Am 18.06.2009 hat der Bundestag das lang erwartete Gesetz zur Patientenverfügung beschlossen.

Mit einer Patientenverfügung wird festgelegt, in welchem Umfang am Lebensende eine medizinische Behandlung stattfinden soll. Sie gewinnt Bedeutung, wenn der Patient aufgrund seiner Krankheit im konkreten Fall nicht mehr in der Lage ist, in eine medizinische Behandlung einzuwilligen oder eine solche abzulehnen.

Nunmehr ist gesetzlich geregelt, dass der in einer Patientenverfügung festgelegte Patientenwille verbindlich ist. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Betreuer des Patienten feststellt, dass der dort festgelegte Wille nicht auf die aktuelle Lebens- oder Behandlungssituation zutrifft. Zwar war auch bisher der Patientenwille als Ausdruck des fortwirkenden Selbstbestimmungsrechts für die behandelnden Ärzte verbindlich. Es war in Rechtsprechung und juristischer Literatur jedoch umstritten, ob die Patientenverfügung unmittelbar verbindliche Wirkung hat oder nur ein Indiz für den tatsächlichen Patientenwillen darstellt.

Darüber hinaus regelt das Gesetz, wer den Patientenwillen zu ermitteln hat, wenn keine Patientenverfügung vorliegt. Diese Aufgabe wird dem Betreuer übertragen. Hat der Patient eine Vorsorgevollmacht erteilt, so tritt der Bevollmächtigte an die Stelle des Betreuers. So hat es der Patient selbst in der Hand, zu bestimmen, welche Person diese gravierenden Entscheidungen über sein Leben zu fällen hat. Der Betreuer/Bevollmächtigte muss zur Ermittlung des Patientenwillens Rücksprache mit dem behandelnden Arzt halten. Zudem sollen die nahen Angehörigen und die sonstigen engen Vertrauenspersonen des Patienten gehört werde, wenn dies ohne erhebliche Verzögerung möglich ist.

Die Einwilligung des Betreuers in eine ärztliche Heilbehandlung, welche die Gefahr begründet, dass der Patient aufgrund der Maßnahme stirbt oder einen schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet, bedarf, wie bisher, grundsätzlich der Genehmigung des Betreuungsgerichts (vormals Vormundschaftsgerichts). Eine Genehmigung des Gerichts ist jedoch nach dem neuen Gesetz nicht mehr erforderlich, wenn sich Betreuer und behandelnder Arzt darüber einig sind, dass die Einwilligung des Betreuers dem Patientenwillen entspricht.

Die Patientenverfügung, welche zuvor formlos errichtet werden konnte, bedarf nunmehr der Schriftform. Sie kann jedoch – wie bisher – jederzeit formlos widerrufen werden. Zudem stellt das Gesetz klar, dass niemand zur Errichtung einer Patientenverfügung verpflichtet werden kann. Das Vorliegen einer Patientenverfügung darf auch nicht zur Bedingung eines Vertrages (bspw. Behandlungs- oder Heilvertrag) gemacht werden. Hiermit wollte der Gesetzgeber einem individuellen oder gesellschaftlichen Druck zur Errichtung einer bestimmten Patientenverfügung entgegenwirken.

Der Gesetzgeber hat im Interesse des Selbstbestimmungsrechts bewusst darauf verzichtet, die Verbindlichkeit der Patientenverfügung auf Fälle zu beschränken, in denen feststeht, dass die Krankheit auch mithilfe einer medizinischen Behandlung tödlich verlaufen wird. Jede medizinische Behandlung stellt einen Eingriff in die körperliche Integrität des Betroffenen dar, die seiner Einwilligung bedarf.

Um keine zu hohen Hürden für die Wirksamkeit einer Patientenverfügung und damit die Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts aufzustellen, hat der Gesetzgeber zudem darauf verzichtet, eine Pflicht zur vorherigen medizinischen und rechtlichen Beratung zu normieren. In der Gesetzesbegründung wird jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Beratung sinnvoll ist. „Sie kann dazu beitragen, dass die ärztlichen Maßnahmen, in die eingewilligt wird oder die untersagt werden, hinreichend genau beschrieben werden […]“. Ist die konkrete Situation, in der eine Entscheidung zu treffen ist, von der Patientenverfügung nicht hinreichend bestimmt umfasst, kann sie ihre bindende Wirkung nicht entfalten. So reicht die interpretationsbedürftige Formulierung „wenn keine Aussicht auf Besserung im Sinne eines für mich erträglichen und umweltbezogenen Lebens besteht, möchte ich keine lebensverlängernden Maßnahmen“ nicht aus. Vielmehr muss genau geregelt sein, in welchen Fällen, das eigene Leben nicht mehr als erträglich empfunden wird (bspw. die Unfähigkeit selbständig Nahrung aufzunehmen).

Das Gesetz wird am 01.09.2009 in Kraft treten.

Hinweise für die Praxis:

  • Das Gesetz zur Patientenverfügung legt die Feststellung des Patientenwillens im Zweifel in die Hände des Betreuers. Noch mehr als zuvor empfiehlt es sich also, eine Vorsorgevollmacht zu erteilen oder eine Betreuungsverfügung zu errichten, um die Entscheidung, welche Person diese gravierenden Entscheidungen für das eigene Leben fällt, nicht dem Betreuungsgericht zu überlassen.
  • Eine medizinische und rechtliche Beratung bei der Errichtung einer Patientenverfügung ist dringend zu empfehlen. Ist die Patientenverfügung nicht bestimmt genug gefasst, kann sie keine bindende Wirkung entfalten. Dann tritt genau der Fall ein, der mit einer Patientenverfügung gerade vermieden werden soll, nämlich, dass Dritte über den eigenen Willen im Einzelfall spekulieren und die Umsetzung des tatsächlichen Willens nicht gewährleistet ist.
  • Bisher errichtete Patientenverfügungen behalten ihre Gültigkeit. Dennoch empfiehlt es sich, Patientenverfügungen im Hinblick auf die Neuregelung mit Hilfe eines fachkundigen Beraters erneut zu überdenken.

Verfasserin: Dr. Susanne Sachs, Rechtsanwältin, Bonn

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