21.10.2014

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 29. April 2014 – II ZR 216/13 – eine seit langem strittige Frage zum Abfindungsanspruch bei Ausschluss eines Gesellschafters aus einer GmbH geklärt. Der gesellschaftsvertraglich vereinbarte Ausschluss eines Abfindungsanspruches ist auch dann sittenwidrig und nichtig, wenn der Ausschluss aufgrund einer (groben) Pflichtverletzung des Gesellschafters erfolgt.

In dem Gesellschaftsvertrag der beklagten GmbH war geregelt, dass der Geschäftsanteil eines Gesellschafters auch gegen dessen Willen eingezogen werden kann, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Weiterhin war geregelt, dass bei einer „groben Pflichtverletzung“ die Einziehung ohne Entgelt erfolgen soll. Sollte in einem solchen Falle (Einziehung wegen grober Pflichtverletzung) ein Entgelt zwingend vorgeschrieben sein, sei dieses Entgelt so niedrig wie möglich zu bemessen.

Die Klägerin war Gesellschafterin der GmbH. Sie wurde durch Beschluss der Gesellschafterversammlung aus der Gesellschaft ausgeschlossen und ihr Geschäftsanteil eingezogen. Durch weiteren Gesellschafterbeschluss wurde festgestellt, dass ein Abfindungsentgelt nicht geschuldet sei, hilfsweise lediglich in der Höhe, in der ein Abfindungsentgelt durch Gerichtsurteil bestimmt werde.

Die Klägerin hatte mit ihrer Klage beim Landgericht Erfolg. Auf die Berufung der Beklagten wurde die erstinstanzliche Entscheidung zwar aufgehoben, in dem hier relevanten Punkt – kein Abfindungsentgelt – aber bestätigt. Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg.

Die Rechtslage war bis zu der Entscheidung des II. Senats im Schrifttum umstritten. Eine beachtliche Mindermeinung sah eine entschädigungslose Einziehung im Falle einer groben Pflichtverletzung als wirksam an. Die entschädigungslose Einziehung sei als Vertragsstrafenregelung auszulegen. Den Gesellschaftern stehe es frei, eine Regelung zu treffen, wonach ein Gesellschafter bei einer (groben) Pflichtverletzung keinen Abfindungsanspruch erhalte. Die überwiegende Meinung im Schrifttum sah dagegen einen Abfindungsausschluss bei (grober) Pflichtverletzung als sittenwidrig an.

Der BGH schloss sich in der Entscheidung der überwiegenden Auffassung im Schrifttum an. Die entschädigungslose Einziehung eines Geschäftsanteils könne nicht als Vertragsstrafe ausgelegt werden. Sinn der Vertragsstrafe sei ein „Druckmittel“ zur ordnungsgemäßen Leistung oder stelle eine Pauschalierung eines Schadensersatzes dar. Beides „passe“ bei einer entschädigungslosen Einziehung nicht. Für einen pauschalierten Schadensersatz sei die Regelung zu undifferenziert, zumal sie keinen Bezug zu einem tatsächlich eingetretenen Schaden der Gesellschaft habe. Als „Anhaltung zur ordnungsgemäßen Leistung“ sei eine entschädigungslose Einziehung ebenfalls nicht geeignet. Bei einer Pflichtverletzung drohe dem Gesellschafter schon der Ausschluss und damit der Verlust zukünftiger Gewinnansprüche. Wenn der Gesellschafter zusätzlich als Geschäftsführer tätig war, führe der Ausschluss sowie die Einziehung im Regelfall auch zu einer Abberufung als Geschäftsführer sowie zur Aufhebung des Dienstvertrages, so dass dem Gesellschafter-Geschäftsführer auch diese Einnahmequelle verlustig gehe. Es sei nicht zu erkennen, dass die entschädigungslose Einziehung einen Gesellschafter „besser“ oder „mehr“ anhalte, seine Leistung „ordnungsgemäß“ zu erbringen. Für den Fall, dass ein Gesellschafter die Gesellschaft tatsächlich geschädigt habe, könne die Gesellschaft den Schadensersatzanspruch beziffern und dem Abfindungsanspruch des Gesellschafters entgegenhalten.

Fazit:

Die entschädigungslose Einziehung von Geschäftsanteilen bei Ausschluss des Gesellschafters aus wichtigem Grund ist sittenwidrig. Gesellschaftsverträge einer GmbH, die eine solche Regelung noch enthalten, sollten angepasst werden. Gleiches gilt für Personengesellschaften. Die Entscheidung des BGH betraf eine GmbH. Die Grundsätze gelten aber für eine Personengesellschaft entsprechend. Für die entschädigungslose Einziehung von Geschäftsanteilen verbleiben nach der Entscheidung des BGH vom 29. April 2014 als wesentliche Fallgruppen die gemeinnützige Gesellschaft, die entschädigungslose Einziehung bei Tod eines Gesellschafters (was allerdings nicht zu empfehlen ist) sowie Mitarbeiter- und Managerbeteiligungsmodelle. Ebenfalls weiterhin zulässig ist die entschädigungslose Einziehung eigener Geschäftsanteile der Gesellschaft. Hierüber wird es allerdings auch selten Streit unter den verbleibenden Gesellschaftern geben.

Die Praxis kann sich auf die Entscheidung des BGH einstellen. Die Auffassung der (nunmehrigen) Mindermeinung, dass die entschädigungslose Einziehung als Vertragsstrafe ausgelegt werden könnte, hatte immer den praktischen Nachteil, dass Vertragsstrafen nach BGB anzupassen sind, wenn die Regelung nicht mehr der Billigkeit entspricht. Streitigkeiten konnten dadurch nicht vermieden werden. Im Gegenteil: Die Streitigkeiten mussten umgehend gerichtlich geklärt werden, da in vielen Fällen nach Gesellschaftsvertrag nur eine gerichtliche Ermessensentscheidung möglich war. Ebenso wenig konnten aufwendige Bewertungsverfahren vermieden werden. Die gerichtliche Billigkeitsentscheidung richtete sich nach dem Wert des Geschäftsanteils, insbesondere ob der Verlust dieses Vermögenswertes noch in einem angemessenen Verhältnis zu der Pflichtwidrigkeit des Gesellschafters steht.

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