11.07.2016

In einem sehr lehrreichen Fall, den das Oberverwaltungsgerichts Münster zu entscheiden hatte (OVG Münster, Urteil vom 31.05.2016 – 16 A 172/13), wird einmal mehr deutlich, wie hoch die Trauben hängen, wenn der Stifter einer unselbständigen Stiftung, in deren Entscheidungsgremium er seine Vorstellungen der praktischen Stiftungsarbeit nicht durchzusetzen vermag, „sein Geld“ – zurückhaben will.

Das ausführlich begründete Urteil ist gerade für diejenigen von Interesse, die sich mit dem Recht unselbständiger Stiftungen (auch Treuhandstiftung oder nicht rechtsfähige oder fiduziarische Stiftung genannt) befassen. Denn das OVG spielt sämtliche in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen durch, ganz gleich, ob man das Rechtsverhältnis zwischen Stifter und Stiftungsträger als Schenkung (unter Auflage), als Auftrag oder als Geschäftsbesorgung verstehen will.

Der Fall

Der klagende Stifter hatte sich entschlossen, seine Heimatuniversität als Stiftungsträger einer von ihm zu errichtenden nicht rechtsfähigen gemeinnützigen Stiftung einzusetzen, deren ausformulierter Stiftungszweck in erster Linie Wissenschaft und Bildung beschrieb. Der Stifter übereignete der Universität aufgrund des von ihm unterzeichneten Stiftungsgeschäfts das zugesagte Vermögen mit der „Auflage“, das Stiftungsvermögen nach Maßgabe der Satzung zu erhalten und die Erträge zur Erfüllung des Stiftungszwecks zu verwenden.

Organ der Stiftung ist das Kuratorium, dem alle wesentlichen Entscheidungen obliegen. Es setzt sich neben dem Stifter mehrheitlich aus Vertretern der Wissenschaft zusammen. Nach der Stiftungssatzung kann das Kuratorium die Auflösung der Stiftung beschließen, wenn die Umstände es nicht mehr zulassen, den Stiftungszweck dauerhaft und nachhaltig zu erfüllen. Im Falle der Auflösung der Stiftung fällt das Vermögen an die Universität mit der Auflage, es unmittelbar und ausschließlich für gemeinnützige Zwecke zu verwenden, die dem Stiftungszweck möglichst nahe kommen.

Im Laufe der folgenden sieben Jahre nach der Gründung kam es zur wachsenden Unzufriedenheit des Stifters mit der Arbeit der Stiftung. Denn der Stifter hatte offenbar von Anfang an mehr ein aktiveres werbendes Auftreten der Stiftung via Internet-Homepage im Auge gehabt als die stärker wissenschaftlich-universitäre Ausrichtung der tatsächlich gelebten Stiftungspraxis. Mit seinen Vorstellungen für die – auch inhaltliche – Gestaltung der Stiftungs-Homepage konnte er sich im Kuratorium nicht durchsetzen.

Diese Unzufriedenheit nahm der Stifter zum Anlass, gegenüber dem Kanzler der Universität die Kündigung „des Treuhandauftrags zur Führung der Stiftung“ zu erklären. Er verlangte die Rückzahlung der gestifteten Mittel zunächst an sich, später an einen Treuhänder zur Weitergabe an eine andere Stiftung.

Wie schon das erstinstanzliche VG Köln verneinte auch das OVG Münster einen Herausgabeanspruch des Stifters.

Die Entscheidung

Gründlich arbeitet das OVG Münster die denkbaren Anspruchsgrundlagen heraus, verneint aber jeweils einen Anspruch des Stifters auf Rückzahlung der gestifteten Mittel.

