15.11.2015 -

Bei einer Gesamtzusage wird allen Arbeitnehmern des Betriebes eine bestimmte Leistung zugesagt. Die Gesamtzusage ist arbeitsrechtlich in keinem Gesetz geregelt, sondern wurde in der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte entwickelt. Dementsprechend kann es hier immer wieder zu Auslegungsproblemen kommen. Dies betrifft vor allem Fragen zum Geltungsbereich der Gesamtzusage. Werden nur Mitarbeiter, die im Zeitpunkt der Erteilung der Zusage beschäftigt werden, erfasst oder aber auch nachträglich in den Betrieb eintretende Mitarbeiter? Das Bundesarbeitsgericht hat seine Rechtsprechung hierzu in einer aktuellen Entscheidung weiter präzisiert und fortentwickelt und sich auch mit Fragen der AGB-Kontrolle in diesem Zusammenhang befasst (BAG, Urteil v. 20.08.2014 – 10 AZR 453/13).

Der Fall:

Die Parteien streiten über einen Zuschuss zum Krankengeld für die Monate Januar bis April 2012. Die klagende Arbeitnehmerin ist Softwareentwicklerin. Das schon seit 1990 bestehende Arbeitsverhältnis ging mit Wirkung zum 1. November 2009 auf den nunmehr beklagten Arbeitgeber über.

Im Rahmen des Informationsschreibens anlässlich des Betriebsübergangs wurde der Arbeitnehmerin u.a. Folgendes mitgeteilt:

HP Standardarbeitsvertrag

Ob HP Ihnen, unabhängig von der gesetzlichen Rechtsfolge des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB, ein Arbeitsvertragsangebot zu den HP Standardkonditionen zukommen lassen wird, ist heute noch nicht absehbar. Im Hinblick auf den Inhalt eines etwaigen Arbeitsvertragsangebotes sowie die bei HP bestehenden Arbeitsbedingungen und Sozialleistungen werden Sie zu gegebener Zeit zu einer Informationsveranstaltung eingeladen.

Bei dem Betriebserwerber, HP, besteht eine sogenannte Krankheitspolicy. Zum Zeitpunkt des Eintritts der Klägerin war diese u.a. mit folgendem Wortlaut im Intranet für die Beschäftigten veröffentlicht:

Scope

Mitarbeiter auf der deutschen Payroll mit HP Standard Terms & Conditions

Nach dieser Krankheitspolicy erhielten alle Mitarbeiter einen Firmenzuschuss zum Krankengeld. Dieser Krankenzuschuss wurde bei länger andauernder Krankheit im Anschluss an die gesetzliche Gehaltsfortzahlung gezahlt und solange gewährt, wie der Mitarbeiter Krankengeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung bezieht.

Die Mitarbeiterin erkrankte daraufhin für die Zeit vom 26. September 2011 bis Ende April 2012. Die Lohnfortzahlung endete für sie zum 31. Dezember 2011. Ab 1. Januar 2012 bezog sie Krankengeld. Der Arbeitgeber leistete keinen Zuschuss zum Krankengeld.

Mit ihrer Klage hat sie die Auffassung vertreten, ihr stehe ein Krankengeldzuschuss in Höhe der Differenz zwischen dem ihr gewährten Krankengeld und der Nettomonatsvergütung zu. Monatlich ergebe dies einen Betrag von 569,20 €, mithin für vier Monate 2.276,80 € netto nebst Zinsen. Die gewährte Gesamtzusage gelte auch ihr gegenüber, unabhängig davon, dass sie erst aufgrund des Betriebsübergangs zur Beklagten gelangt sei. Die unter der Überschrift „Scope“ enthaltene Einschränkung würde im Übrigen einer AGB-Kontrolle nicht Stand halten.

Das Arbeitsgericht hat der Zahlungsklage stattgegeben. Auf die Berufung des Arbeitgebers hat das Landesarbeitsgericht die Klage hingegen abgewiesen.

Die Entscheidung:

Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts bestätigt. Der Klägerin steht kein Anspruch auf einen Zuschuss zum Krankengeld zu.

