17.02.2011 -

Für den Fall eines Arbeitgeberwechsels, der auf einem Rechtsgeschäft beruht, regelt § 613 a BGB in seinem Absatz 6 ein Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer, damit diesen nicht durch ein Rechtsgeschäft zwischen einem Betriebsveräußerer und einem Betriebserwerber ein neuer Arbeitgeber aufgedrängt wird. Das Bundesverfassungsgericht hatte sich nun mit der Frage zu befassen, ob den Arbeitnehmern auch bei einem gesetzlichen Arbeitgeberwechsel, hier im Rahmen der Privatisierung der Universitätskliniken Gießen und Marburg, ein Widerspruchsrecht zusteht.

Die Ausgangslage

Aus wirtschaftlichen Gründen führte das Land Hessen im Jahr 2005 die Universitätskliniken Gießen und Marburg auf der Grundlage eines Gesetzes zu dem „Universitätsklinikum Gießen und Marburg“ zusammen (UK-Gesetz). Diese Anstalt des öffentlichen Rechts wurde im UK-Gesetz zur weitergehenden Privatisierung ermächtigt. Anfang 2006 wurde daraufhin eine GmbH als Rechtsträgerin der Klinik gegründet, deren Geschäftsanteile zu 95 % an einen privaten Krankenhausbetreiber verkauft wurden. Das UK-Gesetz beinhaltet die Regelung, dass die Arbeitsverhältnisse der nichtwissenschaftlichen Beschäftigten der Kliniken auf das „Universitätsklinikum Gießen und Marburg“ übergehen. Ein Widerspruchsrecht der Beschäftigten wurde nicht vorgesehen.

Die Verfassungsbeschwerde

Die Beschwerdeführerin war als Krankenschwester des Universitätsklinikums Marburg beim Land beschäftigt. Sie widersprach dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf das „Universitätsklinikum Gießen und Marburg“-Anstalt des öffentlichen Rechts und später dem Übergang auf die GmbH und beantragte vor dem Arbeitsgericht die Feststellung, dass ihr Arbeitsverhältnis mit dem Land weiter fortbestehe. Die Beschwerdeführerin unterlag sowohl im arbeitsgerichtlichen Berufungs-, wie auch im Revisionsverfahren. Mit der Verfassungsbeschwerde macht die Beschwerdeführerin nun die Verletzung ihres Grundrechts auf freie Arbeitsplatzwahl nach Art. 12 Abs. 1 GG und die Verletzung ihres Rechts auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG geltend. 

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

Das Bundesverfassungsgericht hat der Verfassungsbeschwerde stattgegeben. Es hat im Ergebnis festgestellt, dass die gesetzliche Überleitung der Arbeitsverhältnisse vom Land auf einen öffentlich-rechtlichen Rechtsträger zur Vorbereitung einer Privatisierung ohne Einräumung eines Widerspruchsrechts mit dem Recht der Beschwerdeführerin auf eine freie Wahl ihres Arbeitsplatzes unvereinbar sei und damit eine Verletzung des Art. 12 Abs. 1 GG darstelle. Es verpflichtete das Land Hessen zur Schaffung einer Neuregelung bis zum 31. Dezember 2011.

–         Eingriff in das Grundrecht auf freie Arbeitsplatzwahl nach Art. 12 Abs. 1 GG

Die streitgegenständliche Regelung des UK-Gesetzes zum gesetzlichen Arbeitgeberwechsel stelle sich als Eingriff in das Grundrecht auf eine freie Arbeitsplatzwahl der Beschwerdeführerin nach Art. 12 Abs. 1 GG dar. Durch den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses, dem sie nicht widersprechen könne, werde der Beschwerdeführerin ein neuer Arbeitgeber aufgedrängt. Besonders schwer wiege hierbei der Umstand, dass sie durch den Arbeitgeberwechsel aus dem öffentlichen Dienstverhältnis ausscheide.

–         Keine Rechtfertigung des Eingriffs

Dieser Eingriff sei insbesondere deshalb unverhältnismäßig, da das Land als Gesetzgeber und zugleich die Arbeitsverhältnisse übergebender Arbeitgeber agiere. Durch das erlassene Gesetz löse es sich ohne Beachtung der Kündigungsschutzvorschriften von seinen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen, um seine Privatisierungsentscheidung zu erleichtern. Zwar stelle auch eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses mit dem Land für die Beschwerdeführerin keine Garantie für den Bestand des Arbeitsverhältnisses dar, jedoch seien insofern die Anforderungen des Kündigungsschutzgesetzes und die Umstände des Einzelfalles zu beachten. Jedenfalls werde der Beschwerdeführerin dann aber kein Arbeitgeber aufgedrängt, den sie sich nicht in freier Wahl ausgesucht habe.

–         Widerspruchsrecht erforderlich

Zur Durchsetzung des Grundrechts auf freie Arbeitsplatzwahl sei jedenfalls dann ein Widerspruchsrecht der Beschäftigten erforderlich, wenn der Wechsel von einem öffentlichen zu einem privaten Arbeitgeber (bzw. wie hier über den Zwischenschritt der Gründung einer Anstalt des öffentlichen Rechts mit dem Ziel der Privatisierung) erfolge.

–         Keine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter

Abschließend stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass das Recht der Beschwerdeführerin auf den gesetzlichen Richter durch die fehlende Vorlage des BAG beim EuGH nicht verletzt wurde.

Fazit

Das Land Hessen ist nun verpflichtet, bis zum 31. Dezember 2011 ein Widerspruchsrecht der Beschäftigten in das UK-Gesetz aufzunehmen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Entscheidungen des LAG und des BAG aufgehoben und die Sache unter Maßgabe der Aussetzung des Verfahrens bis zu einer Neuregelung an das LAG zurückverwiesen.

 

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