13.07.2016

Ein häufig zu beobachtendes „Steuersparmodell“ besteht in der Zwischenschaltung ausländischer Briefkastengesellschaften in inländische Leistungsbeziehungen, um eigentlich der inländischen Besteuerung unterworfene Steuersachverhalte in Steueroasen zu verlagern. Fliegt die Gestaltung auf, wird es auch steuerlich teuer.

Mit jüngst veröffentlichtem Urteil des BFH vom 02.03.2016, I R 73/14, hat der I. Senat entschieden:

Sind dem Steuerpflichtigen Gewinnausschüttungen einer GmbH zuzurechnen, da eine zwischen ihm und der GmbH bestehende Beteiligungskonstruktion über ausländische Gesellschaften als Gestaltungsmissbrauch anzusehen ist, kann er die von einer zwischengeschalteten Auslandsgesellschaft im Ausland gezahlte [hier niederländische] Dividendensteuer nicht von seinen Einkünften abziehen.

Der Fall

Im Streitfall war der im Inland ansässige Gesellschafter X über die im Ausland ansässigen Gesellschaften V B.V. (Niederlande), B N.V. (Niederländische Antillen) und F Ltd. (Britische Jungfraueninseln) und weiter über eine Stiftung in Vaduz/Liechtenstein an einer inländischen GmbH beteiligt. Die Zwischenschaltung war nach dem Ergebnis der Steuerfahndung als Missbrauch von Gestaltungsmitteln (sog. Gestaltungsmissbrauch) anzusehen, denn ihr lag kein außersteuerlicher wirtschaftlicher Zweck zugrunde. Vielmehr sollte die inländische Steuer auf Ausschüttungen der GmbH an den inländischen Gesellschafter X vermieden werden, indem die Person des X als wirtschaftlicher Empfänger der Ausschüttungen verschleiert wurde.

Die Ausschüttung der Dividende von 3,7 Mio. DM lief über die niederländische B.V., von dort an deren Muttergesellschaft in der niederländischen Karibik, von dort weiter über die Ltd. auf den British Virgin Islands (BVI) und schließlich auf das Konto einer liechtensteinischen Stiftung in Vaduz, deren Berechtigter wiederum X war. Diese ihm so zugeflossenen Dividenden gab X in seiner deutschen Einkommensteuererklärung nicht an. Jede zwischengeschaltete Gesellschaft war jeweils eine reine Basisgesellschaft, auch Domizilgesellschaft oder landläufig Briefkastenfirma genannt.

Das Finanzamt rechnete die Ausschüttung unmittelbar dem X zu, verweigerte allerdings den Abzug der niederländischen Dividendensteuer bei der Ermittlung der Einkünfte des X. Diese Dividendensteuer (200 TDM) lastete auf der in die Karibik geleisteten Gewinnausschüttung der V B.V. an die B N.V. Dieser Auffassung folgte jetzt auch der BFH

Die Entscheidung

1.         Gestaltungsmissbrauch und Rechtsfolgen

Liegt ein Gestaltungsmissbrauch vor, so besteht die Rechtsfolge darin, dass an die Stelle der tatsächlich gewählten Gestaltung die angemessene Gestaltung tritt. Damit fingiert § 42 AO für Besteuerungszwecke einen anderen als den tatsächlich verwirklichten Sachverhalt.

Im Streitfall sollte mit der Einschaltung der ausländischen Gesellschaften die persönliche Zurechnung der Einkünfte aus der GmbH-Beteiligung an X umgangen werden. Nicht diesem, sondern der V B.V. als Anteilseignerin sollten mit der unangemessenen Gestaltung die Gewinnausschüttungen persönlich zugerechnet werden

Die gesetzliche Rechtsfolge des § 42 AO verhindert diesen Umgehungserfolg, indem die angemessene Gestaltung, also die unmittelbare Beteiligung des X an der GmbH und der Einnahmenzufluss an ihn, fingiert und die tatsächlich gewählte Gestaltung, also die unmittelbare Beteiligung der V B.V. an der GmbH und der Einnahmenzufluss an V, ignoriert werden. Es soll der dadurch der deutsche Steueranspruch so entstehen, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.

Demzufolge hat X die Dividende in Deutschland so zu versteuern als hätte er sie direkt von der deutschen GmbH erhalten.

2.         Kein Abzug der niederländischen Dividendensteuer nach § 34c Abs. 3 EStG

Nach § 34c Abs. 3 EStG ist – verkürzt ausgedrückt –

  • bei Inländern, bei denen eine ausländische Steuer vom Einkommen nicht anderweitig angerechnet werden kann, die festgesetzte und gezahlte ausländische Steuer bei der Ermittlung der Einkünfte abzuziehen,
  • soweit sie auf Einkünfte entfällt, die der deutschen Einkommensteuer unterliegen.

