13.02.2011

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Beschluss vom 25. Januar 2011 (1 BvR 918/10) die Rechtsprechung des BGH zu den „wandelbaren ehelichen Lebensverhältnissen“ bei der Berechnung des Nachscheidungsunterhalts im Falle der erneuten Heirat des unterhaltsverpflichteten Ehegatten für verfassungswidrig erklärt.

Gemäß § 1578 Abs. 1 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch richtet sich die Höhe des Unterhaltsanspruchs nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Stichtag für die Bestimmung der ehelichen Lebensverhältnisse ist der Tag der Rechtskraft der Scheidung. Zunächst war anerkannt, dass Umstände, die nach dem Tag der Rechtskraft der Scheidung eintreten, keine Auswirkungen auf die Höhe des Unterhaltsanspruchs des geschiedenen Ehegatten haben sollen. Hierbei geht es insbesondere um Unterhaltspflichten gegenüber Kindern sowie einem neuen Ehegatten im Falle einer Wiederverheiratung.

Der BGH hat, beginnend mit einer Entscheidung im Februar 2008, diesen Grundsatz aufgegeben. Zunächst stellte der BGH fest, dass sich der Unterhaltsanspruch von Kindern, die nach Rechtskraft der Scheidung geboren wurden, auf die Höhe des Unterhaltsanspruchs des geschiedenen Ehegatten auswirkt. Später erweiterte der BGH diese Rechtsprechung auf den Unterhaltsanspruch des neuen Ehegatten selbst und schuf als eigenständige Berechnungsweise die so genannte „Drittelmethode“. Danach ermittelt sich der Bedarf des geschiedenen Ehegatten aus der Gesamtheit der zur Verfügung stehenden Einkommen des geschiedenen Ehegatten, des unterhaltsverpflichteten Ehegatten sowie des neuen Ehegatten, wobei sich dessen Unterhaltsanspruch nicht nach den tatsächlichen Lebensverhältnissen richtet, sondern nach einem eigenen Unterhaltsanspruch im Falle einer (fiktiv gedachten) Scheidung auch dieser Zweitehe. Jedem Ehegatten steht aufgrund der „Drittelmethode“ ein Drittel des Gesamteinkommens zu, worauf sich der geschiedene Ehegatte die eigenen Einkünfte anrechnen lassen musste. Je nach Ausgestaltung des Einzelfalles konnte dadurch der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten um bis zu einem Drittel reduziert werden. Eine Erhöhung des Unterhaltsanspruchs aufgrund des „neuen“ Ehegatten war dagegen ausgeschlossen, da die Grenze des Unterhaltsanspruchs des geschiedenen Ehegatten der Unterhaltsanspruch anlässlich der Scheidung war.

Das BVerfG hat in dem Beschluss vom 25. Januar 2011 diese Rechtsprechung des BGH für verfassungswidrig erklärt. Der BGH verlasse mit dieser Auslegung der „wandelbaren ehelichen Lebensverhältnisse“ den Boden des Gesetzes. Die vom BGH vorgenommene Auslegung des einfachen Gesetzes sei weder mit dem Wortlaut, dem systematischen Zusammenhang, der historischen Gesetzesentwicklung noch mit dem Willen des Gesetzgebers vereinbar. Der BGH setze vielmehr – so das BVerfG – seine Gerechtigkeitsvorstellung an die Stelle des Gesetzgebers. Dies sei von Verfassungswegen nicht zulässig.

Fazit:

Die Folgen dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sind nicht absehbar. Zunächst wäre es vorstellbar, dass der Gesetzgeber „einschreitet“ und die Rechtsprechung des BGH zur „Drittelmethode“ im Gesetz verankert. Sollte dies nicht der Fall sein, werden sich wahrscheinlich folgende Rechtsprechungsgrundsätze ändern:

Der Splittingvorteil wird der neuen Ehe zu belassen sein, da der Gesetzgeber den Splittingvorteil der „Ehe“ vorbehält, worauf das BVerfG schon in 2006 hinwies. Bei dem Unterhaltspflichtigen ist daher fiktiv mit der steuerlichen Grundtabelle zu rechnen. Bisher wurde der Splittingvorteil bei der Drittelmethode berücksichtigt.

Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern, die nach Rechtskraft der Scheidung geboren werden, dürften nur auf der Ebene der Leistungsfähigkeit und nicht auf der Ebene des Bedarfes berücksichtigt werden. Kann der unterhaltsverpflichtete Ehegatte/Elternteil sowohl die Unterhaltsansprüche des neuen Kindes als auch die des geschiedenen Ehegatten befriedigen, hat die Unterhaltspflicht des neuen Kindes keine Auswirkung. Fraglich wird aber dann sein, wie die Fälle zu behandeln sind, in denen vor Rechtskraft der Scheidung – etwa während der Trennung – ein neues Kind geboren wird. Nach der Systematik müsste diese Unterhaltspflicht, da sie zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung besteht, bei dem Bedarf des unterhaltsberechtigten Ehegatten berücksichtigt werden.

Karrieresprünge nach Rechtskraft der Scheidung haben keine Auswirkung mehr. Bisher konnten Einkommenssteigerungen aufgrund eines Karrieresprungs Auswirkungen haben, wenn dadurch der erhöhte Unterhaltsbedarf aufgrund einer neuen Ehe oder eines weiteren Kindes aufgefangen werden konnte.

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