17.06.2014 -

Nachdem der Europäische Gerichtshof mit der Schultze-Hoff-Entscheidung (vgl. EugH, Urteil v. 20.01.2009 – C-350/06) auf europäischer Ebene den Meilenstein für den Arbeitnehmerschutz im Urlaubsrecht legte, hat sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) wiederholt dieser Tendenz angeschlossen. Mit seiner Entscheidung (vgl. BAG, Urteil v. 06.05.2014 – 9 AZR 678/12) stellte das BAG klar, dass ein Arbeitnehmer seinen Urlaubsanspruch nach § 1 BUrlG auch dann ungekürzt beanspruchen kann, wenn ihm aufgrund einer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber für mehrere Monate unbezahlter Sonderurlaub gewährt wird. Da die Klägerin in diesem Fall ihren Urlaub nicht in Natura nehmen konnte, sprach es ihr ein Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG nebst Zinsen zu.

Der Fall

Die Klägerin war bei der Beklagten seit mehreren Jahren als Krankenschwester beschäftigt. Im Jahr 2010 beantragte sie bei der Beklagten unbezahlten Sonderurlaub auf Grundlage von § 28 des Tarifvertrags für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Charité-Universitätsmedizin X1 (nachfolgend „TV Charité“ genannt). Dort heißt es:

„Beschäftigte können bei Vorliegen eines wichtigen Grundes unter Verzicht auf die Fortzahlung des Entgelts Sonderurlaub erhalten“

Die Beklagte gewährte ihr den gewünschten Sonderurlaub vom 01.01.2011 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf zum 30.09.2011. Im Jahr 2011 wurde der Klägerin kein bezahlter Erholungsurlaub gewährt.

Die Klägerin forderte nach ihrem Ausscheiden nun die Urlaubsabgeltung für 15 Urlaubstage in Höhe von ca. 2000,00 € nebst Zinsen.

Die Entscheidung

Nachdem das Arbeitsgericht Berlin die Klage in der ersten Instanz abgewiesen hatte, bestätigte das BAG die Entscheidung der Berufungsinstanz  (vgl. LAG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 15.05.2012 – 3 Sa 230/12).

Der gesetzliche Urlaubsanspruch nach § 1 BUrlG entstehe bereits, wenn wirksam ein Arbeitsverhältnis begründet wurde und die einmalige Wartezeit von sechs Monaten nach § 4 BUrlG abgelaufen ist. Das BUrlG binde den Urlaubsanspruch damit weder an die Erfüllung der Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis noch ordne es die Kürzung des Urlaubsanspruchs für den Fall des Ruhens des Arbeitsverhältnisses an (vgl. Pressemitteilung Nr. 22/14 – www.bundesarbeitsgericht.de).

Es bleibt die Urteilsbegründung abzuwarten, ob das BAG derselben Argumentationslinie der Vorinstanz folgt. Danach jedenfalls berühre auch eine  gemeinsame Vereinbarung eines unbezahlten Sonderurlaubs bzw. des Ruhens des Arbeitsverhältnisses den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses nicht. Die Ruhensvereinbarung könne nicht bewirken, dass unabdingbare gesetzliche Ansprüche nicht entstehen können.

Das LAG Berlin-Brandenburg und im Ergebnis auch das BAG erteilten damit dem Argument der Beklagten, es fehle während des Ruhens an einem Austauschverhältnis, aus dem überhaupt erst Urlaubsansprüche erwachsen könnten, eine klare Absage.

Auswirkung für die Praxis

Mit der Entscheidung des BAG dürfte geklärt sein, dass  eine vereinbarte Kürzung  des Urlaubsanspruchs unwirksam ist.  Die Argumente für einen Anspruch im ruhenden Arbeitsverhältnis mögen dogmatisch überzeugen, die Entscheidung könnte jedoch in der Praxis Folgen zu Lasten des Arbeitnehmers haben.

In der Regel erfolgt der Abschluss von Ruhensvereinbarungen auf Wunsch des Arbeitnehmers. Die Motive sind dabei vielfältig (Studium, Auszeit für die Weltreise, mehr Zeit für die Familie, etc.). Gerade bei freizeitbedingten Sabbaticals, die nur durch eine freiwillige Übereinkunft zwischen den Parteien in Betracht kommen, könnte es dem Arbeitgeber nun schwerer fallen, dem Mitarbeiter seinen Wunsch zu erfüllen. Er wird sich fragen, wie ein Sabbatical, das ja gerade dem Erholungszeck dient, dann auch noch bezahlten Urlaub auslösen kann. Wir werden über die weitere Entwicklung berichten.

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