Bundesgerichtshof: Kein Verbraucherbauvertrag bei Einzelgewerkevergabe

Ein Verbraucherbauvertrag i.S.v. § 650 i Abs. 1 BGB liegt nicht vor, wenn ein Verbraucher mit einem Unternehmer einen Vertrag über ein einzelnes Gewerk im Rahmen des Neubaus eines Gebäudes schließt. Dies hat kürzlich der Bundesgerichtshof in einem aktuellen Urteil vom 16.03.2023 (VII ZR 94/22) entschieden.

Es liegt kein Verbraucherbauvertrag vor, wenn Verbraucher und Unternehmer einen Vertrag über einzelnes Gewerk bei Neubau schließt
Es liegt kein Verbraucherbauvertrag vor, wenn Verbraucher und Unternehmer einen Vertrag über einzelnes Gewerk bei Neubau schließt (credit: adobestock)

Die Ausgangssituation:

Mit der zum 01.01.2018 in Kraft getretenen Reform des Bauvertragsrechts hat der Gesetzgeber den sog. Verbraucherbauvertrag im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) eingeführt. Mit §§ 650 i bis 650 n BGB wurden spezifische Regelungen in das Bauvertragsrecht aufgenommen, die dem Schutz von Verbrauchern beim Abschluss von Bauverträgen und der Durchführung von Bauvorhaben dienen. So steht dem Verbraucher als Auftraggeber beim Verbraucherbauvertrag z.B. ein Widerrufsrecht zu, es sei denn, der Vertrag wurde notariell beurkundet (§ 650 l BGB). Die gesetzlichen Bestimmungen beinhalten des Weiteren u.a. eine Pflicht zur Übergabe einer detaillierten Baubeschreibung durch den Unternehmer (§ 650 j BGB) oder z.B. eine Begrenzung für das Verlangen von Abschlagszahlungen (§ 650 m BGB). In § 650 f BGB (früher § 648 a BGB) ist geregelt, dass der gesetzliche Anspruch des Bauunternehmers auf eine Sicherheitsleistung für seinen Vergütungsanspruch (sog. Bauhandwerkersicherung) keine Anwendung findet, wenn der Auftraggeber Verbraucher ist und es sich um einen Verbraucherbauvertrag nach § 650 i BGB handelt (§ 650 f Abs. 6 S.1 Nr. 2 BGB).

Es kann also von erheblicher Bedeutung sein, ob ein Verbraucherbauvertrag vorliegt oder nicht. Dies ist in § 650 i Abs. 1 BGB geregelt: Danach sind Verbraucherbauverträge Verträge, durch die der Unternehmer von einem Verbraucher zum Bau eines neuen Gebäudes oder zu erheblichen Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude verpflichtet wird.

Dabei war bislang in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob ein Bauvertrag bei einem Neubau nur dann als Verbraucherbauvertrag zu qualifizieren ist, wenn sich der Unternehmer zum Bau des gesamten Gebäudes und nicht nur eines Teils davon verpflichtet, oder ob auch bei einer gewerkeweisen Vergabe von Bauleistungen ein Verbraucherbauvertrag anzunehmen ist.

Der Fall:

Mit dieser Problematik hatte sich jüngst der Bundesgerichtshof zu befassen.

In dem zugrunde liegenden Fall ließen Verbraucher als private Bauherren einen Neubau errichten. Hierbei vergaben sie die erforderlichen Gewerke an einzelne Bauunternehmer, so auch an die spätere Klägerin, die mit der Ausführung von Innenputz- und Außenputzarbeiten beauftragt wurde. Im Zuge der Ausführung der Arbeiten kam es zu Streitigkeiten, in deren Verlauf die Klägerin die Bauherren zur Leistung einer Sicherheit im Sinne von § 650 f BGB zur Sicherung ihres Vergütungsanspruchs aufforderte. Die Sicherheit wurde nicht gestellt. Im nachfolgenden Rechtsstreit hat die Klägerin dann die Stellung der von ihr geforderten Sicherheit für die noch nicht bezahlte Vergütung gerichtlich geltend gemacht.

Das Landgericht sprach der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren den geltend gemachten Anspruch auf Sicherheitsleistung zu. Auf die Berufung der Bauherren wies das Oberlandesgericht die Klage demgegenüber zurück: Es liege trotz des Vertrages über ein einzelnes Gewerk (Putzarbeiten) ein Verbraucherbauvertrag i.S.d. § 650 i BGB vor, so dass der geltend gemachte Anspruch auf Sicherheitsleistung nicht nach § 650 f Abs. 6 S. 1 Nr. 2 BGB ausgeschlossen sei. Zwar scheine der Wortlaut von § 650 i Abs. 1 BGB („Bau eines neuen Gebäudes“) mit der Vergabe von Einzelgewerken nicht im Einklang zu stehen. Dies lasse sich jedoch auch mit einer sprachlichen Ungenauigkeit des Gesetzgebers erklären. Für eine erweiterte Auslegung der Vorschrift spreche demgegenüber, dass durch die Vergabe von Einzelgewerken letztlich ebenso das vom Wortlaut des Gesetzes geforderte Ziel der Errichtung „eines neuen Gebäudes“ erreicht werde. Falle unter das Verbraucherbauvertragsrecht nur der „Bau aus einer Hand“, kämen sämtliche Schutzvorschriften zugunsten des Verbrauchers nach §§ 650 i ff. BGB nicht zur Anwendung. Dann wäre es des bauausführenden Unternehmens durch die Herausnahme von Einzelleistungen oder die Aufspaltung in mehrere Verträge auch möglich, den Verbraucherschutz zu umgehen. Ziel des Gesetzes sei aber gewesen, den Verbraucherschutz zu verbessern.

