01.12.2013 -

Arbeitsverträge können bekanntlich bis zur Dauer von maximal zwei Jahren ohne Sachgrund befristet werden, § 14 Abs. 2 TzBfG. Das Befristungsprivileg ist an enge formale Voraussetzungen gebunden. Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern hatte sich nun mit der Frage zu befassen, ob ein befristeter Arbeitsvertrag wirksam wegen eines Erklärungs- oder Inhaltsirrtums angefochten werden kann, wenn der Zwei-Jahres-Zeitraum um einen Tag überschritten wird (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 17.04.2013 – 2 Sa 237/12). Die Entscheidung macht einmal mehr deutlich, dass an die formalen Voraussetzungen einer Befristungsabrede hohe Anforderungen gestellt werden und sich jeder Fehler zu Lasten des Arbeitgebers auswirkt.

Der Fall:

Der beklagte Arbeitnehmer stellte die Arbeitnehmerin mit Arbeitsvertrag vom 13. Juli 2010 nach ihrer Ausbildung befristet für die Dauer eines Jahres vom 30. Juli 2010 bis zum 29. Juli 2011 als Vollzeitbeschäftigte ein. Sie wurde im Referat kaufmännisches Rechnungswesen eingesetzt. Ihre abgeschlossene Ausbildung zur Kauffrau im Gesundheitswesen leistete sie ebenfalls bei ihrem Arbeitgeber ab.

Kurz vor Ablauf der einjährigen Befristung vereinbarten die Parteien einen Verlängerungsvertrag für den Zeitraum vom 1. Juli 2011 bis zum 30. Juli 2012. Als Befristungsgrund ist im Vertrag angegeben: „§ 14 Abs. 2 TzBfG in der jeweiligen Fassung“. Das durchschnittliche Bruttomonatsentgelt betrug zuletzt 1.980,00 €.

Die Arbeitnehmerin machte am 11. Mai 2012 gegenüber der Beklagten den unbefristeten Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses geltend. Die Zwei-Jahres-Frist für sachgrundlose Befristungen sei um einen Tag überschritten worden, denn gerechnet ab Beginn des Arbeitsverhältnisses, 30. Juli 2010, hätte längstens bis zum 29. Juli 2012 befristet werden können. Das Ende des Arbeitsvertrages zum 30. Juli 2012 führe daher zur Unwirksamkeit der Befristung und zum unbefristeten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses.

Der Arbeitgeber beantragte daraufhin beim zuständigen Personalrat die Zustimmung zur Kündigung. Zusätzlich wurde der Arbeitsvertrag wegen eines Erklärungsirrtums angefochten. Schließlich wurde der Arbeitnehmerin noch ein nunmehr auf den 29. Juli 2012 befristeter Änderungsvertrag angeboten.

Das Arbeitsgericht hat in der 1. Instanz festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Anfechtungserklärung, noch durch die Befristung zum 30. Juli 2012 noch durch die Kündigung geendet hat.

Die Entscheidung:

Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidung des Arbeitsgerichts in vollem Umfange bestätigt.

I. Kein Inhalts- oder Erklärungsirrtum

Gründe für eine Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen eines Inhalts- oder Erklärungsirrtums lagen hier nicht vor. Der Vertrag wurde auf den 30. Juli 2012 abgeschlossen. Die Angabe des Datums erfolgte hier sogar handschriftlich. Ein Tippfehler ist damit ausgeschlossen. Vielmehr spricht hier alles dafür, dass ein schlichter Rechenfehlervorgelegen hat. Die Beklagte ging fälschlicherweise davon aus, dass bei einem Beginn des Arbeitsverhältnisses am 30. Juli 2010 die Zwei-Jahres-Frist dann am 30. Juli 2012 abläuft. Damit hat der Arbeitgeber aber genau die Erklärung abgegeben, die er auch abgeben wollte.

Die Zwei-Jahres-Frist des § 14 Abs. 2 TzBfG war lediglich Motiv seiner Erklärung. Damit handelte es sich schlicht um einen Kalkulationsirrtum bzw. Rechenfehler. Dieser berechtigt aber nicht zur Anfechtung des Arbeitsvertrages.

Hinweis für die Praxis:

In der Praxis kommt es immer wieder zu solchen Rechenfehlern. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts macht deutlich, dass Rechenfehler an der Unwirksamkeit der Befristung nichts ändern. Die Fristen nach § 14 Abs. 2 TzBfG sind genau zu berechnen, dies gilt umso mehr dann, wenn nicht von vornherein ein Zwei-Jahres-Vertrag vereinbart wird, sondern die zweijährige Befristungsdauer auf mehrere Zeitabschnitte verteilt wird.

II. Kein Sachgrund

Der Arbeitgeber hat sich im Rechtsstreit zusätzlich auf den Sachgrund der Erprobung berufen. Die Arbeitnehmerin war aber bereits in der Ausbildung bei dem Arbeitgeber tätig und eine insgesamt zweijährige Erprobungsphase ist nicht gerechtfertigt. Grundsätzlich sind nach dem Vorbild des § 1 KSchG und der Kündigungsfristenregelung für Kündigungen während der Probezeit sechs Monate als Erprobungszeit ausreichend. Längere Befristungen zur Erprobung aufgrund besonderer Einzelfallumstände sind zwar möglich, besondere Einzelfallumstände waren hier aber nicht gegeben.

III. Unwirksame Kündigung

Rechenfehler bei der Berechnung der Befristungsdauer berechtigen schließlich auch nicht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Die Kündigung richtet sich allein nach den Vorgaben des Kündigungsschutzgesetzes. Soweit sich der Arbeitgeber vorliegend darauf berufen hat, die Arbeitnehmerin habe die an sie gestellten Anforderungen nicht erfüllt und eine Kündigung sei daher aus verhaltensbedingten Gründen gerechtfertigt, fehlte es hier an der notwendigen vorherigen Abmahnung. Formale Fehler des Arbeitgebers bei dem Abschluss von befristeten Arbeitsverträgen begründen eine Kündigung nicht. Damit war auch die ausgesprochene Kündigung unwirksam.

Fazit:

Sämtliche Beendigungstatbestände des Arbeitgebers, erklärte Anfechtung, ausgesprochene Kündigung und vereinbarte Befristung waren damit unwirksam. Das Arbeitsverhältnis mit der Arbeitnehmerin musste daher unbefristet fortgesetzt werden. Die zutreffende Entscheidung des Landesarbeitsgerichts macht nochmals deutlich, dass bei der Berechnung der Befristungsdauer besondere Sorgfalt angezeigt ist, wenn selbst die Überschreitung des Zwei-Jahres-Zeitraums um einen Tag zu einem unbefristeten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses führt.

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