Zweck des § 34c EStG ist es, die Doppelbesteuerung des Steuerpflichtigen zu vermeiden. § 34c Abs. 3 EStG setzt somit die sog. Steuersubjektidentität voraus, das heißt, der inländische Steuerpflichtige muss identisch sein mit derjenigen Person sein, die im Ausland – hinsichtlich desselben Steuerobjekts – zu einer der inländischen Steuer vergleichbaren Steuer herangezogen wird.

Daran könnte man bei X denken. Denn wenn man als Rechtsfolge des § 42 AO alle infolge der missbräuchlichen Gestaltung eingetretenen Geschehensabläufe im Sinne einer Voll-Fiktion hinwegdächte, wäre auch keine niederländische Dividendensteuer entstanden. Da diese Steuer aber tatsächlich gezahlt worden ist und diese Steuer nicht anderweitig angerechnet werden kann, wollte X sie bei seiner Einkommensteuer abgezogen wissen.

Keine Voll-Fiktion

Dieser Argumentation versagte der BFH zu Recht die Anerkennung. Denn bei der angemessenen Gestaltung im Sinne eines vollständigen Hinwegdenkens der Auslandsgesellschaften fällt keine niederländische Steuer an, sondern lediglich deutsche Steuer auf den Beteiligungsertrag, allerdings in Höhe der tariflichen Normalbelastung. Der deutsche Steueranspruch wäre somit durch Auslandseinflüsse nicht beeinträchtigt. Dann aber ist es aber nicht gerechtfertigt, die reguläre tarifliche deutsche Steuer durch Anwendung des § 34c Abs. 3 EStG und damit durch den Abzug der niederländischen Steuer zu mindern, weil dann weder dem Grunde noch der Höhe nach derjenige inländische Steueranspruch i.S. des § 42 AO entsteht, wie er bei angemessener Gestaltung entstehen würde. Mit anderen Worten: Wollte man den Abzug zulassen, entstände der deutsche Steueranspruch gerade nicht so, wie er bei einer angemessenen Gestaltung entstanden wäre.

Eine über die Vereitelung des konkret erstrebten Umgehungserfolgs hinausgehende Fiktionswirkung kommt dem § 42 AO nicht zu. Die Fiktion erfasst nicht die sonstigen Geschehensabläufe, hier bspw. die tatsächliche Zahlung der niederländischen Dividendensteuer auf die Ausschüttung an die B N.V., und insbesondere lässt sie die Existenz der ausländischen Gesellschaften und deren allgemeine steuerliche Anerkennung unberührt. Eine Voll-Fiktion findet nicht statt.

Fehlende Steuersubjektidentität

Dann aber fehlt es an der für § 34c EStG erforderlichen Steuersubjektidentität, weil die selbständige Rechtsperson V B.V. die niederländische Dividendensteuer gezahlt hatte und nicht der inländische Steuerpflichtige X.

Im Übrigen keine Einkünfte, die der deutschen Einkommensteuer unterliegen

Neben der fehlenden Steuersubjektidentität scheitert der begehrte Abzug aber auch daran, dass die niederländische Dividendensteuer nicht auf diejenigen Einkünfte entfällt, die der deutschen Einkommensteuer unterliegen.

Die deutsche Steuer entsteht im Streitfall gemäß § 42 AO auf die Ausschüttung der GmbH an X, die niederländische Steuer lastet allerdings auf den Gewinnausschüttungen, die die B N.V. von der V B.V. erhält.

Fazit

Abgesehen von den steuerstrafrechtlichen Konsequenzen, die einem Steuerpflichtigen drohen, wenn er zum Zweck der Steuerhinterziehung ausländische Briefkastenfirmen in inländische Steuersachverhalte missbräuchlich zwischenschaltet, wird die Aufdeckung auch steuerlich unattraktiv.

  • Erstens wird die über § 42 AO ein Steuersachverhalt fingiert, um den deutschen Steueranspruch so entstehen zu lassen, wie der Steueranspruch bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.
  • Andererseits werden die infolge der missbräuchlichen Gestaltung angefallenen ausländischen Steuern, Abgaben und Kosten nicht von der Fiktion erfasst, so dass sie nicht in Abzug gebracht werden können,
    • sei es mangels Steuersubjektidentität,
    • oder weil die sonstigen Anrechnungsvoraussetzungen des § 34c EStG nicht gegeben sind.

Nachahmenswerte Steuersparmodelle sind derart zwischengeschaltete ausländische Briefkastenfirmen jedenfalls nicht. In Zeiten herumgereichter Daten-CDs, Panama-Papers und andere Daten-Leaks, in denen niemand weiß, was als nächstes „leakt“, könnte dieses neue Urteil zum Anlass genommen werden, derartige Konstruktionen zu bereinigen.

Lorbeerkranz

Auszeichnungen

  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuer­recht“
    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2022/2023)

  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuer­recht“
    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2017-2021)

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