28.03.2011 -

Die Beschlüsse des Bundesarbeitsgerichts zur Internet- und E-Mail-Nutzung des Betriebsrats ergehen zu immer wieder neuen Teilaspekten. Das Bundesarbeitsgericht hatte nun zu entscheiden, ob der Arbeitgeber verpflichtet ist, allen ordentlichen Mitgliedern des Betriebsrats den Zugang zum Internet zu ermöglichen und ihnen eigene E-Mail-Adressen zur unternehmensexternen Kommunikation einzurichten (BAG, Beschluss v. 14.07.2010 – 7 ABR 80/08). Das Bundesarbeitsgericht präzisiert seine bisherige Rechtsprechung in diesem Beschluss und eröffnet den Betriebsräten weitere Rechte. Allgemein zum Thema Besgen/Prinz, Handbuch Internet.Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2009.

Der Fall:

Der Arbeitgeber ist ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit. In seiner Außenstelle in Duisburg ist ein aus drei Betriebsratsmitgliedern gebildeter Betriebsrat gebildet. Alle Mitarbeiter, auch die Betriebsratsmitglieder, arbeiten an einem mit einem Personalcomputer (PC) ausgestatteten Arbeitsplatz.

Über das Intranet ist eine betriebs- und unternehmensinterne elektronische Kommunikation möglich. Circa 10 % bis 12 % der Mitarbeiter, darunter der Betriebsratsvorsitzende und sein Stellvertreter, haben einen Internetzugang. Circa 25 % der Mitarbeiter können außerhalb der über das Intranet zur Verfügung gestellten Möglichkeit E-Mails empfangen und senden (so genannte externe E-Mails). Durch die Vergabe entsprechender externer E-Mail-Adressen verfügen auch der Betriebsratsvorsitzende und sein Stellvertreter über diese Möglichkeit.

Der Betriebsrat hat für alle seine Mitglieder Zugang zum Internet und die Einrichtung externer E-Mail-Adressen begehrt. Er hat die Auffassung vertreten, jedes Gremiumsmitglied müsse sich im Internet über betriebsverfassungsrechtliche Fragen eigenständig informieren und mit nicht dem Unternehmen angehörenden Dritten per E-Mail kommunizieren können.

Das Arbeitsgericht hat die Anträge des Betriebsrats abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat im Beschwerdeverfahren dem Hilfsantrag des Betriebsrats entsprochen und den Arbeitgeber verpflichtet, dem Betriebsrat jedenfalls eine nicht auf einzelne Betriebsratsmitglieder beschränkte Zugangsmöglichkeit zum Internet einzurichten.

Die Entscheidung:

Das Bundesarbeitsgericht hat in der Rechtsbeschwerde den Arbeitgeber verpflichtet, allen Betriebsratsmitgliedern an ihren PC-Arbeitsplätzen den Zugang zum Internet zu ermöglichen und eine externe E-Mail-Adresse einzurichten.

I. Prinzip der Erforderlichkeit

Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat nach § 40 Abs. 2 BetrVG in erforderlichem Umfang Informations- und Kommunikationstechnik zur Verfügung zu stellen. Nach gefestigter Rechtsprechung gehören zu dieser Informationstechnik auch das Internet sowie die Zuweisung von E-Mail-Adressen mit bestimmten Konfigurationen zur externen Kommunikation.

Aber: Diese modernen Kommunikationsmittel stehen dem Betriebsrat nicht automatisch zu. Vielmehr kann der Betriebsrat einen arbeitsplatzbezogenen Internetzugang und die Teilhabe am externen elektronischen Postverkehr nur verlangen, wenn dies zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der ihm nach dem BetrVG obliegenden Aufgaben erforderlich ist. Der Betriebsrat ist daher nicht berechtigt, auf die Prüfung der Erforderlichkeit zu verzichten.

