12.01.2015 -

Das Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) verpflichtet den Arbeitgeber nach § 11 in Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten einen Arbeitsschutzausschuss zu bilden. Das Bundesarbeitsgericht hatte sich nun mit der Frage zu befassen, ob der Betriebsrat einen Anspruch auf Errichtung eines solchen Arbeitsschutzausschusses erzwingen kann (15.04.2014 – 1 ABR 82/12). Das BAG hat einen Anspruch sowohl nach dem ASiG als auch nach dem BetrVG abgelehnt.

Der Fall:

Die Arbeitgeberin ist ein Einzelhandelsunternehmen mit Filialen im gesamten Bundesgebiet. In der Filiale 3106 sind 65 Arbeitnehmer beschäftigt. Wegen der räumlichen Entfernung zum Hauptbetrieb gilt dieser Betrieb als selbständiger Betrieb im Sinne des BetrVG. Der antragstellende Betriebsrat ist dort gebildet.

Die Arbeitgeberin hat zusätzlich in ihrem Hauptbetrieb unter Beteiligung des Gesamtbetriebsrats einen Arbeitsschutzausschuss eingerichtet.

Der Betriebsrat hat geltend gemacht, die Arbeitgeberin habe auch in der Filiale 3106 einen Arbeitsschutzausschuss zusätzlich zu bilden.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben den Antrag des Betriebsrats zurückgewiesen.

Die Entscheidung:

Das Bundesarbeitsgericht hat im Rechtsbeschwerdeverfahren die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt.

I. Anspruch nach § 11 ASiG?

Die Vorschrift des § 11 ASiG verpflichtet den Arbeitgeber zur Bildung eines Arbeitsschutzausschusses. Diese Bestimmung begründet jedoch keinen Anspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber auf Einrichtung eines solchen Ausschusses.

Nach der Vorschrift hat der Arbeitgeber in Betrieb mit mehr als 20 Beschäftigten einen Arbeitsschutzausschuss zu bilden. In diesen hat der Betriebsrat zwei Mitglieder zu entsenden. Der Arbeitsschutzausschuss hat die Aufgabe, Anliegen des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung zu beraten. Er tritt mindestens einmal vierteljährlich zusammen.

Normadressat des § 11 ASiG ist allein der Arbeitgeber. Kommt dieser seiner Verpflichtung aus § 11 ASiG nicht nach, hat nach der Gesetzessystematik des Arbeitssicherheitsgesetzes die Arbeitsschutzbehörde nach § 12 ASiG die erforderlichen Maßnahmen anzuordnen. Ein unmittelbar gegen den Arbeitgeber gerichteter Anspruch des Betriebsrates auf Errichtung eines Arbeitsschutzausschusses enthält das Arbeitssicherheitsgesetz dagegen nicht. Ein solches Recht folgt insbesondere nicht aus dem Entsendungsrecht des Betriebsrates. Zwar gehören dem Arbeitsschutzausschuss zwei vom Betriebsrat benannte Betriebsratsmitglieder an. Die Vorschrift begründet aber nur einen Anspruch des Betriebsrates auf Entsendung zweier Betriebsratsmitglieder in einen bereits bestehenden Ausschuss, nicht hingegen auf die Errichtung eines solchen Ausschusses. Nach der Gesetzessystematik obliegt die Durchsetzung dieser gesetzlichen Verpflichtungen vielmehr der zuständigen Arbeitsschutzbehörde. Diese hat nach § 12 Abs. 1 ASiG eine entsprechende Maßnahme anzuordnen und diese nach § 20 ASiG im Weigerungsfalle durch Verhängung einer Geldbuße durchzusetzen.

Hinweis für die Praxis:

Der Betriebsrat kann allerdings nach § 89 Abs. 1 S. 2 BetrVG die zuständige Arbeitsschutzbehörde ersuchen, gegenüber dem Arbeitgeber die Verpflichtungen aus § 11 ASiG im Wege einer Anordnung nach § 12 Abs. 1 ASiG durchzusetzen.

II. Anspruch des BR nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG?

Ein Anspruch des Betriebsrats auf Bildung eines Arbeitsschutzausschusses folgt auch nicht aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Danach hat der Betriebsrat zu Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen mitzubestimmen. Dem steht aber der Eingangshalbsatz des § 87 Abs. 1 BetrVG entgegen. Ein Mitbestimmungsrecht besteht nur dann, soweit eine gesetzliche Regelung nicht besteht. § 11 ASiG ist aber eine solche gesetzliche Regelung. Die Vorschrift regelt die gesetzliche Pflicht des Arbeitgebers zur Errichtung eines Arbeitsschutzausschusses abschließend. Hierdurch sind die Interessen der Arbeitnehmer hinreichend geschützt und bedürfen keines weiteren Schutzes durch die Mitbestimmungsrechte. Auch fehlt es dann, wenn der Arbeitgeber aufgrund einer zwingenden gesetzlichen Regelung keine Gestaltungsmöglichkeiten hat, an einem Handlungsspielraum, der unter Mitwirkung des Betriebsrats auszufüllen wäre. Der Betriebsrat kann deshalb die Bildung eines solchen Ausschusses nicht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG erzwingen.

Fazit:

Der Arbeitsschutzausschuss ist eine gesetzliche Verpflichtung nach dem Arbeitssicherheitsgesetz. Die Kompetenz des Betriebsrates endet bei solchen gesetzlichen Vorgaben. Ein unmittelbares Initiativrecht des Betriebsrates besteht in solchen Fällen nicht. Der Entscheidung des BAG ist uneingeschränkt zuzustimmen.

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