I. Begriff Gesamtzusage

Eine Gesamtzusage ist die an alle Arbeitnehmer des Betriebs oder einen nach abstrakten Merkmalen bestimmten Teil von ihnen in allgemeiner Form gerichtete ausdrückliche Erklärung des Arbeitgebers, bestimmte Leistungen erbringen zu wollen. Eine ausdrückliche Annahme des in der Erklärung enthaltenen Antrages wird dabei nicht erwartet. Das in der Zusage liegende Angebot wird stillschweigend angenommen (vgl. § 151 BGB) und damit unmittelbar Inhalt des Arbeitsvertrages.

Gesamtzusagen werden bereits dann wirksam, wenn sie gegenüber den Arbeitnehmern in einer Form verlautbart werden, die den einzelnen Arbeitnehmer typischerweise in die Lage versetzt, von der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Auf dessen konkrete Kenntnis kommt es nicht an. Die Arbeitnehmer erwerben einen einzelvertraglichen Anspruch auf die zugesagten Leistungen, wenn sie die betreffenden Anspruchsvoraussetzungen erfüllen.

Hinweis für die Praxis:

Von einer einmal erteilten Gesamtzusage kann sich der Arbeitgeber individualrechtlich nur noch durch Änderungsvertrag (also einvernehmlich) oder wirksame Änderungskündigung lösen.

II. Geltungsbereich einer Gesamtzusage

Eine Gesamtzusage ist typischerweise nicht nur auf die im Zeitpunkt ihrer erstmaligen Erklärung beschäftigten Arbeitnehmer beschränkt. Sie wird regelmäßig auch gegenüber nachträglich in den Betrieb eintretenden Mitarbeitern abgegeben und diesen bekannt. Auch sie können deshalb das in ihr liegende Vertragsangebot annehmen. Gerade in Fällen, in denen es nicht um eine einmalige Leistung an bestimmte Arbeitnehmer geht, sondern um eine Regelung im Sinne einer auf Dauer angelegten Handhabung, spricht dies für die Fortgeltung der Gesamtzusage bis zu einer gegenteiligen Erklärung.

Hinweis für die Praxis:

Die Zusage hat für alle Arbeitnehmer den gleichen Inhalt und die gleiche Bedeutung. Der Arbeitgeber hat es aber in der Hand, den Inhalt für die Zukunft zu verändern oder die Gesamtzusage für die Zukunft aufzuheben.

III. Beschränkung des Geltungsbereichs

Den Inhalt der Gesamtzusage bestimmt allein der Arbeitgeber. Er kann daher den Geltungsbereich auch beschränken. Im vorliegenden Fall war die Gesamtzusage in ihrem Geltungsbereich auf Mitarbeiter mit einem HP Standardarbeitsvertrag beschränkt worden. Das Bundesarbeitsgericht hat klargestellt, dass diese Beschränkung zulässig war und damit Vertragsbestandteil geworden ist. Der beklagte Arbeitgeber hat mit dieser Beschränkung dargestellt und deutlich gemacht, auf welche Mitarbeiter sich die Krankheitspolicy beziehen soll.

Die textliche Beschränkung war dabei weder überraschend noch intransparent, §§ 305c Abs. 1, 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Auch die Verwendung englischer Begriffe („Scope) oder einer deutsch-englischen Kunstsprache („Krankheitspolicy“) stellt keine Verletzung des Transparenzgebotes dar. In einem internationalen IT-Unternehmen sind diese Begriffe ohne Weiteres für die beteiligten Arbeitnehmer verständlich. Die Klägerin erfüllte damit wegen des Betriebsübergangs nicht die Voraussetzungen für einen Zuschuss zum Krankheitsgeld.

Fazit:

Die Entscheidung macht deutlich, dass die Verwendung von Gesamtzusagen arbeitsrechtlich mit Risiken verbunden ist. Eine einmal erteilte Gesamtzusage wirkt für alle Beschäftigten und künftig neu eintretenden Arbeitnehmer. Soll der Geltungsbereich einer Gesamtzusage beschränkt werden, muss dies deutlich formuliert und auch nach außen kommuniziert werden. Der Arbeitgeber ist hier umfassend beweisbelastet. Das Mittel der Gesamtzusage ist daher mit Vorsicht zu verwenden. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass Arbeitgeber sich von einer Gesamtzusage nur einvernehmlich lösen können. Die strengen Voraussetzungen einer Änderungskündigung werden im Regelfall nicht erfüllt sein.

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