II. Prüfungsmaßstab des Betriebsrats

Dem Betriebsrat obliegt die Prüfung, ob ein von ihm verlangtes Sachmittel zur Erledigung von Betriebsratsaufgaben erforderlich und vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen ist. Die Entscheidung hierüber darf der Betriebsrat nicht allein an seinen subjektiven Bedürfnissen ausrichten. Von ihm wird vielmehr verlangt, dass er die betrieblichen Verhältnisse und die sich ihm stellenden Aufgaben berücksichtigt. Dabei hat er die Interessen der Belegschaft an einer sachgerechten Ausübung des Betriebsratsamts einerseits und berechtigte Interessen des Arbeitgebers andererseits, auch soweit sie auf eine Begrenzung der Kostentragungspflicht gerichtet sind, gegeneinander abzuwägen

Hinweis für die Praxis:

Die Entscheidung des Betriebsrats über die Erforderlichkeit des verlangten Sachmittels unterliegt der arbeitsgerichtlichen Kontrolle. Diese ist allerdings auf die Prüfung beschränkt, ob das verlangte Sachmittel aufgrund der konkreten betrieblichen Situation der Erledigung der gesetzlichen Aufgaben des Betriebsrats dient und der Betriebsrat bei seiner Entscheidung nicht nur die Interessen der Belegschaft berücksichtigt, sondern auch berechtigten Belangen des Arbeitgebers Rechnung getragen hat. Dient das jeweilige Sachmittel der Erledigung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben und hält sich die Interessenabwägung des Betriebsrats im Rahmen seines Beurteilungsspielraums, kann das Gericht die Entscheidung des Betriebsrats nicht durch seine eigene ersetzen.

III. Internetzugang für jedes einzelne Betriebsratsmitglied

Das Bundesarbeitsgericht wiederholt seine nun mehrfach entschiedene Rechtsprechung, wonach der Betriebsrat die Einholung von Informationen aus dem Internet als zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ansehen darf. Zur Begründung dieses Anspruchs bedarf es nicht der Darlegung konkreter, aktuell anstehender betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben, zu deren Erledigung Informationen aus dem Internet benötigt werden. Auch ist die vom Betriebsrat zu beurteilende Dienlichkeit eines Sachmittels zur Aufgabenwahrnehmung nicht erst dann gegeben, wenn der Betriebsrat ohne den Einsatz des Sachmittels seine gesetzlichen Pflichten vernachlässigen müsste. In diesem Sinne darf der Betriebsrat davon ausgehen, dass die Eröffnung von Internetanschlüssen für die einzelnen Mitglieder seiner Aufgabenerfüllung dient. Jedes Mitglied muss sich eigenständig und eigenverantwortlich nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts über anstehende Betriebsratsaufgaben informieren und hierzu recherchieren können. Durch das Internet können Sachinformationen zu nahezu allen betriebsratsrelevanten Themenbereichen eingeholt werden.

IV. Berechtigte Interessen des Arbeitgebers?

Diesem Anspruch stehen im vorliegenden Fall auch keine berechtigten Interessen des Arbeitgebers entgegen. Solche berechtigten Interessen können z.B. in der Begrenzung der Kostenpflicht bestehen oder aber in der konkreten Möglichkeit der Gefährdung besonderer Geheimhaltungsinteressen. Bedeutsam im Rahmen der Berücksichtigung betrieblicher Interessen kann schließlich das betriebsübliche und konkret das auf Arbeitgeberseite vorhandene Ausstattungsniveau sein. Die Betriebsratsmitglieder arbeiteten aber bereits alle an PC-Arbeitsplätzen. Die Freischaltung eines Internetzugangs erforderte damit weder umfangreiche technische Veränderungen noch eine kostenintensive Anschaffung der erforderlichen Hardware. Unverhältnismäßig hohe Kosten sowie ein unzumutbarer administrativer Aufwand entstehen nicht. Auch der abstrakten Gefahr von Viren und/oder Häckerangriffen kann in gleicher Weise vorgebeugt werden wie bei den anderen mit Internetanschlüssen ausgestatteten PCs im Betrieb.

