11.06.2013

Das FG Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 3. April 2012 – 6 K 6036/08 – zu der Frage der rückwirkenden Erhöhung der Haftsumme aufgrund fehlerhafter Eintragung im Handelsregister sowie den daraus zu ziehenden Folgen für ausgleichsfähige bzw. lediglich verrechenbare Verluste gemäß § 15a EStG Stellung genommen. Das Ergebnis dürfte unzutreffend sein.

Der Sachverhalt stellte sich – völlig vereinfacht – wie folgt dar: Im Jahr 1998 wurde die Klägerin, eine GmbH & Co. KG, gegründet, deren Gesellschaftszweck der Erwerb, die Sanierung sowie die Vermietung von Wohneinheiten eines mit einem Plattenbau bebauten Grundstückes war. An dieser KG beteiligten sich verschiedene Kommanditisten, darunter auch der Beigeladene.

Nach dem Gesellschaftsvertrag der Klägerin beträgt die im Handelsregister einzutragenden Haftsumme 200 % der nach dem Gesellschaftsvertrag vereinbarten Einlage.

Der Beigeladene erklärte im Jahr 1999 seinen Beitritt als Kommanditist zu der Klägerin mit einer Einlage (Beitragsleistung) in Höhe von 300.000,00 DM zuzüglich eines Agio in Höhe von 15.000,00 DM. Nach den Regelungen des Gesellschaftsvertrages der Klägerin hätte im Handelsregister eine Haftsumme in Höhe des doppelten Beitrages eingetragen werden müssen, demnach in Höhe von 600.000,00 DM.

Im weiteren Verlauf des Jahres 1999 erhöhte der Beigeladene seine Beteiligung an der Klägerin um eine „Pflichteinlage“ in Höhe von 610.000,00 DM zuzüglich eines Agios in Höhe von 30.500,00 DM. Die Haftsumme musste nach dem Gesellschaftsvertrag wieder den doppelten Betrag ausmachen, demnach in Höhe von 1.220.000,00 DM.

Im Handelsregister wurde im Jahr 1999 insgesamt für den Beigeladenen eine Haftsumme in Höhe von 1.220.000,00 DM eingetragen. Der ursprüngliche Beitritt des Beigeladenen mit einer Pflichteinlage in Höhe von 300.000,00 DM sowie einer im Handelsregister einzutragenden Haftsumme in Höhe von 600.000,00 DM wurde nicht berücksichtigt.

Dieser Fehler fiel im Jahre 2006 auf. Im Jahr 2006 wurde das Handelsregister dahin berichtigt, dass die Haftsumme des Beigeladenen auf 1.820.000,00 DM (entsprechend: 930.551,22 €) erhöht wurde.

Streitgegenstand war – neben anderen – die Frage, ob zu Gunsten des Beigeladenen rückwirkend für 2004 höhere ausgleichsfähige Verluste festzustellen sind. Das Finanzamt lehnte eine rückwirkende Erhöhung der ausgleichsfähigen Verluste des Beigeladenen für 2004 ab. Das Finanzgericht folgte dem.

Gemäß § 15a Abs. 1 S. 1 EStG können Kommanditisten Verluste aus der Beteiligung an der Kommanditgesellschaft weder mit anderen Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgleichen, soweit durch die Zurechnung der Verluste ein negatives Kapitalkonto des Kommanditisten entsteht oder sich erhöht. Haftet der Kommanditist am Bilanzstichtag den Gläubigern der Gesellschaft aufgrund des § 171 Abs. 1 HGB, können abweichend von der Grundregel des Satzes 1 dem Kommanditisten ausgleichsfähige Verluste bis zur Höhe des Betrages zugewiesen werden, um den die im Handelsregister eingetragene Einlage (Haftsumme) des Kommanditisten seine geleistete Einlage (gegenüber der Gesellschaft) übersteigt. Wird auch diese (erhöhte) Haftsumme „ausgefüllt“, stellen weitere Verlustzuweisungen lediglich verrechenbare Verluste dar.

