04.03.2012 -

In vielen Tarifverträgen finden sich Regelungen, wonach das Arbeitsverhältnis bei Gewährung einer unbefristeten Rente wegen voller Erwerbsminderung endet, z.B. § 59 BAT oder § 33 TVöD. Ähnliche Formulierungen werden auch unmittelbar in Arbeitsverträgen vereinbart. Rechtsformal handelt es sich um eine auflösende Bedingung. Das Bundesarbeitsgericht hat in einer aktuellen Entscheidung nun wichtige Fragen für die Praxis zur Klagefrist entschieden und eine frühere Rechtsprechung teilweise aufgegeben (BAG, Urteil v. 06.04.2011 – 7 AZR 704/09, DB 2011, 1756).

Der Fall:

Die im Dezember 1948 geborene, mit einem Grad der Behinderung von 80 schwerbehinderte Klägerin, war seit August 1987 als medizinisch-technische Assistentin bei der Beklagten beschäftigt. Sie war seit 20. Juni 2001 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Das Arbeitsverhältnis richtete sich nach den Bestimmungen des BAT.

Die Arbeitnehmerin erhielt zunächst zwei befristete Zeitrenten wegen voller Erwerbsminderung. Mit Bescheid vom 15. Februar 2006 wurde der Klägerin auf ihren Antrag vom 6. September 2005 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf unbestimmte Zeit bewilligt, längstens bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Ihre Bemühungen, mit ihrem Arbeitgeber einen Vertrag über ein neu zu begründendes Arbeitsverhältnis nach dem Ende ihrer Arbeitsunfähigkeit zu schließen, scheiterten im Mai 2006. Mit der Arbeitnehmerin zugegangenem Schreiben vom 22. Mai 2006 teilte vielmehr der Arbeitgeber mit, ihr Arbeitsverhältnis habe infolge des Rentenbescheides vom 15. Februar 2006 mit dem 28. Februar 2006 geendet.

Im Jahre 2007 wurde im Wege der Neufeststellung Rente wegen voller Erwerbsminderung wiederum nur befristet bewilligt. Die Klägerin hat mit ihrer am 1. Oktober 2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis habe durch die Bewilligung der zunächst unbefristeten Rente nicht enden können. Der Rentenbescheid sei nicht bestandskräftig geworden.
Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht mit dem 28. Februar 2006, sondern erst mit dem 15. Juni 2006 endete. Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht diese Entscheidung bestätigt.

Die Entscheidung:

Das Bundesarbeitsgericht hat sich den Entscheidungen der Vorinstanzen angeschlossen.

I. Auflösende Bedingung

Bei tarifvertraglichen oder einzelvertraglichen Regelungen, wonach das Arbeitsverhältnis bei Gewährung einer unbefristeten vollen Rente wegen Erwerbsminderung endet, handelt es sich um eine auflösende Bedingung. Das Arbeitsverhältnis soll aufgelöst werden, wenn die jeweiligen Voraussetzungen des Rentenbezuges vorliegen. Die Rechtsfolgen einer vereinbarten auflösenden Bedingung sind im Teilzeit- und Befristungsgesetz geregelt, dort in § 21. Im Grundsatz gelten die Regeln über befristete Arbeitsverträge entsprechend. Damit greift auch die dreiwöchige Klagefrist des § 17 TzBfG, auf den § 21 TzBfG verweist.

Bislang hat das Bundesarbeitsgericht dazu die Auffassung vertreten, die dreiwöchige Klagefrist sei nicht anzuwenden, wenn die Parteien nicht über die Wirksamkeit der auflösenden Bedingung streiten, sondern ausschließlich darüber, ob die auflösende Bedingung eingetreten sei. Nur die Frage der Wirksamkeit müsse in der Drei-Wochen-Frist geltend gemacht werden. Hieran hält das Bundesarbeitsgericht nun nicht mehr fest. Die Klagefrist gilt auch für den Streit über den Eintritt der auflösenden Bedingung. Dies führe zu mehr Rechtssicherheit und Rechtsklarheit.

II. Schutz nach dem SGB IX?

Die Klägerin berief sich auch auf den erweiterten Beendigungsschutz aus § 92 SGB IX. Danach bedarf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes, wenn sie im Fall des Eintritts einer teilweisen Erwerbsminderung, der Erwerbsminderung auf Zeit, der Berufsunfähigkeit oder der Erwerbsunfähigkeit auf Zeit ohne Kündigung erfolgt. Hier war der Klägerin mit Bescheid vom 15. Februar 2006 aber eine unbefristete Rente bewilligt worden. Die Vorschrift war daher nicht einschlägig und konnte die Arbeitnehmerin ebenfalls nicht mehr schützen.

In einer weiteren Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht aber festgestellt, dass die fehlende Zustimmung des Integrationsamtes der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch auflösende Bedingung dann entgegensteht, wenn dem Arbeitnehmer nur eine unbefristete Rente gewährt wurde (BAG, Urteil v. 09.02.2011 – 7 AZR 221/10, NZA 2011, 854). In diesen Fällen wendet das Bundesarbeitsgericht § 4 S. 4 KSchG analog an. Nach dieser Vorschrift beginnt die dreiwöchige Klagefrist dann nicht zu laufen, wenn die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf. Die Interessenlage ist in Fällen der Kündigung und der auflösenden Bedingung vergleichbar. Hat also das Integrationsamt in den Fällen des § 92 SGB IX nicht einer Kündigung oder einer auflösenden Bedingung zugestimmt, läuft die dreiwöchige Klagefrist analog § 4 S. 4 KSchG nicht ab. Die Klage kann auch noch später eingereicht werden.

Fazit:

Der Arbeitgeber teilte der Arbeitnehmerin mit Schreiben vom 22. Mai 2006 mit, ihr Arbeitsverhältnis habe in Folge des Rentenbescheides vom 15. Februar 2006 mit dem 28. Februar 2006 geendet. Die Klagefrist nach §§ 21, 17 TzBfG wurde mit Zugang des Schreibens vom 22. Mai 2006 in Lauf gesetzt. Sie endete drei Wochen später. Am 1. Oktober 2008, Eingang der Klage, war diese dreiwöchige Klagefrist längst verstrichen.

Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Voraussetzungen des § 92 SGB IX vorliegen und der Arbeitgeber von einer bestehenden Schwerbehinderung weiß. Die Klagefrist kann dann nicht ablaufen.

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