Hinweis für die Praxis:

Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist nun wohl so zu verstehen, dass Betriebsratsmitgliedern stets ein eigener Internetzugang zu gewährleisten ist, solange das Betriebsratsmitglied ohnehin an einem PC-Arbeitsplatz arbeitet, der ohne großen Aufwand mit dem Internet verbunden werden kann. In einer früheren Entscheidung hatte das Bundesarbeitsgericht sogar die Einrichtung eines Internetzugangs zugestanden, obwohl in der betroffenen Filiale des Arbeitgebers bislang an keinem PC ein Internetanschluss existierte und die Filialleitung keinen solchen Anschluss hatte. Etwas anderes kann letztlich nur angenommen werden, wenn der Arbeitgeber generell für sich entschieden hat, auf die Nutzung des Internets zu verzichten, was in der modernen Kommunikationswelt regelmäßig nicht der Fall sein wird.

IV. E-Mail-Adressen für einzelne Betriebsratsmitglieder

Das Bundesarbeitsgericht hat auch die Einrichtung eigener E-Mail-Adressen für die einzelnen Betriebsratsmitglieder bejaht. Die zur Erfüllung ihrer Betriebsratsaufgaben von einzelnen Betriebsratsmitgliedern für erforderlich gehaltene Kommunikation mit nicht zum Betrieb oder Unternehmen gehörenden Dritten ist grundsätzlich Teil der Betriebsratstätigkeit. Angesichts des Aufgabenkatalogs des Betriebsrats und der eigenverantwortlichen Mandatswahrnehmung der einzelnen Betriebsratsmitglieder kommen vielfältige Situationen in Betracht, in denen ein Betriebsratsmitglied Kontakt mit betriebs- und unternehmensexternen Personen, Stellen und Institutionen aufnehmen muss. Daher kann sich der Betriebsrat nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts im Rahmen seines Ermessens grundsätzlich dafür entscheiden, seinen Mitgliedern die Kommunikationsmöglichkeit per E-Mail zu eröffnen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn sich der Arbeitgeber ebenfalls dieser Kommunikationstechnik bediene.

Hinweis für die Praxis:

Berechtigte Arbeitgeberinteressen können dem nur dann entgegengehalten werden, wenn der Arbeitgeber grundsätzlich keinen E-Mail-Verkehr im Unternehmen praktiziert und zulässt. Die abstrakte Missbrauchs- und Störungsgefahr reicht hingegen nicht aus. Dieser Gefahr kann der Arbeitgeber ebenso wie an den anderen mit entsprechender E-Mail-Konfiguration ausgestatteten PC-Arbeitsplätzen begegnen. Schließlich sieht das Bundesarbeitsgericht auch die hypothetische Möglichkeit eines entsprechenden Verlangens anderer im Unternehmen des Arbeitgebers bestehender Betriebsräte nicht als relevant an; dies müsse der Betriebsrat bei seiner Ermessensentscheidung nicht berücksichtigen.

Fazit:

Betriebsräte wie auch die einzelnen Betriebsratsmitglieder haben nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Ansprüche auf personalisierten Internetzugang und eigene E-Mail-Adressen. Arbeitgebern ist angesichts dieser nunmehr sehr klaren Rechtsprechung grundsätzlich zu empfehlen, sich hierüber mit dem Betriebsrat nicht mehr zu streiten, sondern die entsprechende Kommunikationstechnik zur Verfügung zu stellen. Ausnahmen bestehen allenfalls in Betrieben, in denen der Arbeitgeber grundsätzlich auf den Einsatz von solchen Kommunikationsmitteln verzichtet hat, so dass man die Ansprüche des Betriebsrats mit einer unverhältnismäßig hohen Kostenbelastung abwehren könnte. Angesichts der großzügigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist aber auch hier nicht auszuschließen, dass dem Arbeitgeber sogar eine solche Kostenbelastung zugemutet wird.

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