07.11.2011

Nach § 34 Abs. 3, § 30 Abs. 1 GmbHG kann ein Geschäftsanteil an einer GmbH nur dann eingezogen werden, wenn es bei Fassung des Einziehungsbeschlusses möglich erscheint, dass die von der Gesellschaft geschuldete Abfindung aus freiem, die Stammkapitalziffer nicht beeinträchtigenden Vermögen gezahlt werden kann

 

I.       Worum es geht: Streit um die Wirksamkeit der Ausschließung eines Mitgesellschafters einer GmbH bei bestehender Unterbilanz

In vielen Fällen ist die Ausschließung (der Ausschluss) eines Gesellschafters aus der GmbH die einzige Möglichkeit, den Rechtsfrieden wiederherzustellen oder Zwangsvollstreckungen in den Geschäftsanteil des Mitgesellschafters zu unterbinden.

Die Einziehung des Geschäftsanteils des auszuschließenden Gesellschafters ist nach der Rechtsprechung des für das Gesellschaftsrecht zuständigen II. Senats des BGH regelmäßig unmöglich, wenn – wie üblich – die Gesellschaft Schuldnerin des Abfindungsanspruch ist und zugleich eine Unterbilanz besteht.

Fraglich ist, ob dann zumindest der Ausschließungsbeschluss wirksam ist und nur die Einziehung, die das Abfindungsentgelt auslöst, noch nicht wirksam ist. Das vertrat zumindest das OLG Hamm.

Der BGH hob diese Entscheidung auf und behandelte sowohl Ausschließungsbeschluss als auch Einziehungsbeschluss als nichtig.

II.      Die Entscheidung des BGH

Mit Teilurteil vom 05.04.2011 (Az.: II ZR 263/08) entschied der BGH in ständiger Rechtsprechung, nach § 34 Abs. 3, § 30 Abs. 1 GmbHG kann ein Geschäftsanteil an einer GmbH nur dann eingezogen werden, wenn es bei Fassung des Einziehungsbeschlusses möglich erscheint, dass die von der Gesellschaft geschuldete Abfindung aus freiem, die Stammkapitalziffer nicht beeinträchtigenden Vermögen gezahlt werden kann.

Die für die Einziehung schädliche Unterbilanz i.S. von § 30 GmbHG bestimmt sich dabei nicht nach den Verkehrswerten, sondern nach den Buchwerten der stichtagsbezogenen Handelsbilanz. Darin sind die etwaigen stillen Reserven nicht auszuweisen.

Ist danach die Einziehung nichtig, so gilt das auch hinsichtlich der Ausschließung, die dann ebenfalls nichtig ist.

Denn nach der Rechtsprechung des II. Senats des BGH gilt das Gebot der Kapitalerhaltung auch dann, wenn die Gesellschaft einen Gesellschafter ausschließen lassen will. Geschieht das durch Beschluss der Gesellschafterversammlung, ist dieser Beschluss gemäß § 30 Abs. 1 GmbHG nichtig, wenn bei der Beschlussfassung feststeht, dass die Abfindung nicht aus freiem Vermögen gezahlt werden kann.

Dem steht nicht entgegen, dass die Ausschließung nicht notwendig durch eine Einziehung des Geschäftsanteils vollzogen werden muss, sondern dass dafür auch eine Übertragung des Geschäftsanteils auf einen Mitgesellschafter oder einen Dritten in Betracht kommt. Bei einer solchen Übertragung schuldet zwar nicht die Gesellschaft, sondern der Erwerber die Abfindung in Form des Kaufpreises. Das Kapitalerhaltungsgebot aus § 30 Abs. 1 GmbHG kann in diesem Fall also in der Regel nicht verletzt werden. Darauf kann es aber nur dann ankommen, wenn diese Möglichkeiten tatsächlich bestehen.

Im Streitfall bestanden sie jedenfalls nicht. Denn die Gesellschafterversammlung hatte mit der Ausschließung zugleich die Einziehung der Geschäftsanteile beschlossen. Damit ist das Schicksal der Ausschließung mit dem der Einziehung untrennbar verbunden. Es besteht nach Auffassung des BGH kein Anlass, die Wirksamkeit der Ausschließung großzügiger zu beurteilen als die Wirksamkeit der Einziehung.

III.     Hinweis für die Praxis

Das Urteil ist nicht überraschend, war doch die bisherige durchgängige Linie des II. Senats klar. Anfängerfehler, möchte man meinen, ist aber weit gefehlt. Denn es werden in der Praxis immer wieder Ausschließungs- und Einziehungsbeschlüsse trotz bestehender Unterbilanz gefasst.

Soll trotz bestehender Unterbilanz eine wirksame Ausschließung und Einziehung beschlossen werden, bietet es sich an, einen Dritten als Abfindungsschuldner schon im Beschluss zu benennen.

Eine denkbare Formulierung könnte lauten:

„Die satzungsmäßige Abfindung an Herrn X soll nicht von der Gesellschaft geschuldet werden, sondern von Herrn Y persönlich. Herr Y persönlich wird ungeachtet dieser Schuldübernahme die Gesellschaft von allen eventuellen Abfindungsansprüchen des Herrn X freistellen, so dass die Gesellschaft durch Abfindungsansprüchen des Herrn X nicht belastet wird.“

Daneben könnte an eine Patronatserklärung oder sonstige Zahlungsgarantie Dritter gedacht werden, die es der Gesellschaft ermöglichen, ohne Verstoß gegen Kapitalerhaltungsvorschriften die Abfindung zu leisten. Aber auch die Beseitigung der Unterbilanz durch Aufdeckung stiller Reserven wäre zumindest eine denkbare Alternative, wenn auch sicher nicht steueroptimal.

Was letztlich in Betracht kommt, muss im jeweiligen Einzelfall entschieden werden. Machen sich die Gesellschafter gar keine Gedanken, sind Ausschließung und Einziehung im Zweifel nichtig.

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