12.05.2022

Transaktionen sind komplex, auch rechtlich. Fallstrecke gibt es viele. Ein bekannter Fallstrick ist die Zustimmungspflicht der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft gemäß § 179a Aktiengesetz (AktG). Die Vorschrift des § 179a AktG bestimmt für Aktiengesellschaften, dass die Hauptversammlung einem Vertrag, durch den sich die Aktiengesellschaft zur Übertragung des ganzen (oder nahezu ganzen) Gesellschaftsvermögens verpflichtet, zustimmen muss. Bei der Aktiengesellschaft sichert diese Vorschrift die Kenntnis sowie die Einflussnahme der Aktionäre bei Verträgen, welche das (nahezu) ganze Gesellschaftsvermögen betreffen. Vorstand und Aufsichtsrat sollen nicht selbständig entscheiden können, wenn die Aktiengesellschaft ihre unternehmerische Tätigkeit (nahezu) aufgibt oder ändert. Fehlt ein Beschluss der Hauptversammlung, ist der Kaufvertrag schwebend unwirksam. Dies will jeder vermeiden. Wie bei allen Sondervorschriften hat sich auch bei § 179a AktG die Frage gestellt, ob diese Vorschrift entsprechend bei einer GmbH oder bei einer Personengesellschaft (insbesondere der GmbH & Co. KG) angewendet werden muss. Bei Transaktionen führte dies dazu, dass der Käufer auf die Offenlegung des Zustimmungsbeschlusses der Gesellschafterversammlung bestanden hat und der Zustimmungsbeschluss Bestandteil des Kaufvertrages war, selbst wenn eine Gesellschaft (nur) Teile ihres Vermögens oder auch „nur“ Beteiligungen veräußert hat. Die Rechtsfolge von § 179a AktG war zu „scharf“: Die Wirksamkeit des Kaufvertrages stand auf dem Spiel. Nicht in allen Fällen haben sich die Gesellschafter gefreut. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nunmehr Erleichterung geschaffen. Mit Urteil vom 8. Januar 2019 – II ZR 364/18 – hatte der BGH bereits entschieden, dass die Vorschrift von § 179a AktG bei einer GmbH keine Anwendung findet. Mit einem aktuellen Urteil vom 15. Februar 2022 – II ZR 235/20 – hat der BGH diese Rechtsprechung auf Personengesellschaft erweitert.


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Der Sachvehalt

Der Sachverhalt der Entscheidung vom 15. Februar 2022 ist kompliziert. Die Klägerin ist eine Kommanditgesellschaft. Sie befindet sich seit 1998 in Liquidation. Die Beklagte ist Herausgeberin einer Zeitung. Die Klägerin ist an der Beklagten mit einem Kommanditanteil beteiligt. Im Jahre 1949 hatten die Klägerin und die Beklagte einen Druckvertrag geschlossen, aufgrund dessen die Klägerin eine Lokalausgabe einer Zeitung in einem bestimmten Bereich herstellte und vertrieb. In 1989 gründete die Klägerin die V GmbH & Co. KG. Die Klägerin war alleinige Gesellschafterin der Komplementärin dieser GmbH & Co. KG und deren einzige Kommanditistin. Die V GmbH & Co. KG führte den Druckvertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten durch. In 1998 schlossen die Klägerin und die Beklagte einen Kauf- und Übertragungsvertrag. Danach hat die Klägerin den Kommanditanteil der Beklagten an die Beklagte verkauft, ebenso auch den Kommanditanteil der Klägerin an der V GmbH & Co. KG sowie den Gesellschaftsanteil an deren Komplementärin. Es war offenbar nicht gewünscht, dass die Beklagte ihren eigenen Kommanditanteil erwirbt. Es sollte eine doppelseitige Beteiligungsstruktur entstehen. Die Beklagte sollte Alleingesellschafterin der V GmbH & Co. KG werden. Die V GmbH & Co. KG wiederum sollte den Kommanditanteil an der Beklagten halten. Zu diesem Zweck wurde durch Treuhandvertrag vereinbart, dass der Kommanditanteil, welchen die Klägerin an der Beklagten hielt, zu treuen Händen einem Rechtsanwalt übertragen wurde, der wiederum verpflichtet war, diesen Kommanditanteil an die V GmbH & Co. KG weiterzureichen, sobald – dies ist nach dem Tatbestand zu vermuten – die Beklagte den Kommanditanteil an der V GmbH & Co. KG endgültig erworben hat. Wirtschaftlich gesehen waren der Kommanditanteil der Klägerin an der Beklagten sowie der Komplementäranteil und der Kommanditanteil der Klägerin an der V GmbH & Co. KG das gesamte Gesellschaftsvermögen der Klägerin. Einen ausdrücklichen Zustimmungsbeschluss der Gesellschafterversammlung der Klägerin für die Transaktion gab es nicht. Ein zwischenzeitlich neu bestellter Liquidator der Klägerin sah daher die gesamte Übertragung als unwirksam an und klagte auf Feststellung der Unwirksamkeit der Übertragung sowie auf Auskunftserteilung. Die Klage hatte in keiner Instanz Erfolg.