  • Sofern es sich bei der Übertragung des Stiftungsvermögens auf die Universität um eine Schenkung handelt, kommen als Anspruchsgrundlagen für die vom Stifter begehrte Herausgabe des Stiftungsvermögens § 527 Abs. 1 BGB, § 530 Abs. 1 BGB und § 812 Abs. 1 BGB in Betracht.
  • Wenn in dem Stiftungsgeschäft zwischen dem Stifter und der Universität ein Treuhandverhältnis (Auftrag oder Geschäftsbesorgungsverhältnis) liegt, ist nach Widerruf oder Kündigung § 667 BGB einschlägig.
  • Und unabhängig davon, welchem Vertragstyp das Stiftungsgeschäft zuzuordnen ist, kommt ein Herausgabeanspruch wegen Verletzung eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses gemäß § 311 Abs. 2 i. V. m. § 280 Abs. 1, § 249 Abs. 1 BGB in Betracht.

1.         Anspruchsgrundlagen bei Annahme einer Schenkung

Kein Anspruch wegen fehlender Vollziehung einer Schenkungsauflage

Nach § 527 Abs. 1 BGB kann bei einer Schenkung unter Auflage (§ 525 Abs. 1 BGB) der Schenker die Herausgabe des Geschenkes insoweit fordern, als das Geschenk zur Vollziehung der Auflage hätte verwendet werden müssen, wenn die Vollziehung der Auflage unterblieben war. Das aber war vorliegend nicht der Fall, denn die Stiftung erfüllte ihre satzungsmäßigen Zwecke, nur eben nicht ganz so, wie sich der Stifter das in der Praxis wünschte. Darin aber liegt keine schädliche Zweckentfremdung der Stiftungsmittel, wie das OVG klarstellt:

„Etwaige Abweichungen der Stiftungspraxis – und damit auch des Einsatzes erwirtschafteter Vermögenserträge – von den persönlichen Vorstellungen des Klägers als dem Stifter können nicht mit einer vom Stiftungsgeschäft abweichenden Mittelverwendung gleichgesetzt werden.“

Kein Anspruch wegen groben Undanks des Beschenkten, § 530 Abs. 1 BGB

Verschieden Meinungen über die innerhalb des Stiftungszwecks liegenden Prioritäten der Stiftungsarbeit reichen für einen groben Undank im Sinne einer schweren Verfehlung gegen den Schenker nicht aus. Ebenso wenig liegt darin eine Missachtung des Stifterwillens. Ein Verhalten der Universität oder des Kuratoriums, das objektiv eine gewisse Schwere und subjektiv einen erkennbaren Mangel an Dankbarkeit aufweist, wie dies etwa bei einem grundlosen Antrag auf Betreuungsanordnung, falscher Verdächtigung oder schwerwiegender Beleidigung anzunehmen wäre, konnte hingegen nicht festgestellt werden.

Kein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung, § 812 Abs. 1 BGB

Das ursprüngliche Stiftungsvermögens war nicht ohne Rechtsgrund an die Universität geleistet worden. Zwar ist eine etwaige Schenkung zwischen Stifter und Universität wegen eines Formmangels nichtig, da das Stiftungsgeschäft nicht gemäß § 518 Abs. 1 BGB notariell beurkundet worden war. Allerdings ist der Formmangel im Umfang des bereits geleisteten Betrages durch Bewirkung der Leistung gemäß § 518 Abs. 2 BGB geheilt worden.

2.         Anspruchsgrundlagen bei Annahme eines Treuhandverhältnisses

Kein Anspruch aus § 667 BGB nach Kündigung bzw. Widerruf

Der Stifter hat zwar erklärt, dass er den der Universität erteilten „Auftrag zur treuhänderischen Führung“ der Stiftung fristlos kündige. Hiermit konnte er aber das mit der Beklagten bestehende Rechtsverhältnis nicht wirksam beenden. In dieser Erklärung liegt

  • weder ein wirksamer Widerruf eines Auftragsverhältnisses bzw. eine wirksame – ordentliche – Kündigung eines Geschäftsbesorgungsvertrages
  • noch konnte der Stifter hiermit das zwischen ihm und der Universität bestehende Vertragsverhältnis aus wichtigem Grund oder aus einem anderen Grund kündigen.