Die steuerliche Regelung ist insoweit eindeutig. Grundsätzlich kann ein Kommanditist Verluste aus der Beteiligung an einer Kommanditgesellschaft nur dann mit positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgleichen, soweit der Kommanditist den Gläubigern der Gesellschaft noch gemäß den §§ 171, 172 HGB haftet. Wenn die im Gesellschaftsvertrag vereinbarte Einlage sowie die im Handelsregister eingetragene Haftsumme identisch sind, haftet der Kommanditist den Gläubigern der Gesellschaft bis zu der Höhe dieser Einlage. Wird dagegen im Handelsregister eine höhere Haftsumme eingetragen als der Kommanditist sie gegenüber der Gesellschaft als Beitrag schuldet, sind Verluste auch in Höhe der Differenz zwischen der Beitragsleistung gegenüber der Gesellschaft und der höheren Haftsumme im Handelsregister ausgleichsfähig. Diese Regelung lag auch dem Gesellschaftsvertrag der Klägerin zugrunde. Die Einlage der Kommanditisten gegenüber der Gesellschaft war geringer als die im Handelsregister eingetragene Haftsumme. Den Kommanditisten konnten daher auch Verlustanteile über der geleisteten Einlage hinaus zugewiesen werden. Die ausgleichsfähigen Verluste musste nicht durch eine unmittelbare Beitragszahlung an die Gesellschaft „verdient“ werden. Für die Zuweisung ausgleichsfähiger Verluste reichte das Haftungsrisiko durch die im Handelsregister eingetragene (höhere) Haftsumme aus.

Die entscheidungserhebliche Frage war nun, welche Auswirkung die unzutreffend niedrige Eintragung der Haftsumme im Jahr 1999 hatte. Der Fehler wurde erst in 2006 entdeckt und dann umgehend berechtigt. Das Finanzgericht wies zunächst darauf hin, dass ein Kommanditist bei einer nachträglich berichtigten Haftsumme sämtlichen Gläubigern der Gesellschaft in Höhe der eigentlichen Haftsumme einzustehen hat. Insoweit bestehe auch eine „Rückwirkung“, da sich sämtliche Gläubiger der Gesellschaft auf diese höhere Haftsumme berufen können und nicht nur Gläubiger ab dem Zeitpunkt der Eintragung der Berichtigung. Das Finanzgericht zog hieraus für die Abgrenzung ausgleichsfähiger und verrechenbarer Verluste gemäß § 15a EStG den Schluss, dass eine rückwirkende Erhöhung ausgleichsfähiger Verluste auf Veranlagungszeiträume vor Eintragung der Berichtigung nicht möglich sei. Eine Inanspruchnahme des Kommanditisten in vorhergehenden Veranlagungszeiträumen wegen der nunmehr zutreffend eingetragenen (höheren) Haftsumme, sei rückwirkend aus tatsächlichen Gründen nicht möglich. Es komme allenfalls eine Haftung für die Zukunft in Betracht, wenn sich Gläubiger auf die erhöhte Haftsumme berufen und der Kommanditist diese Gläubiger befriedigen muss. Ob und in welchem Umfang in einem solchen Fall ausgleichsfähige oder verrechenbare Verluste entstehen, brauche das Finanzgericht nicht zu prüfen, da diese (zukünftigen) Veranlagungszeiträume nicht Gegenstand des Verfahrens seien.

Diese Schlussfolgerung dürfte nicht zutreffend sein. Richtig ist, dass nach überwiegender Auffassung im handelsrechtlichen Schrifttum die Berichtigung einer (zu niedrig) eingetragenen Haftsumme auf den eigentlichen Eintragungszeitpunkt zurückwirkt. Auf eine höhere Haftsumme können sich daher sämtliche Gläubiger berufen, die Gläubiger der Gesellschaft ab der ursprünglichen – wenngleich unzutreffenden – Eintragung der Haftsumme wurden. Daraus dürfte dann aber auch eine rückwirkende Erhöhung der ausgleichsfähigen Verluste gemäß § 15a EStG zu folgern sein. Dies soll an folgendem Beispiel erläutert werden:

Ein Kommanditist tritt im Jahre 01 einer KG mit einer Einlage von 100.000,00 € sowie einer im Handelsregister einzutragenden Haftsumme von 200.000,00 € bei. Im Handelsregister wird unzutreffend als Haftsumme nur die Beitragsleistung mit 100.000,00 € eingetragen. Der Kommanditist leistet gegenüber der KG im Jahr 01 den Beitrag in Höhe von 100.000,00 €.

