04.12.2011

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Beschluss vom 20. September 2011 – II ZB 17/10 – eine wichtige Streitfrage nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) zum 1. November 2008 geklärt: Den möglichen gutgläubigen Zweiterwerb eines GmbH-Geschäftsanteils nach einer aufschiebend bedingten Abtretung an den Ersterwerber.

Der Entscheidung lag ein Sachverhalt zugrunde, der offenbar von den Parteien „gestaltet“ wurde, um diese wichtige Streitfrage nach Inkrafttreten des MoMiG zu klären. Ein Notar reichte eine Änderung einer Gesellschafterliste gemäß § 40 GmbHG zum Handelsregister ein. Die einzige „Änderung“ der Gesellschafterliste bestand darin, dass bei einer Gesellschafterin eine aufschiebend bedingte Abtretung des Geschäftsanteils angemeldet wurde. Das Registergericht lehnte die Aufnahme der geänderten Liste in das Handelsregister ab, die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das OLG zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde des Notars zum BGH blieb erfolglos.

Der BGH hatte an sich nur zu klären, ob das Registergericht diese Änderung in der Gesellschafterliste zum Handelsregister aufnehmen kann. Er verneinte dies, da für die Bekanntmachung eines aufschiebend bedingten Erwerbes bis zum Bedingungseintritt keine Notwendigkeit bestehe. Eine Notwendigkeit ergebe sich auch nicht daraus, dass ein gutgläubiger Zweiterwerb eines Geschäftsanteils durch eine solche Eintragung ausgeschlossen sei.

Nach Auffassung des II. Senates komme ein gutgläubiger Zweiterwerb eines Geschäftsanteils bei einem aufschiebend bedingten Ersterwerb schon aus Rechtsgründen nicht in Betracht. Der Ersterwerber ist gem. § 161 Abs. 1 S. 1 BGB bei einem aufschiebend bedingten Erwerb vor weiteren Verfügungen des Anteilsinhabers geschützt. Verfügt der Anteilsinhaber in der Zeit zwischen der Abtretung sowie dem Bedingungseintritt über den Geschäftsanteil, ist diese Verfügung gegenüber dem Ersterwerber unwirksam. Gem. § 161 Abs. 3 BGB gilt allerdings, dass die „Vorschriften zu Gunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten ableiten“ unberührt bleiben. Damit gibt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass trotz des grundsätzlichen Schutzes des Ersterwerbers ein gutgläubiger Nacherwerb möglich ist. 

Aus § 161 Abs. 3 BGB selbst ergibt sich allerdings kein Gutglaubensschutz, sondern lediglich aus den Vorschriften, auf die das Gesetz verweise. Maßgeblich ist daher § 16 Abs. 3 GmbHG. Gem. § 16 Abs. 3 GmbHG ist ein gutgläubiger Erwerb eines Geschäftsanteils von einem Nichtberechtigten möglich, wenn dieser in der Gesellschafterliste eingetragen ist. Im Schrifttum wurde nur mit verschiedenen Argumenten vertreten, dass sich aus der Gesellschafterliste auch ein gutgläubiger Zweiterwerb ableiten ließe. Der II. Senat verneinte dies.

Nach Auffassung des BGH beschränkt sich die Rechtsscheinwirkung der Gesellschafterliste darauf, dass der in der Liste eingetragene Gesellschafter auch Inhaber des Geschäftsanteils sei. Die Rechtsscheinwirkung gehe nicht soweit, dass der in der Liste eingetragene Inhaber des Geschäftsanteils auch über diesen verfügen könne.

Eine Erweiterung des Gutglaubensschutzes ergebe sich weder aus dem Vergleich zum gutgläubigen Erwerb von Grundstücken bzw. Grundstücksrechten gemäß § 892 BGB noch aus dem Erst-Recht-Argument, dass derjenige Erwerber „erst recht“ geschützt sein müsste, der von einem Berechtigten, aber in seiner Verfügung Beschränkten erwerbe, wenn schon derjenige Erwerber geschützt sei, der von einem Nichtberechtigten erwerbe. Der Vergleich zum Grundbuchrecht gem. § 892 Abs. 1 S. 2 BGB scheitere daran, dass § 892 Abs. 1 S. 2 BGB einen entsprechenden Gutglaubensschutz ermögliche, die Vorschrift in § 16 Abs. 3 GmbHG dagegen nicht. Ebenso wenig tauge der „Erst-Recht-Schluss“. Für einen gutgläubigen Erwerb aufgrund fehlender Verfügungsbefugnis fehle es an einem geeigneten Rechtsscheinträger. Der Rechtsscheinträger in § 16 Abs. 3 GmbHG ist ausschließlich die Gesellschafterliste. Aus der Gesellschafterliste ergebe sich nichts zu der Veräußerungsbefugnis des Veräußerers, sondern nur, dass der Gesellschafter als Inhaber des Geschäftsanteils geführt wird.

In einem obiter dictum weist der BGH letztlich noch darauf hin, dass „mit der überwiegenden Auffassung“ auch ein gutgläubiger lastenfreier Erwerb gemäß § 16 Abs. 3 GmbHG nicht möglich sei.

Fazit: Das Verfahren wurde in erster Linie geführt, um für die Kautelarpraxis ein geeignetes Schutzinstrument für den gutgläubigen Ersterwerber zu schaffen. Es wurde vielfach vorgeschlagen, eine entsprechende Eintragung in der Gesellschafterliste vorzunehmen, wenn zwischen der Abtretung sowie dem Bedingungseintritt ein erheblicher Zeitraum liegt. Ein möglicher gutgläubiger Erwerb werde dadurch ausgeschlossen. Diese Mühen sind nunmehr unnötig. Durch den Beschluss des BGH steht fest, dass ein gutgläubiger Zweiterwerb nicht möglich ist. Der Ersterwerber bleibt daher über § 161 Abs. 1 S. 1 BGB geschützt.

Mit dem Hinweis, dass ein gutgläubiger lastenfreier Erwerb ebenso wenig über § 16 Abs. 3 GmbHG darstellbar ist, gibt der II. Senat einen eindeutigen Hinweis darauf, wie er diese Rechtsfrage einschätzt. Bei Fallgestaltungen dieser Art sollte dies – gerade in laufenden Verfahren – berücksichtigt werden. Nach der Argumentation zum Ausschluss eines gutgläubigen Zweiterwerbs wäre es mehr als überraschend, wenn der II. Senat trotz des obiter dictum einen gutgläubigen lastenfreien Erwerb annehmen wird.

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