02.02.2022 -


Kann die Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses gleichzeitig zu einer neuen Probezeit führen? (credit: adobestock)

Ein Arbeitsverhältnis kann bekanntlich während der ersten sechs Monate ohne einen Grund nach dem Kündigungsschutzgesetz gekündigt werden. Man nennt diese ersten sechs Monate kündigungsschutzrechtlich Wartezeit. Umgangssprachlich wird auch von Probezeit gesprochen. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte nun zu entscheiden, ob die Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses gleichzeitig dazu führt, dass eine neue Probezeit und damit ein neues Kündigungsrecht in der Wartezeit vereinbart werden kann (LAG Berlin-Brandenburg v. 16.2.2021 – 11 Sa 1261/20). Die wichtige Entscheidung möchten wir hier für die Praxis besprechen.

Der Fall (verkürzt):

Der klagende Arbeitnehmer war bereits seit dem 15. Mai 2015 bei dem beklagten Land Berlin bei der Senatsverwaltung in der Entgeltgruppe 14 TV-L beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis war bis zum 31. Dezember 2019 befristet.

Weil eine Entfristung des Arbeitsvertrages nicht erfolgen sollte, bewarb sich der Kläger auf eine Stelle im Straßen- und Grünflächenamt des Bezirksamtes B. von Berlin.

Die Parteien schlossen sodann einen Aufhebungsvertrag zum 15. November 2019. Mit Wirkung ab dem 16. November 2019 schloss der Kläger einen neuen Arbeitsvertrag mit dem beklagten Land über eine Tätigkeit nach der Entgeltgruppe 11 und der Vereinbarung einer erneuten Probezeit. Der Beginn der Beschäftigungszeit wurde hingegen auf den 15. Mai 2015 festgesetzt.

Mitte Januar bat das beklagte Land den Personalrat um Zustimmung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger in der vereinbarten Probezeit. Zur Begründung wurde Folgendes ausgeführt:

„Herr J. hat sich während der Probezeit nicht bewährt, weil er die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllt hat. Nach unserer allgemeinen subjektiven Einschätzung genügt er unseren Anforderungen nicht. Ich bitte daher das Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit zu kündigen.“

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Dabei hat es sich allerdings auf eine fehlerhafte Personalratsanhörung gestützt. So seien die Frauenvertreterin und der Personalrat parallel beteiligt worden. Dies sei unzulässig gewesen, da kein Eilfall gegeben war.

Die Entscheidung:

Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht die Unwirksamkeit der Kündigung nach dem Kündigungsschutzgesetz festgestellt.

I. Wartezeit nach Kündigungsschutzgesetz

Das Kündigungsschutzgesetz findet nach sechs Monaten Anwendung, § 1 Abs. 1 KSchG. Diese vorgeschriebene Wartezeit richtet sich nach dem Bestand des Arbeitsverhältnisses. Der Mitarbeiter war aber bereits seit dem 15. Mai 2015 bei dem beklagten Land beschäftigt. Der Aufhebungsvertrag zum 15. November 2019 und die Begründung eines neuen Arbeitsvertrages ändern daran nichts.

Beide Arbeitsverträge sind mit dem beklagten Land selbst abgeschlossen worden. Der Wechsel des zuständigen Verwaltungsbereiches ändert an dem identischen Vertragsarbeitgeber nichts. Die einzelnen Bezirksämter des Landes Berlin haben auch keine eigene Rechtspersönlichkeit.

II. Keine Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses

Der Abschluss des neuen Arbeitsvertrages führt auch nicht zu einer relevanten Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses. Ein ununterbrochener Bestand besteht auch dann, wenn innerhalb der Wartezeit mehrere Arbeitsverhältnisse begründet werden, die ohne zeitliche Unterbrechung aufeinanderfolgen. Wird die Beschäftigung – wie hier – nahtlos fortgesetzt, ist typischerweise von einem ununterbrochenen Arbeitsverhältnis auszugehen.

Hinweis für die Praxis:

Die Änderung der Entgeltgruppe oder auch die Änderung der zuständigen Verwaltungseinheit führen nicht zur Neuberechnung der sechsmonatigen Wartezeit. Maßgeblich ist der Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem identischen Vertragsarbeitgeber. Die beiden Vertragsverhältnisse sind daher zusammenzurechnen. Ein enger sachlicher Zusammenhang zur Tätigkeit muss nicht bestehen. Die Kündigung scheiterte damit an der fehlenden sozialen Rechtfertigung nach § 1 Abs. 2 KSchG. Zudem erfolgte eine fehlerhafte Personalratsbeteiligung, da diesem gegenüber eine Probezeit behauptet und keine Kündigungsgründe genannt wurden.

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