwert als dem „wahren“ Erfüllungswert der Versorgungsanwartschaften zurückbleibt. Durch derartige Verbote sollen unter Durchbrechung des handelsbilanzrechtlichen Imparitätsprinzips (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 1 HGB) am Stichtag bereits vorhandene Verpflichtungen auf künftige Veranlagungszeiträume verlagert werden. Die Realisierung steuerlicher Verluste wird damit in die Zukunft verschoben.

Den zitierten BFH-Urteilen liegen verschiedene Fallkonstellationen zugrunde, in denen steuerbilanzielle Passivposten, die aufgrund dieser gesetzlichen Ansatz- und Bewertungsverbote bzw. -beschränkungen hinter der tatsächlichen wirtschaftlichen Belastung des Unternehmens zurückblieben, durch Übertragungsakte steuerwirksam auf die tatsächliche Belastungssituation angehoben wurden. Die Realisierung steuerlicher Verluste wird dadurch auf den Stichtag vorgezogen.

In der hiermit verbundenen sofort aufwandswirksamen Hebung der stillen Lasten sieht die Finanzverwaltung eine Umgehung steuerlicher Ansatz- und Bewertungsbeschränkungen. Sie versucht bislang in erster Linie, diesen Steuereffekt durch einen fingierten Erwerbsgewinn beim Erwerber des Passivpostens zu neutralisieren[5]. Damit wird die Finanzverwaltung infolge der klaren Rechtsprechungslinie des BFH zukünftig nicht mehr durchdringen können.

Der vollständige Aufsatz ist veröffentlicht unter http://www.boorberg.de/steuanmag/2013-2/steumag_0213_gesamt_web.pdf

Siehe auch: http://www.steuerrecht.org

 


[1]      I R 69/11 zur Passivierung „angeschaffter“ Pensionsrückstellungen, BeckRS 2013, 94625, und I R 28/11 zur Ausgliederung von Pensionsverpflichtungen, BeckRS 2013, 94630, DStR 2013, 575, mit Anmerkung Wolf-Dieter Hoffmann.

[2]      Urteil vom 16.12.2009 – I R 102/08, Passivierung „angeschaffter” Drohverlustrückstellungen, DStR 2010, 265 und Urteil vom 14.12.2011 – I R 72/10, Passivierung „angeschaffter” Rückstellungen bei steuerlichem Ausweisverbot, DStR 2012, 452.

[3]      BFH, Urteil vom 26.04.2012 – IV R 43/09, Keine Passivierung einer Pensionsrückstellung nach Schuldbeitritt und Schuldübernahme im Innenverhältnis, DStR 2012, 1128.

[4]      Hoffmann spricht gar davon, das „Scheunentor der Bilanzgestaltung“ sei „sperrangelweit geöffnet“, DStR 2013, 580, 581.

[5]      Vgl. BMF Schreiben vom 24.06.2011 IV C 6 – S 2137/0-03, Steuerliche Gewinnermittlung; bilanzsteuerrechtliche Ansatz- und Bewertungsvorbehalte bei Übernahme von schuldrechtlichen Verpflichtungen, DStR 2011, 1226; BMF Schreiben vom 16.12.2005, IV B 2-S 2176-103/05 Schuldbeitritt in eine Pensionsverpflichtung, DStR 2006, S. 36.

Verfasser

Andreas Jahn

Fundstelle

steueranwaltsmagazin 2/2013, S. 58 ff.

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