10.12.2014

Mit Urteil vom 21. November 2014 – 4 K 1829/14 E – hat nun auch das Finanzgericht Münster entschieden, Gerichts- und Anwaltskosten des Ehescheidungsverfahrens könnten auch nach der ab 2013 geltenden Neuregelung des § 33 Abs. 2 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht werden. Zuvor war das bereits vom Finanzgericht Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 16. Oktober 2014  – 4 K 1976/14 – festgestellt worden (siehe unsere Mitteilung vom 02. November 2014).

Die Eheleute waren im Jahr 2013 geschieden worden. Sie hatten im Zusammenhang mit dem Scheidungsverfahren eine notariell beurkundete Ehescheidungsfolgenvereinbarung getroffen. In dieser hatte die Ehefrau den hälftigen Miteigentumsanteil des Ehemanns am gemeinsamen Grundstück erworben. Ferner hatte man einen wechselseitigen Verzicht auf alle denkbaren Ansprüche vereinbart. Die Ehefrau hatte an den Ehemann einen gewissen Betrag zu zahlen. In ihrer Einkommensteuererklärung machte die – zwischenzeitlich geschiedene – Ehefrau die Kosten des gerichtlichen Ehescheidungsverfahrens und der Scheidungsfolgenvereinbarung als außergewöhnliche Belastungen geltend, ebenso die an den früheren Ehemann geleistete Zahlung. Das Finanzamt berücksichtigte diesen Aufwand insgesamt nicht im Hinblick auf die ab 2013 geltende Regelung in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG, da hiernach – so das Finanzamt zur Begründung – Prozesskosten und damit auch Kosten eines Scheidungsverfahrens nur noch ausnahmeweise berücksichtigt werden könnten.

Das Finanzgericht Münster sah das jedenfalls teilweise anders. Die Gerichts- und Anwaltskosten des Ehescheidungsverfahrens seien außergewöhnliche Belastungen. Die Kosten seien zwangsläufig entstanden; denn eine Ehe könne nur durch gerichtliche Entscheidung geschieden werden. Dem stehe die jetzige Fassung des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG nicht entgegen. Ohne die nur durch Einsatz der Verfahrenskosten ermöglichte Ehescheidung habe für die frühere Ehefrau die Gefahr bestanden, dass sie ihre Existenzgrundlage verliere und ihre lebensnotwendigen Bedürfnisse nicht mehr im üblichen Rahmen befriedigen könne.

Dabei sei der Begriff der Existenzgrundlage nicht rein materiell zu verstehen. Er umfasse vielmehr auch den Bereich des bürgerlichen Lebens und der gesellschaftlichen Stellung. Deshalb müsse es die Möglichkeit geben, sich aus einer zerrütteten Ehe zu lösen. Für ein solches weites Verständnis des Begriffs „Existenzgrundlage“ spreche auch, dass der Gesetzgeber nicht die Abziehbarkeit von Kosten generell habe abschaffen wollen. Es sei vielmehr nur darum gegangen, die umfassende Abziehbarkeit von Prozesskosten wieder einzuschränken, die  durch die seit 2011 geltende Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs herbeigeführt worden war. Zwangsläufig entstandene Scheidungskosten seien aber schon vor dieser geänderten Rechtsprechung stets als außergewöhnliche Belastungen anerkannt worden. Das habe der Gesetzgeber nicht einschränken wollen.

Allerdings könnten nur die mit dem gerichtlichen Scheidungsverfahren verbundenen Kosten steuerlich angesetzt werden. Demgegenüber stellten die Kosten für die notariell beurkundete Scheidungsfolgenvereinbarung keine außergewöhnliche Belastung dar. Denn diese Aufwendungen seien nicht zwangsläufig entstanden und hätten deshalb auch nach der früheren Rechtsprechung nicht berücksichtigt werden können. Die von der Ehefrau an ihren damaligen Ehemann geleistete Ausgleichszahlung könne man erst recht nicht als außergewöhnliche Belastung betrachten; sie sei nur eine ganz normale Gegenleistung dafür, dass der damalige Ehemann seinen Miteigentumsanteil an dem Grundstück übertragen und auf alle Ansprüche verzichtet habe.

Das Finanzgericht Münster hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen. Da die Finanzverwaltung die Revision mit größter Wahrscheinlichkeit einlegen wird, wird die Entscheidung des Finanzgerichts Münster zunächst noch nicht rechtskräftig werden. Endgültig entscheiden wird der Bundesfinanzhof. Alle Betroffenen sollten gegen Steuerbescheide, in denen die Gerichts- und Anwaltskosten des Scheidungsverfahrens nicht berücksichtigt worden sind, Einspruch beim Finanzamt einlegen und auf die Entscheidungen der Finanzgerichte Rheinland-Pfalz und Münster verweisen. Denn wenn kein Einspruch eingelegt wird, werden die Bescheide bestandskräftig und können deshalb in der Regel nicht mehr geändert werden, auch wenn die Entscheidungen der Finanzgerichte vom Bundesfinanzhof bestätigt werden.

Autor

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Of Counsel
Rainer Bosch
  • Rechtsanwalt
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