Eine gegen die guten Sitten verstoßende Wiederverheiratungsklausel in einem Erbvertrag, die eine aufschiebend bedingte Vermächtnisanordnung zugunsten der Abkömmlinge des Erstversterbenden in Höhe des Nachlasswertes vorsieht, kann trotz ihrer grundsätzlichen Nichtigkeit geltungserhaltend so ausgelegt werden, dass dem überlebenden Ehegatten ein Nachlasswert in Höhe seines eigenen Pflichtteils verbleibt.

Der Fall:

Der Beklagte hatte im Jahr 1968 mit seiner ersten Ehefrau einen Ehe- und Erbvertrag abgeschlossen. Dieser sah neben einer gegenseitigen Erbeinsetzung für den Fall einer Wiederverheiratung des überlebenden Ehegatten eine Vermächtnisanordnung zugunsten der Abkömmlinge des Erstverstorbenen vor. Die Höhe des Vermächtnisanspruchs gegen den überlebenden Ehegatten sollte dem Wert des Nachlasses des Erstversterbenden entsprechen. Im Jahre 1982 verstarb die Ehefrau und hinterließ neben ihrem Ehegatten zwei Söhne, die späteren Kläger. Im Zeitpunkt ihres Todes waren die Ehegatten in Gütergemeinschaft Eigentümer eines Hausgrundstücks. Des Weiteren hatte die Ehefrau wenige Monate zuvor eine Zuwendung ihrer Mutter in Höhe von 28.000 DM erhalten.  

Im Juni 1998 heiratete der Beklagte erneut. Nachdem die Söhne der Erstverstorbenen von dem Ehe- und Erbvertrag erfuhren, machten sie Ansprüche aus diesem Vertrag gegen den Beklagten vor dem LG Saarbrücken geltend.

Das LG Saarbrücken erachtete die Wiederverheiratungsklausel des Ehe- und Erbvertrages jedoch für sittenwidrig und die darin angeordneten Vermächtnisse insgesamt für nichtig. Als Abkömmlinge erster Ordnung hätten die Kläger lediglich einen Anspruch auf Herausgabe des Pflichtteils gegen den Beklagten als Alleinerben.

Die Kläger legten Berufung ein, der Beklagte Anschlussberufung gegen die von ihm als zu hoch erachtete Berechnung der Pflichtteilsansprüche.

Die Entscheidung des OLG Saarbrücken:

Das OLG Saarbrücken hat – entgegen der vorinstanzlichen Entscheidung – in seinem Urteil vom 15.10.2014 Ansprüche aus der Wiederverheiratungsklausel bejaht und die Berufungen der Kläger für begründet erachtet. Die Anschlussberufung des Beklagten hingegen sei unbegründet.

Zwar sei dem LG Saarbrücken insofern zu folgen, als die Wiederverheiratungsklausel gem. § 138 I BGB unwirksam sein. Dies habe jedoch nicht die Nichtigkeit der Klausel zur Folge, vielmehr sei sie im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung „geltungserhaltend“ so zu reduzieren, dass ihr Inhalt mit dem „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ zu vereinbaren ist.

Die Sittenwidrigkeit der Klausel ergebe sich daraus, dass durch diese Regelung die Grenze der grundrechtlich zugesicherten Eheschließungsfreiheit des Art.6 GG in einem nicht gerechtfertigten Maß überschritten werde. Der Testierfreiheit des Art. 14 GG sei dort eine Grenze zu setzen, wo ihre Ausübung geeignet sei, einen manipulativen Einfluss auf die Lebensführung des Überlebenden über den Tod hinaus zu erhalten. Dies sei hier durch den beträchtlichen wirtschaftlichen Druck, der auf den Überlebenden ausgeübt würde, der Fall.  Durch die Klausel könne der Beklagte sich nur entscheiden entweder nicht mehr zu heiraten, oder aber einen Wert zu verlieren, der im Wesentlichen seinem gesamtes Hab und Gut entspricht. Wertmäßig beließe die Klausel ihm nämlich im Falle einer Wiederverheiratung nicht einmal einen Wert in Höhe des Pflichtteils, auf welchen er durch die Annahme des Erbes gem. § 1943 BGB auch nicht mehr zurückgreifen könne.

Die Beeinträchtigung könne auch nicht mit der Verwirklichung eines dauerhaften Erhalts des Vermögens zugunsten der Abkömmlinge gerechtfertigt werden. Eine Auslegung des Erbvertrages ergebe nämlich, dass dies gerade nicht das vordringliche Motiv der Regelung war, da es an einer zu diesem Zwecke üblichen Schlusserbeneinsetzung fehle. Vielmehr sollte der Überlebende die volle Testierfreiheit behalten, im Falle einer Wiederverheiratung jedoch mit Auszahlungsansprüchen „sanktioniert“ werden.

„Geltungserhaltend“ reduziert begründete der Erbvertrag somit durchaus Vermächtnisansprüche der Kläger, die sich jedoch an einem um den (hypothetischen) Pflichtteil des Überlebenden verminderten Nachlasswert orientierten. Dies entspreche dem Willen des Erblassers für den Fall der Wiederverheiratung ein Vermächtnis anzuordnen – allerdings in den von § 138 I BGB gesetzten Grenzen.

Fazit:

Wiederverheiratungsklauseln in Testamenten sind mit Vorsicht zu gestalten. Zwar sind sie auch nach Meinung des OLG Saarbrücken dann nicht sittenwidrig, wenn durch sie der Erhalt des Vermögens zugunsten der eigenen Abkömmlinge sichergestellt werden soll. Dann muss allerdings auch erkennbar sein, dass dies das vordringliche Motiv der Regelung war. Im vorliegenden Fall fehlte allerdings eine entsprechende Regelung.

Wiederverheiratungsklauseln können jedenfalls dann gegen die guten Sitten verstoßen, wenn sie den Überlebenden zur Herausgabe des Nachlasses in einem Umfang zwingen, in dem ihm weniger als sein Pflichtteil verbleibt.

Jedenfalls sollten derartige Klauseln nicht verwendet werden, ohne zuvor fachkundigen Rat einzuholen.

Dieser Artikel entstand unter Mitwirkung von Frau Judy Valbert, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bonner Büro unserer Sozietät.

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