24.01.2009

 

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 19. August 2008 – VII R 6/07 – entschieden, dass eine Steuerforderung des Finanzamtes, die im Zusammenhang mit einem Steuerstrafverfahren steht, die Restschuldbefreiung nach Insolvenzordnung nicht ausschließt.

Der Kläger wurde wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer und Gewerbesteuer aufgrund eines Strafbefehls rechtskräftig wegen Steuerhinterziehung verurteilt. Im Anschluss wurde über das Vermögen des Klägers das Insolvenzverfahren eröffnet. Das Finanzamt meldete die „hinterzogene“ Steuer nebst Zinsen und Säumniszuschläge als Deliktsforderungen zur Tabelle an. Der Kläger hat Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt und der Qualifikation der Forderung des Finanzamtes als Deliktsforderung widersprochen. Daraufhin erließ das Finanzamt einen Feststellungsbescheid, in dem die angemeldeten Forderungen aus der Steuerhinterziehung als Deliktsforderungen ausgewiesen worden sind.

Der Einspruch hatte nur bezüglich der Höhe erfolgt. Die Klage war erfolgreich. Der BFH wies die Revision des Finanzamtes zurück.

Der BFH begründete eingehend, dass Steuerforderungen, die im Zusammenhang mit einer Steuerhinterziehung stehen, keine „Ansprüche aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung“ gemäß § 302 Nr. 1 InsO sind. Restschuldbefreiung sei daher zu erteilen, wenn die übrigen Voraussetzungen vorliegen.

Die Steuerhinterziehung selbst begründet keinen deliktischen (zivilrechtlichen) Anspruch des Fiskus gegen den Steuerpflichtigen. Der Anspruch des Fiskus auf die Nachentrichtung der Steuer ergebe sich ausschließlich aus dem Steuerschuldverhältnis zwischen Staat und Bürger. Dieses Steuerschuldverhältnis stelle ein öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis dar, das sich von den zivilrechtlichen Deliktsansprüchen unterscheide. Der Strafanspruch des Staates wegen Steuerhinterziehung ändere daran nichts. Dieser Strafanspruch entstehe neben den Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis, er sei aber nicht Bestandteil des Steuerschuldverhältnisses.

Der Straftatbestand der Steuerhinterziehung sei auch kein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB. Es fehle an einem Schutz vor Individualinteressen, die jedem Schutzgesetz immanent seien. Das Steueraufkommen begründe kein Individualinteresse.

Letztlich komme entgegen der Auffassung des Finanzamtes auch keine analoge Anwendung in Betracht. Der Katalog in § 302 InsO sei abschließend. Sollte der Gesetzgeber eine Berücksichtigung von Steuerforderungen wünschen, die im Zusammenhang mit der Steuerhinterziehung stünden, müsse er dies ausdrücklich regeln.

Fazit: Der BFH hat sich mit dieser Entscheidung erfreulicherweise der überwiegenden Auffassung im insolvenzrechtlichen Schrifttum angeschlossen. Für die Verteidigung in Steuerstrafverfahren ist die Entscheidung heranzuziehen; zumal sie durch die Veröffentlichung im Bundessteuerblatt für die Finanzverwaltung bindend ist. Der Steuerfahndung wird damit ein beliebtes Argument aus der Hand geschlagen, wenn bei „kühnen“ Nachforderungen des Finanzamtes mit der Insolvenz des Beschuldigten „spekuliert wird“. Der Gesetzgeber könnte sich allerdings wegen dieser Entscheidung veranlasst sehen, Steuerforderungen, die im Zusammenhang mit Steuerstrafverfahren stehen, in den Katalog von § 302 InsO aufzunehmen. Hier bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten.

Lorbeerkranz

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  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuer­recht“
    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2022/2023)

  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuer­recht“
    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2017-2021)

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