04.01.2009 -

 

Während der Elternzeit besteht Sonderkündigungsschutz nach § 18 BEEG (vormals § 18 BErzGG). Der Sonderkündigungsschutz setzt die wirksame Inanspruchnahme von Elternzeit voraus. Elternzeit muss nach § 16 BEEG schriftlich verlangt werden. In einem aktuellen Urteil hatte das BAG sich nun mit der Frage zu befassen, ob eine lediglich mündlich in Anspruch genommene Elternzeit dennoch unter bestimmten Voraussetzungen den Sonderkündigungsschutz auslösen kann und diese Frage bejaht ([1] BAG, Urt. v. 26.6.2008 – 2 AZR 23/07).

 

Der Fall (verkürzt):

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung, insbesondere über die Anwendung des Kündigungsverbotes nach § 18 Abs. 1 BErzGG (jetzt § 18 BEEG).

Die beklagte Arbeitgeberin ist eine in Form einer Gesellschaft des Bürgerlichen Rechts organisierte Rechtsanwaltssozietät mit zwei Gesellschafterinnen. Die klagende Arbeitnehmerin war seit 1. Dezember 2002 in dem Büro als Rechtsanwältin in einem Arbeitsverhältnis tätig. Die Rechtsanwaltssozietät war ein Kleinbetrieb und unterfiel damit nicht dem Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes.

Am 8. Juni 2004 gebar die Klägerin ihre erste Tochter. Nach Ablauf der Mutterschutzfrist am 18. August 2004 trat sie ihre Arbeit nicht mehr an.

Die Krankenkasse der Klägerin, die BKK, übersandte der Rechtsanwaltssozietät im Juli 2004 eine Anfrage wegen Elternzeit. Auf diese Anfrage teilte die Sozietät der BKK am 26. Juli 2004 mit, dass die Klägerin vom 8. Juni 2004 bis 7. Juni 2007 Elternzeit in Anspruch nehme. Im Oktober 2005 wurde das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31. Dezember 2005 gekündigt.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin sich gegen diese Kündigung gewandt und die Auffassung vertreten, die Kündigung sei wegen Verstoßes gegen § 18 Abs. 1 BErzGG nichtig. Sie habe mehrfach mündlich Elternzeit für drei Jahre geltend gemacht. Die Mitteilung an die BKK zeige, dass ihre Arbeitgeberin von der Elternzeit gewusst habe und sich damit auch einverstanden erklärt hätte. Es sei der Arbeitgeberseite verwehrt, sich nunmehr auf eine möglicherweise formwidrige Inanspruchnahme der Elternzeit zu berufen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht hingegen die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert und der Klage stattgegeben.

 

Die Entscheidung des BAG:

Das BAG hat im Revisionsverfahren die Unwirksamkeit der Kündigung bestätigt.

 

I. Grundsatz: Sonderkündigungsschutz setzt wirksame Elternzeit voraus

Das Kündigungsverbot des § 18 BErzGG (jetzt BEEG) besteht grundsätzlich nur dann, wenn die Arbeitnehmerin die Elternzeit berechtigterweise angetreten hat und zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung noch sämtliche Anspruchsvoraussetzungen für die Elternzeit vorliegen. Zum Kündigungszeitpunkt müssen deshalb sowohl die Voraussetzungen von § 15 BEEG als auch die des § 16 BEEG erfüllt sein. Nur derjenige kommt in den Genuss des besonderen Kündigungsschutzes nach § 18 BEEG, der sich berechtigterweise in Elternzeit befindet.

Demnach müssen alle Arbeitnehmer, die Elternzeit in Anspruch nehmen können, nicht nur die persönlichen Voraussetzungen gem. § 15 BEEG erfüllen, sondern auch die Elternzeit schriftlich und ordnungsgemäß gegenüber ihrem Arbeitgeber verlangt haben. Das schriftliche Verlangen stellt eine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Inanspruchnahme der Elternzeit dar.

 

Hinweis für die Praxis:

Das Schriftformerfordernis dient der Rechtsklarheit. Beim Beginn einer Elternzeit sind vielfältige Fallgestaltungen denkbar, in denen – bei fehlender schriftlicher Beantragung – offen bleibt, ob Elternzeit in Anspruch genommen oder eine andere Form der Arbeitsbefreiung geltend gemacht wird bzw. schlicht eine Fehlzeit vorliegt. Dem schriftlichen Verlangen kommt damit vor allem eine klarstellende Funktion für die Parteien zu. Versäumt es der Arbeitnehmer, die Elternzeit in entsprechender Form zu beantragen, besteht demnach grundsätzlich kein besonderer Kündigungsschutz.

 

II. Rechtsmissbräuchliches Verhalten im Einzelfall

Allerdings kann ein Berufen des Arbeitgebers auf die fehlende Schriftform ein rechtsmissbräuchliches Verhalten sein. Im Einzelfall kann das Berufen auf die fehlende Schriftform gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) in der Erscheinungsform des widersprüchlichen Verhaltens verstoßen, wenn dem Arbeitnehmer bzw. der Arbeitnehmerin Elternzeit gewährt worden ist, obwohl dem Arbeitgeber bekannt war, dass die Anspruchsvoraussetzungen – insbesondere die fehlende Schriftlichkeit – nicht vorliegen. Dies ist immer dann der Fall, wenn besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. Wurde insbesondere durch das Verhalten der einen Vertragspartei – bewusst oder unbewusst – für die andere Vertragspartei ein schützenswertes Vertrauen auf den Fortbestand des bisherigen geschaffen, liegt ein solcher treuwidriger Fall vor.

So lag der Fall aber hier: Die beklagte Arbeitgeberin hat es in Kenntnis des fehlenden schriftlichen Antrages hingenommen, dass die Arbeitnehmerin nicht zur Arbeit erschienen ist und ihre „Elternzeit“ fortgeführt hat. Die Arbeitnehmerin wurde wie eine Elternzeitberechtigte behandelt. Dies wurde insbesondere durch die Angaben gegenüber der BKK deutlich. Die Arbeitnehmerin konnte sich daher mit Erfolg auf den Sonderkündigungsschutz des § 18 BEEG berufen.

 

Fazit:

Den Vertragsparteien ist dringend zu empfehlen, die formalen Voraussetzungen der Inanspruchnahme von Elternzeit ernst zu nehmen und auch einzuhalten. Die Arbeitgeberseite sollte daher bei Verstößen insbesondere gegen das Schriftformgebot auf eine entsprechende ergänzende schriftliche Erklärung drängen. Damit werden beide Seiten abgesichert. Dieses Vorgehen dient der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit.

 

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