Rechtzeitig zu den Sommerferien hat es der Europäische Gerichtshof (EuGH) Flugpassagieren erleichtert, nach einer Annullierung oder erheblichen Verspätung des Fluges Ausgleichsrechte gerichtlich geltend zu machen (Urteil vom 09.07.2009, Rechtssache C-243/08, Rehder ./. Air Baltic Corporation).

Der Fall

Ein deutscher Flugpassagier mit Wohnsitz in München buchte bei Air Baltic, deren Geschäftssitz sich in Riga (Lettland) befindet, einen Flug von München nach Vilnius. Etwa 30 Minuten vor dem geplanten Start in München wurden die Fluggäste über die Annullierung ihres Fluges unterrichtet. Nach entsprechender Umbuchung durch Air Baltic flog der Kläger über Kopenhagen nach Vilnius, wo er mehr als sechs Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit des ursprünglich gebuchten Fluges eintraf.

Der Passagier klagte vor dem Amtsgericht Erding, in dessen Zuständigkeitsbereich der Flughafen München als Abflugort liegt, gegen Air Baltic einen Ausgleich von 250 € nach der EG-Flugpassagierrechteverordnung (VO [EG] 262/2004) ein. Das Amtsgericht erklärte sich für die Sache zuständig und begründete dies damit, dass Dienstleistungen im Luftverkehr am Abflugort erbracht würden, dass also der Flughafen München der Erfüllungsort der vertraglichen Verpflichtung sei. Auf diesen Erfüllungsort stellt die europäische Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen (VO [EG] 44/2001 – EuGVVO) ab.

Auf die Berufung der Airline hin hob das OLG München die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts auf. Begründung: Dienstleistungen im Luftverkehr würden am Ort des Geschäftssitzes der Gesellschaft, die den Flug durchführe, erbracht.

Der Passagier legte dagegen Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) ein, der die Sache seinerseits dem EuGH vorlegte. Der BGH fragte, ob die maßgebliche Bestimmung der EuGVVO über die Zuständigkeit der Gerichte am Erfüllungsort des Vertrages im Fall von Flugreisen so auszulegen sei, dass ein einheitlicher Erfüllungsort am Ort der Hauptleistung anzunehmen sei, nach welchen Kriterien sich dies bestimme, insbesondere, ob der einheitliche Erfüllungsort durch den Ort des Abflugs oder der Ankunft bestimmt werde.

Die Entscheidung des EuGH

Die am 09.07.2009 verkündete Antwort des EuGH: Beförderungen im Luftverkehr sind bereits ihrer Natur nach Dienstleistungen, die untrennbar und einheitlich vom Ort des Abflugs bis zum Ort der Ankunft des Flugzeugs erbracht werden, so dass es in solchen Fällen nicht möglich ist, anhand wirtschaftlicher Kriterien einen gesonderten Teil der Leistung auszumachen, der die an einem bestimmten Ort erbrachte Hauptleistung darstellen könnte. Unter diesen Umständen sind sowohl der Ort des Abflugs als auch der Ort der Ankunft des Flugzeugs gleichermaßen als die Orte anzusehen, an denen die Dienstleistungen, die Gegenstand eines Beförderungsvertrags im Luftverkehr sind, hauptsächlich erbracht werden.

Jeder dieser beiden Orte, so der Gerichtshof, weise eine hinreichende Nähe zum Sachverhalt des Rechtsstreits auf. Deshalb könne ein Kläger, der eine Ausgleichszahlung nach der Flugpassagierrechteverordnung beansprucht, die Fluglinie auf der Grundlage der EuGVVO nach seiner Wahl vor dem Gericht am Abflug- oder am Ankunftsort verklagen.

Praktische Konsequenzen

Wem also eine ausländische Fluggesellschaft die Reise in den Sommerurlaub verdirbt, weil ein Flug gestrichen wird oder erheblich verspätet ist, der hat zumindest die Gewissheit, nicht zur Geltendmachung seiner Ausgleichsansprüche gleich noch einen Abenteuerurlaub in einem Gerichtssaal eines der anderen 26 EU-Mitgliedsstaaten daranhängen zu müssen.

Doch Vorsicht: die vom EuGH für Verspätungs- oder Annullierungsfälle aufgestellten Zuständigkeitsregeln finden nur dort Anwendung, wo auch die EU-Flugpassagierrechteverordnung gilt, nämlich auf Fluggesellschaften aus EU-Mitgliedsstaaten bei Flügen innerhalb der EU oder (Rück-)Flügen von Flughäfen außerhalb der EU in einen EU-Mitgliedsstaat. Wer also mit einer US-amerikanischen, türkischen, nordafrikanischen oder asiatischen Airline in den Urlaub fliegt, dem helfen sie nicht weiter. Und: Ansprüche nach der Flugpassagierrechteverordnung sind nicht mit Reisevertragsansprüchen nach der EG-Pauschalreiserichtlinie zu verwechseln, die in Deutschland in §§ 651a ff. BGB zu finden sind und bei denen andere Kriterien für die Gerichtszuständigkeit gelten.

Die Entscheidung des EuGH können Sie im Volltext hier abrufen

 

Kammergericht: „Kreditkartengebühr“ unzulässig

Nebenbei noch eine weitere gute Nachricht für Flugreisende: Nach einem neueren Urteil des Kammergerichts Berlin (vom 30.04.2009 – 23 U 243/08) darf bei Flugbuchungen im Internet keine Extragebühr bei Zahlung mit Kreditkarte verlangt werden. Dies jedenfalls dann nicht, wenn die Airline nicht gleichzeitig auch ein etabliertes kostenfreies Zahlverfahren anbietet.

Damit schiebt das Gericht der bisherigen Praxis des ohnehin nicht als zimperlich bekannten irischen Billigfliegers Ryanair einen Riegel vor. Ryanair hatte bei Einsatz einer Kreditkarte für die Flugbuchung pro Gast und einfacher Flugstrecke 4 € Kreditkartengebühr verlangt. Alle anderen Zahlungsarten sollten 1,50 € kosten. „Gebührenfrei“ war lediglich die Zahlung mit einer Visa-Electron-Karte, die auf dem europäischen Kontinent bislang kaum verbreitet und im Übrigen auch nur gegen eine Jahresgebühr von 40 bis 100 Euro erhältlich ist. Nach Ansicht des Kammergerichts sei eine echte Gegenleistung, die die Zusatzkosten rechtfertigen würde, nicht ersichtlich. Die Annahme der Zahlung für das Flugticket sei gesetzliche Verpflichtung der Fluggesellschaft.

Die Nutzer der meisten deutschen Fluglinien werden allerdings auch nach diesem Urteil vorerst weiter zähneknirschend Gebühren für den Einsatz der Kreditkarte bei Flugbuchungen bezahlen müssen: Lufthansa, Air Berlin, tuifly oder Germanwings – um nur einige zu nennen – bieten nämlich allesamt auch noch die Möglichkeit, statt Zahlung mit Kreditkarte Abbuchung vom Girokonto im bargeldlosen Lastschriftverkehr zu wählen.

Wohin immer Sie Ihr Urlaub führt: Reisen Sie leicht und gut – und „Many Happy Landings“!

Autor

Bild von  Thomas Krümmel, LL.M.
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