Sowohl im gewerblichen Mietrecht wie auch im Bereich der Wohnraummiete kommt immer wieder die Frage auf, ob ein Vermieter einen unliebsamen Mieter durch die Einstellung der Strom-, Gas- und/oder Wasserversorgung zu einer alsbaldigen Räumung der Mietsache bewegen darf. Die Antwort hängt – wie so oft in der juristischen Praxis – von den Umständen des Einzelfalls ab. Grundsätzlich können sich Mieter und Vermieter jedoch an folgenden Vorgaben orientieren:

1. Gewerberaum

In Rahmen einer Grundsatzentscheidung vom 6. Mai 2009 hat sich der 12. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit der Frage befasst, ob einem Mieter, welcher Flächen zum Betrieb einer Gaststätte angemietet hat, vom Vermieter angedroht werden darf, die Wärmeversorgung einzustellen, wenn der Mieter über einen längeren Zeitraum seiner Pflicht zur Leistung monatlicher Betriebskostenvorauszahlungen nicht nachgekommen ist und der Vermieter das Mietverhältnis zwischenzeitlich wegen Zahlungsverzugs wirksam beendet hat (BGH, Urteil v. 06.05.2009 – XII ZR 137/07NJW 2009, 1947). Der BGH hat dazu in den Entscheidungsgründen Folgendes ausgeführt:

„Grundsätzlich endet mit der Mietvertragsbeendigung auch die Pflicht des Vermieters zur Gebrauchsüberlassung gem. § 535 I BGB. Allerdings können nach Treu und Glauben einzelne Verpflichtungen des Vermieters noch nach der Vertragsbeendigung bestehen, wozu auch die Pflicht zur Erbringung von Versorgungsleistungen gehören kann. Solche nachvertraglichen Pflichten können sich im Einzelfall aus der Eigenart des – beendeten – Mietvertrags (z.B. Wohnraummiete) oder den besonderen Belangen des Mieters (z.B. Gesundheitsgefährdung oder etwa durch eine Versorgungssperre drohender, besonders hoher Schaden) ergeben. […]

Nach diesen Grundsätzen kann der Vermieter etwa zur Fortsetzung von Versorgungsleistungen verpflichtet sein, wenn dem Mieter eine Räumungsfrist nach §§ 721, 765a, 794a ZPO gewährt worden ist und dem Vermieter wegen der regelmäßig entrichteten Nutzungsentschädigung kein Schaden entsteht.[…]

Anders liegt es dagegen jedenfalls dann, wenn bereits die Beendigung des Mietverhältnisses auf dem Zahlungsverzug des Mieters beruht und der Vermieter die Versorgungsleistungen mangels Vorauszahlungen des Mieters auf eigene Kosten erbringen müsste. Der Vermieter liefe dann Gefahr, die von ihm verauslagten Kosten für die Versorgung nicht erstattet zu erhalten und dadurch einen – weiteren – Schaden zu erleiden. Weil ihm unter diesen Umständen die Fortsetzung der Leistungen nicht zuzumuten ist, ist der Vermieter jedenfalls bei der Geschäftsraummiete regelmäßig nicht mehr verpflichtet, dem Mieter weitere Versorgungsleistungen zu erbringen. Den Vermieter trifft dann nur noch die Abwicklungspflicht, dem Mieter die Unterbrechung der Versorgungsleistungen so frühzeitig anzukündigen, dass dieser sich darauf einstellen kann.“

Aus der Entscheidung des BGH, welcher sich die herrschende Meinung in Literatur und Rechtsprechung angeschlossen hat, folgt, dass eine Versorgungseinstellung in der Regel dann zulässig ist, wenn

– die fragliche Mietfläche gewerblich genutzt wird,

– der Vermieter den Mietvertrag rechtswirksam wegen eines erheblichen Zahlungsverzugs des Mieters gekündigt hat oder das Vertragsverhältnis aus anderen Gründen beendet ist und

– der Mieter nach Zugang der Kündigungserklärung keine Nutzungsentschädigung, zumindest aber keine Vorauszahlungen auf die laufenden Versorgungskosten an den Vermieter erbringt.

2. Wohnraummiete

Im Bereich der Wohnraummiete ist eine rechtmäßige Einstellung von Versorgungsleistungen dagegen kaum denkbar.

In einem noch andauernden Wohnraummietverhältnis ist der Vermieter bereits entsprechend § 535 Abs. 1 BGB dazu verpflichtet, dem Mieter den Wohnraum in einem Zustand zu überlassen, der eine vertragsgemäße Nutzung nicht einschränkt oder gar aufhebt. Entscheidet sich der Vermieter zu einer Einstellung von Wasser, Heizenergie oder Strom, so führt dies zu einem Mangel der Mietsache im Sinne der §§ 536 BGB ff., gegen den sich der betroffene Mieter mit den Mitteln des einstweiligen Rechtsschutzes zur Wehr setzen kann.

Ob der Vermieter im Falle eines rechtwirksam beendeten Wohnraummietverhältnisses berechtigt ist, Versorgungsleistungen einzustellen, hat der BGH bislang offengelassen. Sollte man mit der derzeit wohl überwiegenden Meinung davon ausgehen, dass der Weg einer Interessenabwägung nach Maßgabe der oben genannten Rechtsprechung des BGH grundsätzlich eröffnet ist, so ist zu beachten, dass diejenigen Vorschriften des BGB und der ZPO, welche explizit dem Räumungsschutz des Wohnraummieters dienen, durch eine Versorgungseinstellung nicht unterlaufen werden dürfen. Insoweit ist eine Einstellung von Versorgungsleistungen jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn

– dem Mieter durch ein Gericht im Zusammenhang mit einem Räumungsrechtstreit bzw. im Rahmen einer nachfolgenden Räumungsvollstreckung eine Räumungsfrist nach §§ 721, 765a, 794a ZPO gewährt wird,

– der Mieter die dem Vermieter geschuldete Nutzungsentschädigung, zumindest aber die laufenden  Versorgungskostenvorauszahlungen regelmäßig in voller Höhe erbringt oder

– die Heilungsfrist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB (zwei Monate nach Zustellung einer Räumungsklage) noch nicht verstrichen ist.

3. Ankündigung

Kommt eine Versorgungseinstellung im Einzelfall in Betracht, so ist dem Mieter die beabsichtigte Maßnahme rechtzeitig vorher anzukündigen. Dies gilt nach bislang herrschender Auffassung sowohl im Bereich des Wohnraummietrechts wie auch im Bereich des gewerblichen Mietrechts.

4. Risiken

Der eine Versorgungseinstellung in Betracht ziehende Vermieter sollte sich vor der Ergreifung entsprechender Maßnahmen bewusst machen, dass er sich gegenüber seinem Mieter in erheblichem Umfang schadenersatzpflichtig machen kann, wenn ein Gericht die von ihm durchgeführte Versorgungseinstellung im Nachhinein als vertrags- oder pflichtwidrig erkennt. Darüber hinaus muss der Vermieter, vor allem in der Wohnraummiete, mit der Einleitung eines strafrechtlichen Verfahrens wegen Körperverletzung gegen ihn rechnen. Die Frage, ob ein ggf. schnellerer und kostengünstiger Räumungserfolg die dahingehenden Risiken aufwiegt, ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu beantworten.

UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME

Sprechblasen

UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME

Sind Sie unsicher, ob Sie mit Ihrer Angelegenheit bei uns richtig sind?
Nehmen Sie gerne unverbindlich Kontakt mit uns auf und schildern uns Ihr Anliegen.
Wir freuen uns auf Ihren Anruf.

Kontakt aufnehmen