03.10.2013 -

Sind Betriebsratsmitglieder verhindert, muss der Betriebsratsvorsitzende „das“ entsprechende Ersatzmitglied laden, § 25 BetrVG. Die Reihenfolge der zu ladenden Ersatzmitglieder folgt zwingend aus dem Gesetz und ist nicht dispositiv. Fehler können hier zur Anfechtbarkeit betriebsratsinterner Wahlen führen. Mit diesen Fragen hatte sich nun das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein zu befassen und dabei auch zu klären, ob Betriebsablaufstörungen als Verhinderungsgrund für Betriebsratsmitglieder anzuerkennen sind (LAG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 01.11.2012 – 5 TaBV 13/12).

Der Fall (verkürzt):

Die Beteiligten des Rechtsstreits streiten über die Wirksamkeit von internen Wahlen des Betriebsrats. Der Betriebsrat besteht insgesamt aus 11 Mitgliedern, davon eine Frau. Die Zusammensetzung erfolgt auf Basis von vier unterschiedlichen Listen.

Auf einer Sondersitzung des Betriebsrats wurden die freizustellenden Betriebsratsmitglieder sowie Betriebsratsmitglieder für den Betriebsausschuss gem. § 27 BetrVG sowie die Arbeitsausschüsse gem. § 28 BetrVG gewählt. Zu dieser Sitzung waren einige Betriebsratsmitglieder verhindert. Der Betriebsratsvorsitzende hat daher Ersatzmitglieder geladen. Die unmittelbaren Ersatzmitglieder hätten sich im Dienst befunden und deren Ladung hätte zu Betriebsablaufstörungen geführt.

Die Wahlen wurden von vier Betriebsratsmitgliedern angefochten. Das Arbeitsgericht hat den auf Anfechtung gerichteten Anträgen in vollem Umfange stattgegeben.

Die Entscheidung:

Im Beschwerdeverfahren hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidung der 1. Instanz ebenfalls voll bestätigt. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht wurde nicht zugelassen.

I. Anfechtung betriebsratsinterner Wahlen

Die Anfechtung betriebsratsinterner Wahlen ist im Betriebsverfassungsgesetz nicht geregelt. In der Rechtsprechung ist aber anerkannt, dass betriebsratsinterne Wahlen entsprechend § 19 BetrVG analoganfechtbar sind. An die Stelle der Anfechtungsbefugnis von den dort genannten drei wahlberechtigten Arbeitnehmern tritt in diesen Fällen die Anfechtungsbefugnis eines einzelnen Betriebsratsmitglieds. Deshalb ist zur Anfechtung betriebsratsinterner Wahlen jedes Betriebsratsmitglied befugt, das geltend macht, in seiner Rechtsstellung als Betriebsratsmitglied oder einer Schutz genießenden Minderheit verletzt zu sein.

II. Reihenfolge der Ersatzmitglieder

Die Ladung der Ersatzmitglieder obliegt dem Betriebsratsvorsitzenden. Dieser hat nach § 29 Abs. 2 S. 6 BetrVG für den Fall der Verhinderung eines Betriebsratsmitglieds nicht irgendein, sondern „das“ entsprechende Ersatzmitglied zu laden. Bereits aus dem Wortlaut dieser Vorschrift folgt, dass der Betriebsratsvorsitzende gerade kein Wahlrechthat, welches Ersatzmitglied er zur Sitzung einlädt. Vielmehr ergibt sich die Reihenfolge der zu ladenden Ersatzmitglieder aus § 25 Abs. 2 BetrVG. Ersatzmitglieder rücken in der in dieser Norm vorgegebenen Reihenfolge nach. Diese Reihenfolge ist zwingend, so dass das an erster Stelle stehende Ersatzmitglied vor dem folgenden nachrückt. Eine fehlerhafte Heranziehung der Ersatzmitglieder wirkt sich auf die Wahlberechtigung gem. §§ 38 Abs. 2, 27 Abs. 1 S. 3, 28 Abs. 1, S. 2 BetrVG aus und verhindert somit nicht nur eine wirksame Beschlussfassung, sondern führt auch zur Anfechtbarkeit betriebsinterner Wahlen.

Hinweis für die Praxis:

Nach § 25 Abs. 2 S. 1 BetrVG muss für verhinderte Betriebsratsmitglieder das jeweils erste Ersatzmitglied der jeweiligen Liste geladen werden. Diese gesetzliche Reihenfolge ist zwingend zu beachten und nicht dispositiv.

III. Anerkannte Verhinderungsgründe

Nach § 25 Abs. 2 S. 2 BetrVG ist ein Betriebsratsmitglied nur dann zeitweilig verhindert, wenn es aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht in der Lage ist, die ihm zukommenden Amtsgeschäfte zu besorgen. Anerkannte Verhinderungsgründe in diesem Sinne sind u.a. Krankheit, Kuraufenthalt, Urlaub, Dienstreise, auswärtiger Montageeinsatz, Teilnahme an Schulungsveranstaltungen, Beschäftigungsverbote nach dem Mutterschutzgesetz, Elternzeit, Zivildienst oder Wehrdienst. Die Verhinderung muss objektiv begründet und notwendig sein, so dass es für das Betriebsratsmitglied unzumutbarist, sein Amt auszuüben.

Bei krankheitsbedingter Abwesenheit und Urlaub besteht eine Vermutung für die Amtsunfähigkeit des Betriebsratsmitglieds. In diesen Fällen kann der Betriebsratsvorsitzende das nachrückende Ersatzmitglied sogleich zur Sitzung einladen bzw. das Ersatzmitglied benachrichtigen, ohne den angegebenen Verhinderungsgrund selbst nachprüfen zu müssen. Dies bedeutet aber nicht, dass der Betriebsratsvorsitzende sozusagen in eigener Kompetenz stets darüber entscheiden kann, ob ein Betriebsratsmitglied im Sinne von § 25 Abs. 2 BetrVG zeitweilig verhindert ist. Vielmehr hat einzig und allein das Betriebsratsmitglied selbst zu beurteilen, ob es trotz Arbeitsunfähigkeit, Urlaub oder auswärtigem Diensteinsatz sein Amt ausüben und an der Betriebsratssitzung teilnehmen will.

Hinweis für die Praxis:

In den Fällen, in den üblicherweise die Verhinderung vermutet wird, wie z.B. Krankheit oder Urlaub, muss das betreffende Betriebsratsmitglied dem Betriebsratsvorsitzenden mitteilen, dass es gleichwohl an der vorgesehenen Betriebsratssitzung teilnehmen will. Das Betriebsratsmitglied kann aber nicht frei darüber entscheiden, ob es seinen arbeitsvertraglichen Dienst ausübt oder an der Betriebsratssitzung teilnimmt. Die Erfüllung der Betriebsratsaufgaben hat Vorrang gegenüber denjenigen aus dem Arbeitsvertrag. Sofern ein Betriebsratsmitglied ohne triftigen Verhinderungsgrund der Betriebsratssitzung fernbleibt, darf kein Ersatzmitglied geladen werden.

Fazit:

Die Regeln für die Ladung von Ersatzmitgliedern sind äußerst streng. Die Zusammensetzung des Gremiums ist nicht dispositiv, sondern zwingend gesetzlich normiert. Betriebliche Ablaufstörungen sind kein Verhinderungsgrund. Betriebliche Interessen des Arbeitgebers haben daher keinen Einfluss auf die jeweilige Zusammensetzung des Betriebsrats.

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