Mit der Bestimmung der Stiftungssatzung, wonach die Stiftung durch das Kuratorium der Stiftung aufgelöst werden kann und das Stiftungsvermögen dann der Universität zufallen soll, die es danach – ohne Stiftung – zweckgebunden zu verwenden hat, ist bei einer auf Dauer angelegten Stiftung ein Ausschluss des Kündigungsrecht bzw. Widerrufsrecht verbunden. Denn damit zeigt die Satzung, dass der Fortbestand der Stiftung nicht vom Willen des Stifters und des Stiftungsträgers abhängig sein soll. Zumindest steht die für steuerbefreite Stiftungen übliche und steuerrechtlich notwendige Bestimmung über die gemeinnützige Vermögensbindung (hier zugunsten der Universität) einem Herausgabeanspruch an den Stifter entgegen.

Es fehlt zudem an einem im Rechtssinn wichtigen Grund für eine Kündigung oder einen Widerruf. Ein wichtiger Grund ist gegeben, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Ein solcher, auch die Interessenlage des Kündigungsgegners abwägend mit in den Blick nehmender Grund war im Streitfall nicht gegeben. Er ist nicht darin zu sehen, dass die Stiftung in der Praxis eine von der Stiftervorstellung abweichende, zurückhaltendere Außendarstellung (hier auf der Stiftungs-Homepage) pflegt.

Dieser Umstand rechtfertigt auch keine Kündigung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Denn dazu hätte der Stifter Art und Weise der Außendarstellung, der Internet-Homepage oder Detailfragen der Stiftungspraxis von Anfang an zur Geschäftsgrundlage des Stiftungsgeschäfts machen müssen, wofür aber keine Anhaltspunkte vorlagen.

3.         Kein Anspruch wegen der Verletzung vorvertraglicher Pflichten

Der Stifter hatte eingewendet, die Universität sei als erfahrene Stiftungsträgerin verpflichtet gewesen, ihm aufzuzeigen, dass die gewählte Rechtsform einer unselbstständigen Stiftung nicht geeignet sein würde, seine angeblich von Anfang an zutage getretenen Ziele und Absichten zu realisieren. Damit konnte er freilich keinen Erfolg haben, zumal schon nicht ersichtlich ist, dass die Universität überhaupt eine derartige Aufklärungspflicht gehabt hätte. Hier wäre es Sache des Stifters gewesen, sich für ein Rechtsgeschäft mit einem finanziellen Volumen von 1.000.000 Euro selbst fachkundigen Rat zu verschaffen.

Fazit

Will der Stifter auch später noch entscheidenden Einfluss auf die Arbeit einer von ihm zu errichtenden unselbständigen Stiftung nehmen, so stehen ihm hierfür verschieden Instrumente zur Verfügung. Er könnte u.a.

  • sich selbst als den maßgeblichen Entscheidungsträger in einem Stiftungsorgan einsetzen, sei es auch nur über ein Veto- oder Stichentscheidsrecht (dann aber hätte die Universität die Zuwendung wohl nicht angenommen);
  • den Stiftungszweck vorab hinreichend detailliert und unzweideutig beschreiben, verbunden mit einem umzusetzenden Maßnahmenkatalog zur Zweckerreichung;
  • vor dem Abschluss des Stiftungsgeschäfts ein detailliertes Stiftungskonzept als verbindliche Richtschnur für die Stiftungsorgane festlegen;
  • klarstellen, welche praktischen Maßnahmen Geschäftsgrundlage des Stiftungsgeschäfts und damit Bedingung der Zuwendung sind;
  • auf eine rechtsfähige, selbständige Stiftung ausweichen.

In jedem Fall aber sollte jeder Stifter vor der Errichtung einer rechtsfähigen Stiftung oder auch einer nichtrechtsfähigen Treuhandstiftung fachkundigen Rechtsrat einholen. Denn wenn das Geld erst zugewendet ist, und die Stiftung sich dann entgegen den Stiftervorstellungen entwickelt, bestehen kaum noch Möglichkeiten, nachträglich korrigierend einzugreifen oder die zugewendeten Mittel wieder zurückzuholen.

Autor

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Andreas Jahn
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