Die Entscheidung

Der BGH nahm den Sachverhalt zum Anlass, sich mit der analogen Anwendung von § 179a AktG bei Personengesellschaften auseinanderzusetzen. Im Ergebnis hat er dies verneint. Eine Analogie setze voraus, dass das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthalte und der zu beurteilende Sachverhalt vergleichbar sei. Eine Vergleichbarkeit zwischen einer Aktiengesellschaft einerseits und einer GmbH & Co. KG andererseits konnte der BGH nicht feststellen.

Sinn der Regelung von § 179a AktG sei der Schutz und die Kontrolle der Aktionäre gegenüber Vorstand und Aufsichtsrat. Es müsste verhindert werden, dass der Vorstand sowie der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft nahezu das gesamte Gesellschaftsvermögen veräußern könne, ohne dass die eigentlichen Eigentümer davon Kenntnis haben und dies billigen. Nur dieser Eingriff in die Eigentumsinteressen der Aktionäre rechtfertige auch die strenge Rechtsfolge von § 179a AktG: Die (schwebende) Unwirksamkeit des Kaufvertrages. Die unbeschränkte Vertretungsbefugnis des Vorstandes werde insoweit eingeschränkt. Der Gesetzgeber habe bei der Aktiengesellschaft die damit einhergehende Rechtsunsicherheit, ob der Vorstand bei Verträgen dieser Art die Aktiengesellschaft vertreten könne, im Interesse der Aktionäre in Kauf genommen. Diese Vorgaben passen aus Sicht des BGH bei einer Personengesellschaft nicht.

Nach den gesetzlichen Regelungen gemäß §§ 116 Abs. 2, 119 Abs. 1 HGB zur OHG sowie §§ 161 Abs. 1, 164 HGB zur KG, bedarf es bei “Geschäften“, welche über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft hinausgehen, eines Gesellschafterbeschlusses. Nach der gesetzlichen Regelung muss dieser Gesellschafterbeschluss sogar einstimmig sein. Der Gesellschaftsvertrag kann aber eine Mehrheitsentscheidung vorsehen. Der Verkauf des (nahezu) ganzen Gesellschaftsvermögens ist eine Handlung, die über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes hinausgeht. Die nicht geschäftsführenden Gesellschafter einer OHG oder auch die Kommanditisten einer Kommanditgesellschaft müssen daher ohnehin unterrichtet werden, damit sie über eine solche Maßnahme beschließen können. Ein besonderes Schutzbedürfnis dieser Gesellschafter besteht nicht. Die Vertretungsbefugnis von Vorständen einer Aktiengesellschaft, Geschäftsführern einer GmbH, geschäftsführenden Gesellschaftern einer OHG sowie der Komplementäre einer Kommanditgesellschaft sind für den Rechtsverkehr essentiell. Der Rechtsverkehr muss sich auf diese Vertretungsbefugnis verlassen können. Die Zustimmungspflicht der Hauptversammlung gemäß § 179a AktG ist eine gesetzliche Beschränkung der Vertretungsbefugnis von Vorständen. Nach Ansicht des BGH sei sie nur bei der Aktiengesellschaft wegen des Schutzes der Aktionäre gerechtfertigt. Da die Gesellschafter einer Personengesellschaft ohnehin mit solchen Verträgen in den Gesellschafterversammlungen befasst werden, sei es nicht gerechtfertigt, die gesetzliche Vertretungsbefugnis der geschäftsführenden Gesellschafter/der Komplementäre einzuschränken.

Für einen in der Praxis wichtigen „Sonderfall“ hat der BGH die Frage noch offengelassen. Bei der Klägerin in dem Ausgangsverfahren handelte es sich um eine „normale“ GmbH & Co. KG. Ob diese Rechtsprechung auch bei Publikums-Personengesellschaften gilt, ließ der BGH dagegen offen. Nach Meinung des BGH können Publikums-Personengesellschaften ähnlich wie Aktiengesellschaften strukturiert sein. Möglicherweise ist insoweit – so wird man den BGH verstehen müssen – eine analoge Anwendung von § 179a AktG bei einer Publikums-Personengesellschaft doch möglich.

Folgen für die Praxis

Die Entscheidungen vom 8. Januar 2019 für die GmbH sowie vom 15. Februar 2022 für die Personengesellschaften erleichtern die Praxis von Unternehmenstransaktionen. Käufer dürfen der gesetzlichen Vertretungsbefugnis der jeweiligen Organe vertrauen, ohne dass Gesellschafterbeschlüsse nach außen offengelegt werden müssen. Im Innenverhältnis zwischen Geschäftsführung und Gesellschafterversammlung dürfte aber in nahezu allen Fällen gelten, dass die Geschäftsführung einen Beschluss ihrer Gesellschafterversammlung einholen muss. Daran ändert sich durch die beiden Entscheidungen des BGH nichts. Diese Beschlüsse müssen nur „lediglich“ gegenüber dem Käufer nicht offengelegt werden. Zweifelsfragen bleiben noch bei der Publikums-Personengesellschaft. Insoweit hat sich der BGH nicht festgelegt. Bei Publikums-Personengesellschaften gilt daher weiterhin die bisherige Praxis: Der Käufer muss sich den Zustimmungsbeschluss der Gesellschafterversammlung der Publikums-Personengesellschaft vorlegen lassen. Ansonsten ist das Risiko einer schwebenden Unwirksamkeit des Kaufvertrages zu hoch.

Autor

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