Im Jahre 01 sowie im Jahre 02 werden dem Kommanditisten jeweils Verluste in Höhe von 50.000,00 € zugewiesen, die jeweils ausgleichsfähig sind.

Im Jahre 03 geht die Gesellschaft Verbindlichkeiten gegenüber einem Gläubiger in Höhe von 100.000,00 € ein. Die Gesellschaft leistet auf die Forderung des Gläubigers allerdings lediglich 90.000,00 € und weigert sich, den Restbetrag zu zahlen. Der Gläubiger verzichtet wegen der im Handelsregister eingetragenen Haftsumme von 100.000,00 € auf eine Geltendmachung des Restbetrages von 10.000,00 € gegenüber dem Kommanditisten. Im Jahre 03 werden dem Kommanditisten Verlustanteile in Höhe von 10.000,00 € zugewiesen, die allerdings wegen „Ausschöpfung“ der Einlage nur noch verrechenbar sind.

Im Jahre 04 entdeckt der Kommanditist die unzutreffende Eintragung im Handelsregister. Er veranlasst im Jahr 04 umgehend die Berichtigung der Haftsumme auf 200.000,00 €. Der Gläubiger aus dem Jahre 03 erfährt hiervon und verlangt von dem Kommanditisten Ausgleich seiner Restforderung in Höhe von 10.000,00 €. Der Kommanditist leistet diesen Betrag an den Gläubiger. Im Jahr 04 wird dem Kommanditisten ein „Gewinn“ in Höhe von 1.000,00 € zugewiesen.

Nach der Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg verbleibt es bei diesem Sachverhalt bei verrechenbaren Verlusten im Jahre 03 in Höhe von 10.000,00 €. Der Kommanditist hat zwar im Jahr 04 entsprechend seiner höheren Haftsumme, die an sich schon im Jahre 01 hätte eingetragen werden müssen, den Gläubiger aus dem Jahr 03 befriedigt. Die höhere Haftsumme hat sich daher (idealtypisch) verwirklicht. Dessen ungeachtet verbleibt es nach der Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg bei verrechenbaren Verlusten im Jahre 03 in Höhe von 10.000,00 €, die der Kommanditist in Höhe von 1.000,00 € im Jahre 04 mit dem dortigen Gewinnanteil verrechnen kann.

Das Ergebnis ist unbefriedigend. Das Haftungsrisiko des Kommanditisten hat sich nach Eintragung der zutreffenden Haftsumme umgehend realisiert. Die Zahlung der 10.000,00 € im Jahre 04 dürften zwar Sonderbetriebsausgaben des Kommanditisten sein, die seine Einkünfte aus der Beteiligung an der KG im Jahre 04 mindern. Eine solche Qualifikation „nützt“ dem Kommanditisten aber wenig, wenn in den Folgejahren Gewinne erzielt werden. Werden – in Fortführung des Beispieles – in den Folgejahren jeweils 1.000,00 € Gewinne realisiert, muss der Kommanditist insgesamt weitere 9 Jahre warten, bis er die ihm im Jahre 03 zugewiesenen verrechenbaren Verluste mit den Gewinnen aus der Beteiligung auch steuerlich verrechnen kann.

Konsequenter wäre es, wenn dem Kommanditisten rückwirkend ausgleichsfähige Verlust zugewiesen werden. Für die Abgrenzung ausgleichsfähiger und verrechenbarer Verluste ist nach § 15a EStG die Eintragung im Handelsregister maßgeblich. Da die Eintragung zivilrechtlich auch zugunsten der „Alt-Gläubiger“ wirkt, haftet der Kommanditist „Alt“- wie „Neu“gläubigern in Höhe der höheren Haftsumme. Konsequenterweise sollte er dann auch in Höhe dieser höheren Haftsumme ausgleichsfähige Verluste für die Vergangenheit realisieren können, da er letztlich auch für die „Vergangenheit haftet“. Nach der gesetzlichen Regelung von § 15a Abs. 1 EStG kommt es nicht darauf an, ob sich das Haftungsrisiko auch tatsächlich verwirklicht. Es sollte daher auch keine Rolle spielen, ob sich die erhöhte Haftsumme – wie im Beispiel – realisiert hat.

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