Das OLG München hat sich in einem kürzlich veröffentlichten Beschluss mit der für die Praxis bedeutsamen Frage beschäftigt, ob eine Vorsorgevollmacht mit dem Tode des Vollmachtgebers erlischt, wenn in der Urkunde nicht ausdrücklich geregelt ist, ob die Vollmacht auch über den Tod hinaus gelten soll.

Der Fall:

Die Beteiligte des Verfahrens ist Wohnungseigentümerin. An der Wohnung bestand zugunsten der Verstorbenen ein Nießbrauchsrecht und eine Rückauflassungsvormerkung. Die Verstorbene hatte der Beteiligten in einem gebräuchlichen, vorgefertigten Formular eine Vorsorgevollmacht für einzelne Bereiche der Gesundheits-, Aufenthalts- und Vermögenssorge erteilt. Zur Fortdauer der Vollmacht nach dem Tod der Vollmachtgeberin war der Urkunde keine individuelle Ergänzung zu entnehmen. Nach dem Tod der Vollmachtgeberin stellte die Beteiligte als Eigentümerin beim Grundbuchamt den Antrag gem. § 13 Grundbuchordnung (GBO), die zugunsten der Verstorbenen eingetragenen Rechte zu löschen. Zugleich bewilligte sie unter Berufung auf ihre Vollmacht im Namen der Erbengemeinschaft eine Löschung der eingetragenen Rechte. Diesen Antrag wies das Grundbuchamt mit der Begründung zurück, dass eine Löschungsbewilligung nur durch die Erben erfolgen könne. Die Vollmacht habe die Beteiligte nur zu Lebzeiten der Verstorbenen ermächtigt, in den ausdrücklich erwähnten Bereichen tätig zu werden. Mit dem Tod der Vollmachtgeberin sei die Vollmacht jedoch erloschen. Gegen die Zurückweisung legte die Beteiligte Grundbuchbeschwerde gem. § 71 GBO ein. Die Vollmacht wirke fort, da dem Verhältnis ein Geschäftsbesorgungsvertrag zugrunde läge, der gem. § 672 Abs. 1 S. 1 BGB „im Zweifel“ nicht durch den Tod des Auftraggebers endet. Das Grundbuchamt folgte dieser Auffassung nicht. Wenn die Vorsorgevollmacht über den Tod hinaus wirksam sein soll, dann müsse das aus der Urkunde hervor gehen, ansonsten erlösche die Vollmacht mit dem Tod des Vollmachtgebers.

Das OLG München hat die Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des Amtsgerichts München – Grundbuchamt – als unbegründet zurückgewiesen.

Die Entscheidung:

Das OLG München hat mit der Zurückweisung die Entscheidung des Amtsgerichts bestätigt. Aus dem Zweck der erteilten  Vollmacht ergibt sich, dass diese nur zu Lebzeiten der Vollmachtgeberin wirksam sein sollte. Die Auslegungsregel des § 672 BGB, wonach die Vollmacht „im Zweifel“ fortwirkt, findet also gar keine Anwendung. Eine Löschungsbewilligung kann damit auch nur von den Erben erteilt werden.

Wenn aus der Vollmachturkunde nichts zur Fortdauer bei Tod des Vollmachtgebers hervorgeht, richtet sich das Erlöschen der Vollmacht gem. § 168 BGB nach dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis. Dabei kann die Vertragsauslegung im Einzelfall ergeben, dass die Vollmacht nur für den lebenden Vollmachtgeber bedeutsam sein sollte.

Das OLG München bestärkt  die  dazu von Rechtsprechung und Literatur entwickelten Abgrenzungskriterien: Betrifft der Auftrag lediglich die Vermögenssorge, so ist davon auszugehen, dass die entsprechenden Angelegenheiten des Vollmachtgebers durch den Bevollmächtigten auch noch über den Tod hinaus wahrgenommen werden sollen. Ist der Auftrag jedoch stärker auf die Person des Vollmachtgebers bezogen und umfasst hauptsächlich die Sorge für dessen persönliche, individuelle Bedürfnisse, so endet der Auftrag mit dem Ende der Sorgetragung, also mit dem Tod des Auftraggebers. Bei Altersvorsorgevollmachten, die für den Fall altersbedingter physischen oder psychischen Behinderungen erteilt werden, steht typischerweise die Personensorge im Fokus, so dass von einem Erlöschen der Vollmacht mit Todeseintritt ausgegangen werden kann. Nur wenn kein Schwerpunkt ersichtlich ist – wie zum Beispiel bei einer Generalvollmacht –  kann gem. § 672 BGB „im Zweifel“ von einem Fortbestand der Vollmacht ausgegangen werden.

Die hier erteilte Vorsorgevollmacht war als Altersvorsorgevollmacht ausgestaltet. Im Formular wurden vordergründig Bereiche der Personensorge gewählt, in denen die Vollmachtgeberin altersbedingt ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst erledigen konnte. Zur  Vermögenssorge gab es keine Erklärungen, die über den allgemeinen Rahmen des Vordrucks hinaus gingen, insbesondere nicht hinsichtlich eines Fortbestandes nach dem Tod der Vollmachtgeberin. Der Schwerpunkt der Vollmacht lag somit auf der Personenbetreuung. Anhaltspunkte, dass die Vermögensbetreuung über den in der Urkunde festgelegten Rahmen hinaus gehen sollte, waren nicht ersichtlich. Mit dem Tod der Vollmachtgeberin endete daher die Sorgetragungspflicht der Beteiligten – und damit auch ihre Vollmacht.

Fazit:

Die Entscheidung des OLG München ist juristisch nicht überraschend. Sie kann aber zu bösen Überraschungen führen, wenn bei Erteilung der Vollmacht gewollt war, dass die Befugnis zru Vermögenssorge auch über den Tod hinaus gelten sollte – beispielsweise bis zur Erteilung eines Erbscheins.

Bei Erteilung einer Vorsorgevollmacht sollte daher darauf geachtet werden, hierzu eine klare und eindeutige Regelung zu treffen, ob die Vollmacht mit dem Tod erlöschen soll oder nicht. Bestehende Vollmachten sollten ggf. entsprechend ergänzt werden.

Dieser Artikel entstand unter Mitwirkung von Frau Judy Valbert, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bonner Büro unserer Sozietät.

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