08.08.2016

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich mit Beschluss vom 06. Juli 2016 – XII ZB 61/16 – erneut mit der Frage befasst, wann eine Patientenverfügung eine bevollmächtigte Person bindet. Er hat nochmals festgestellt, dass eine Bindung nur besteht, wenn die Verfügung präzise genug formuliert ist.

Der Fall:

Eine Mutter von drei Töchtern hatte eine „Patientenverfügung“ formuliert mit unter anderem dem Inhalt, es sollten „lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben“, wenn aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibe. Einer ihrer drei Töchter hatte sie zusätzlich eine Vorsorgevollmacht erteilt mit dem Inhalt, sie solle mit der behandelnden Ärztin alle erforderlichen Entscheidungen absprechen und dabei ihren – der Mutter – Willen im Sinne dieser Patientenverfügung einbringen. Ferner hatte sie dieser Tochter eine notariell beurkundete Generalvollmacht erteilt, ausdrücklich auch für Fragen der medizinischen Versorgung und Behandlung, wobei es dort hieß, die Tochter könne „in eine Untersuchung des Gesundheitszustandes, in eine Heilbehandlung oder in die Durchführung eines ärztlichen Eingriffs einwilligen, die Einwilligung hierzu verweigern oder zurücknehmen.“ Ferner sollte die Tochter hiernach berechtigt sein, über den Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen zu entscheiden, dies mit der Begründung, die Mutter lege bei einer zum Tod führenden Erkrankung keinen Wert auf solche Maßnahmen, wenn feststehe, dass eine Besserung des Zustands nicht zu erwarten sei.

Die Mutter ist inzwischen als Folge eines Hirnschlags handlungsunfähig, sie kann sich auch nicht mehr äußern und wird künstlich ernährt. Die bevollmächtigte Tochter und die Hausärztin der Mutter gehen und gingen davon aus, der Abbruch der künstlichen Ernährung entspreche gegenwärtig nicht dem Willen der Mutter; deswegen wollten sie hieran nichts ändern. Die beiden anderen Töchter teilten diese Ansicht nicht und wollten deshalb erreichen, dass ihrer Schwester auf einem hier nicht näher interessierenden Weg letztlich die Vollmacht entzogen wird.

Die Entscheidung:

Der BGH hat eine von den nicht bevollmächtigten Schwestern erwirkte, in ihrem Sinne ergangene Entscheidung des Landgerichts aufgehoben, weil ohne weitere Aufklärung des Sachverhalts nicht davon ausgegangen werden könne, dass die Mutter eine weitere Behandlung ablehne und deshalb nicht weiter künstlich ernährt werden wolle. Das Landgericht müsse klären, ob es z.B. Äußerungen der Mutter gebe, wonach sie für die hier gegebene Situation einen Behandlungsabbruch wünsche.

Gemäß § 1904 BGB kann eine bevollmächtigte Person in Behandlungsmaßnahmen und deren Abbruch nur einwilligen, wenn „die Vollmacht diese Maßnahmen ausdrücklich umfasst und schriftlich erteilt ist“. Der BGH verlangt, dass sich aus der Patientenverfügung und der Vollmacht auch ergeben muss, dass die Entscheidung über die Behandlung oder deren Abbruch zum Tod oder zu einem schweren und länger andauernden Schaden führen kann.  

Eine schriftliche Patientenverfügung im Sinne des § 1901a Abs. 1 BGB ist also nur dann bindend, wenn sich aus ihr konkret ergibt, ob der Betroffene in bestimmte, noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahmen einwilligt oder nicht. Dafür reichen – so der BGH – keine nur allgemeinen Anweisungen, wie z.B. die Aufforderung, ein würdevolles Sterben zu ermöglichen oder zuzulassen, wenn ein Therapieerfolg nicht mehr zu erwarten ist. Jedoch dürfe nicht zu viel verlangt werden. Es sei ausreichend, dass der Betroffene beschreibe, was er in einer bestimmten Lebens- und Behandlungssituation will und was nicht.

Die Äußerung allein, es sollten „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ durchgeführt werden, reiche dafür nicht aus. Vielmehr müsse das konkreter ausgedrückt werden, z.B. durch die Angabe bestimmter ärztlicher Maßnahmen oder den Hinweis auf möglichst konkret angegebene Krankheiten oder Behandlungssituationen. Die Erklärungen in der Patientenverfügung und in der notariellen Generalvollmacht reichten dafür nicht aus, weil sie zu allgemein formuliert seien. Aus diesen Urkunden ergebe sich keine bestimmte Behandlungsentscheidung, wie sie für eine bindende Patientenverfügung nötig sei.

Da sich also allein aus den Urkunden der Wille der Mutter nach einem Abbruch der Behandlung nicht ausreichend eindeutig ergebe, sei die bevollmächtigte Tochter durch die Urkunden nicht gebunden. Es müsse vielmehr noch geklärt werden, ob sich die Mutter einmal mündlich klar geäußert habe und man daraus schließen könne, ob sie in der hier gegebenen Situation weiter behandelt werden wolle oder ob sie einen Abbruch der Behandlung wünsche.

Fazit:

Wer eine Patientenverfügung formuliert, darf sich nicht mit Allgemeinplätzen begnügen. Er muss vielmehr so genau wie nur möglich formulieren. Da man, wenn eine solche Verfügung verfasst wird, normalerweise die konkrete gesundheitliche Entwicklung nicht vorhersieht, ist dringend zu empfehlen, dass möglichst viele Beispiele von möglichen Krankheitssituationen aufgeführt werden und dazu erklärt wird, was in diesen Situationen geschehen soll. Auch wenn später keine dieser Situationen eintritt, kann man aus den genannten Beispielen in der Regel den Schluss ziehen, was für diese nun tatsächlich eingetretene Situation gewünscht ist.

Ferner muss in einer auch die medizinische Behandlung betreffenden Vollmacht unmissverständlich klargestellt werden, dass sie auch gilt, wenn die Entscheidung über die Behandlung oder deren Abbruch zum Tod oder zu einem schweren und länger andauernden Schaden führen kann.

Autor

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Of Counsel
Rainer Bosch
  • Rechtsanwalt
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