Im Ergebnis sei der abgeschlossene Vertrag daher als Verbraucherbauvertrag im Sinne § 650 i Abs. 1 BGB anzusehen, so dass der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Stellung einer Sicherheit gem. § 650 f Abs. 6 S. 1 Nr. 2 BGB ausgeschlossen sei.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Auf die Revision der Klägerin hat der Bundesgerichtshof mit seinem Urteil vom 16.03.2023 die Entscheidung des Oberlandesgerichts aufgehoben und entschieden, dass bei einem Vertrag über ein einzelnes Gewerk kein Verbraucherbauvertrag vorliegt.

Nach der gesetzlichen Definition in § 650 i Abs. 1 BGB setze ein Verbraucherbauvertag voraus, dass es sich um einen Vertrag mit einem Verbraucher handelt, durch den der Unternehmer zum Bau eines neuen Gebäudes verpflichtet werde. Dafür genüge es nicht, dass der Unternehmer die Verpflichtung zur Erbringung eines einzelnen Gewerks im Rahmen eines Neubaus eines Gebäudes übernehme. Der Wortlaut der Vorschrift beruhe weder auf einem Versehen noch einer Ungenauigkeit des Gesetzgebers. Vielmehr habe der Gesetzgeber bewusst eine klare Formulierung gewählt, nach der sich der Unternehmer zum Bau eines neuen Gebäudes verpflichtet haben müsse, und es nicht ausreichen sollte, dass er sich zu einem einzelnen Gewerk, das im Rahmen des Neubauvorhabens erbracht werde, verpflichtet habe. Dabei verbiete es auch das Gebot der Rechtsklarheit, den Begriff des Verbraucherbauvertrages aufgrund einer allgemeinen Zielvorstellung des Verbraucherschutzes zu erweitern, ohne dass dies im Gesetzestext erkennbar sei.

Die Ausnahmevorschrift des § 650 f Abs. 6 S. 1 Nr. 2 BGB finde in einem solchen Fall ebenfalls keine Anwendung und könne auch nicht entsprechend auf Verträge über einzelne Gewerke im Rahmen des Baues eines neuen Gebäudes angewandt werden.

Fazit:

Mit seinem Urteil vom 16.03.2023 hat der Bundesgerichtshof erstmals klargestellt, dass § 650 i BGB nicht einschlägig ist und kein Verbraucherbauvertrag vorliegt, wenn ein Vertrag nur ein einzelnes Gewerk eines Neubauvorhabens betrifft. Für die Praxis ist damit davon auszugehen, dass die speziellen verbraucherschützenden Vorschriften der § 650 i ff. BGB bei einem Neubauvorhaben im Regelfall nur Anwendung finden, wenn sich der Unternehmer gegenüber einem Verbraucher zum Bau des gesamten Gebäudes in einem Vertrag verpflichtet. Hierunter fallen regelmäßig Verträge mit Generalübernehmern, Generalunternehmern oder Fertighausherstellern.

Solche Anbieter könnten sich durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs nun freilich dazu veranlasst sehen, eine Aufspaltung von bisher einheitlichen Verträgen in mehrere Vertragsverhältnisse vorzunehmen, um eine Anwendbarkeit verbraucherschützender Vorschriften auf diesem Wege zu vermeiden. Zu denken wäre etwa an eine Aufspaltung eines einheitlichen Vertrages in einen Vertrag über den Rohbau und einen weiteren Vertrag über die Ausbauleistungen. Die Annahme, mit einer solchen Gestaltung könne man ggf. die Verbraucherrechte der §§ 650 i ff. BGB wie z.B. das Widerrufsrecht oder die Baubeschreibungspflicht umgehen, wäre allerdings außerordentlich fragwürdig. Denn in § 650 o S. 2 BGB ist ein weitgehendes Umgehungsverbot geregelt, wonach die wesentlichen verbraucherschützenden Vorschriften der § 650 i ff. BGB auch dann Anwendung finden, wenn sie durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden. Bei einer willkürlichen Aufspaltung eines eigentlich einheitlichen Bauerrichtungsvertrages, die erkennbar nur oder doch vorrangig der Vermeidung der Anwendbarkeit der Verbraucherschutzbestimmungen dient, wird man indessen einen Verstoß gegen das Umgehungsverbot aus § 650 o S. 2 BGB annehmen müssen.

Autor: Alfred Hennemann

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