24.08.2020 -

In vielen Arbeitsverträgen wird eine Probezeit ausdrücklich vereinbart. Diese beträgt meist sechs Monate, kann aber auch kürzer geregelt werden. Der Begriff der Probezeit ist von der sogenannten Wartezeit im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) zu unterscheiden. Bekanntlich greift der allgemeine Kündigungsschutz erst nach sechs Monaten. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat in einem aktuellen Urteil klargestellt, dass der vereinbarte Verzicht auf eine Probezeit noch nicht den gleichzeitigen Verzicht auf die Wartezeit beinhaltet (LAG Baden-Württemberg v. 18.06.2019, 15 Sa 4/19). Die Entscheidung ist von großer praktischer Bedeutung. Vor allem muss sich jeder Personaler, der Verträge formuliert, über die unterschiedlichen Begrifflichkeiten in einem Arbeitsvertrag klar sein.


Verzicht auf Probezeit führt nicht zu sofortigem Kündigungsschutz (Copyright: Stockfotos.MG/adobe.stock).

Der Fall (verkürzt)

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund einer ordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung vom 28. November 2017 mit Ablauf des 28. Februar 2018 beendet worden ist. Kern des Streits ist die Frage, ob auf das am 1. Juni 2017 begonnene Arbeitsverhältnis der durch das Kündigungsschutzgesetz gewährleistete allgemeine Kündigungsschutz zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits Anwendung fand.

In dem vereinbarten Arbeitsvertrag haben die Parteien unter § 1.3 Folgendes vereinbart: „Es wird keine Probezeit vereinbart.“

Weiter ist in § 13.2 des Arbeitsvertrages eine dreimonatige Kündigungsfrist vereinbart.

Die Klägerin hat nun im Rahmen ihrer Klage die Rechtsauffassung vertreten, durch den vereinbarten Verzicht auf die Probezeit sei zugleich auf die sechsmonatige Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG verzichtet worden. Die Kündigung müsse daher unter Geltung des Kündigungsschutzgesetzes geprüft werden. Ein Grund für eine soziale Rechtfertigung der Kündigung liege nicht vor.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Zum Zeitpunkt der Kündigung sei die Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG noch nicht erfüllt gewesen. Ein Verzicht auf die Wartezeit sei hier nicht ausdrücklich vereinbart worden.

Die Entscheidung

Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidung des Arbeitsgerichts in vollem Umfange bestätigt.

I. Der Begriff der Wartezeit

Das Kündigungsschutzgesetz findet bekanntlich Anwendung, wenn in einem Betrieb mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden (vgl. die Voraussetzungen in § 23 KSchG). Daneben greift das Kündigungsschutzgesetz aber nicht in den ersten sechs Monaten. Dies regelt § 1 Abs. 1 KSchG. Voraussetzung ist danach, dass das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat. Diese Frist wird in Rechtsprechung und Literatur seit vielen Jahren einheitlich als sogenannte Wartezeit bezeichnet.

Mit anderen Worten: In den ersten sechs Monaten muss eine Kündigung nicht nach § 1 Abs. 1 KSchG sozial gerechtfertigt sein. Der Arbeitgeber kann in den ersten sechs Monaten frei kündigen und muss keinen Grund für die Kündigung haben und nachweisen. Grenzen ergeben sich natürlich aus dem allgemeinen Willkürverbot und Treu und Glauben.

II. Der Begriff der Probezeit

Von dieser Wartezeit ist die sogenannte Probezeit zu unterscheiden. Der Begriff der Probezeit findet sich in § 622 Abs. 3 BGB. Dort ist allein im Hinblick auf die Kündigungsfrist geregelt, dass während einer vereinbarten Probezeit, längstens für die Dauer von sechs Monaten, das Arbeitsverhältnis mit einer kurzen Frist von zwei Wochen gekündigt werden kann. Diese Regelung betrifft aber allein das Kündigungsrecht bzw. die Länge der Kündigungsfrist in den ersten sechs Monaten. Wird eine Probezeit ausdrücklich in einem Arbeitsvertrag vereinbart, greift dann die vereinbarte kürzere Kündigungsfrist von zwei Wochen. Wird eine Probezeit nicht vereinbart, gilt von Anfang an die längere Grundkündigungsfrist nach § 622 Abs. 1 BGB. Diese beträgt dann ab dem ersten Tag vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats.

Hinweis für die Praxis:

Der Vorteil einer vereinbarten Probezeit besteht also allein in der verkürzten Kündigungsfrist. Dabei steht es den Arbeitsvertragsparteien frei, auch trotz einer vereinbarten Probezeit eine andere Kündigungsfrist vorzusehen. Die kurze Frist von 14 Tagen gilt aber stets in allen Fällen, in denen eine andere Frist nicht vereinbart wurde.

III. Verhältnis von Probezeit und Wartezeit

Beide Begriffe sind streng voneinander zu unterscheiden. Das Landesarbeitsgericht hat dies in dem aktuellen Urteil auch nochmals ausdrücklich bestätigt. Rechtsbegriffe werden in der Rechtsordnung mit der Bedeutung verwandt, die sie in der Rechtsordnung auch haben. Es kommt nicht darauf an, dass sich möglicherweise im allgemeinen Sprachgebrauch die Begriffe der Probezeit und der Wartezeit vermischen und dass möglicherweise die meisten Arbeitnehmer ohnehin nicht genau wissen, welche Rechtsfolgen sie an die Vollendung der Probezeit oder der Wartezeit oder beider Zeiten knüpfen. Das ist unerheblich. Wer einen Arbeitsvertrag schließt, muss sich nach den klaren Hinweisen des Landesarbeitsgerichts über die Bedeutung der darin verwendeten Rechtsbegriffe informieren, bevor er Hoffnungen daraus ableitet.

Dies bedeutet nun, dass Verzicht auf eine Probezeit ausschließlich den Verzicht auf die kürzere Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 3 BGB beinhaltet. Mehr nicht. Der Verzicht auf die Probezeit beinhaltet also keinesfalls den Verzicht auf die Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG. Ein Verzicht auf die Probezeit führt deshalb nicht dazu, dass das Kündigungsschutzgesetz von Anfang an, also ab dem ersten Tag des Arbeitsverhältnisses, Anwendung findet. Die Dauer der sechsmonatigen Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG bleibt vielmehr unberührt. Kündigungsschutz tritt auch weiterhin erst nach sechs Monaten ein.

Hinweis für die Praxis:

Bei der Vertragsgestaltung ist also genau auf die Verwendung der Rechtsbegriffe zu achten. Eine Belehrungspflicht für Arbeitgeber besteht aber nicht. Lässt sich ein Arbeitnehmer auf die Vereinbarung, dass eine Probezeit nicht vereinbart wird, oder sogar ausdrücklich auf die Probezeit verzichtet wird, ein, kann er daraus keine Vorteile für den Kündigungsschutz ableiten. Möchte er den Kündigungsschutz ausdrücklich ab dem ersten Tag des Arbeitsverhältnisses in Anspruch nehmen, muss dies gesondert ebenfalls ausdrücklich vereinbart werden.

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