Die Zuständigkeit für grenzüberschreitende Rechtsstreitigkeiten in Zivilsachen wird in einer Reihe von Ländern durch das sog. Lugano-Übereinkommen geregelt. Zu diesen Staaten gehören neben den 15 „alten“ EU-Mitgliedsstaaten (darunter auch Deutschland, und unter Einschluss von Dänemark) die EWR-Staaten Norwegen und Island sowie die Schweiz.
Art. 17 des Übereinkommens regelt die Voraussetzungen, unter denen im Rechtsverkehr zwischen diesen Ländern wirksame Gerichtsstandsvereinbarungen getroffen werden können. Eine solche Vereinbarung muss geschlossen werden
- schriftlich oder mündlich mit schriftlicher Bestätigung;
- in einer Form, welche den Gepflogenheiten entspricht, die zwischen den Parteien entstanden sind, oder
- im internationalen Handel in einer Form, die einem Handelsbrauch entspricht, den die Parteien kannten oder kennen mussten und den Parteien von Verträgen dieser Art in dem betreffenden Geschäftszweig allgemein kennen und regelmäßig beachten.
Bislang war unter deutschen Gerichten umstritten, wie weit das Erfordernis „schriftlich oder mündlich mit schriftlicher Bestätigung“ zu gehen hat, insbesondere, ob elektronisch übermittelte Erklärungen ausreichend sind.
In einem Urteil vom 07.05.2009 (10 U 1816/08) hat jetzt das Oberlandesgericht Dresden für den Bereich des Lugano-Übereinkommens eine Gerichtsstandsvereinbarung per e-Mail-Austausch und Internet-AGB für zulässig erklärt – zumindest unter Geschäftsleuten. Hier ein Auszug aus der Entscheidung:
„Es liegt nahe anzunehmen, dass die – in Vertragsstaaten des Luganer Abkommens ansässigen (…) – Parteien eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung geschlossen haben, durch welche die Zuständigkeit deutscher Gerichte derogiert und eine ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte in (…) Schweiz begründet worden ist.
Eine Gerichtsstandsvereinbarung kann – zum einen – dadurch zustande gekommen sein, dass die Klägerin in ihrem per E-Mail übermittelten Angebot (…) auf ihre im Internet veröffentlichten Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit der darin enthaltenen Bestimmung über eine ausschließliche Zuständigkeit Schweizer Gerichte verwiesen und die Beklagte dieses Angebot per E-Mail angenommen hat. Der Austausch von E-Mails erfüllt nach Ansicht des Senats das in Art. 17 Abs. 1 S. 2 Buchstabe a) Alt. 1 LugÜ aufgestellte Schriftformerfordernis, da beide auf den Abschluss der
Gerichtsstandsvereinbarung gerichteten Willenserklärungen ausgedruckt werden können (…) und die Erklärungen nicht in derselben Urkunde enthalten sein müssen (…).
Eine Gerichtsstandsvereinbarung kann – zum anderen – dadurch zustande gekommen sein, dass sich die Parteien mündlich über eine Zuständigkeit der Schweizer Gerichte geeinigt haben und die Klägerin diese Einigung schriftlich bestätigte, Art. 17 Abs. 1 S. 2 Buchstabe a) Alt. 2 LugÜ. Denn die Klägerin hat mit Schreiben vom 12. April 2007 die fernmündliche Bestellung der Beklagten vom selben Tage bestätigt, welche auf dem Angebot der Klägerin vom 11. April 2007 beruhte. Weder eine schriftliche noch eine mündliche Gerichtsstandsvereinbarung mit schriftlicher Bestätigung im Sinne von Art. 17 Abs. 1 S. 2 Buchstabe a) LugÜ scheitert daran, dass der Beklagten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin mit der darin enthaltenen Bestimmung über die ausschließliche Zuständigkeit Schweizer Gerichte bei Vertragsschluss nicht schriftlich vorgelegen haben. Denn der Hinweis im Angebot vom 11. April 2007 auf die im Internet veröffentlichten Allgemeinen Geschäftsbedingungen ermöglichte es der Beklagten, sich in zumutbarer Weise von der darin enthaltenen Gerichtsstandsvereinbarung Kenntnis zu verschaffen. Als grenzüberschreitend tätige Handelsgesellschaft (…) musste sie jederzeit damit rechnen, dass sie in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines ausländischen Lieferanten auch Bestimmungen über die im Streitfall zur Entscheidung berufenen Gerichte vorfinden werde. Sie hatte es daher in der Hand zu vermeiden, dass eine Zuständigkeitsvereinbarung unbemerkt Inhalt des Kaufvertrages mit der Klägerin wurde (…).
Eine formlos zustande gekommene Gerichtsstandsvereinbarung könnte – zuletzt – den zwischen den Parteien entstandenen Gepflogenheiten entsprechen und daher nach Art. 17 Abs. 1 S. 2 Buchstabe b) LugÜ wirksam sein (…). Denn nach den Feststellungen des Landgerichts hat es bereits in der Vergangenheit zumindest zwei geschäftliche Kontakte der Parteien unter Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin gegeben… „
Für Verbraucher bleibt die Möglichkeit, nach dem Lugano-Übereinkommen wirksame Gerichtsstandsvereinbarungen zu treffen, von vornherein sehr eingeschränkt. Nach Art. 15 des Übereinkommens muss sie
- entweder erst nach der Entstehung der Streitigkeit getroffen worden sein
- oder zugunsten des Verbrauchers die Anrufung auch anderer Gerichte als derjenigen zulassen, die das Übereinkommen bei Verbraucherstreitigkeiten vorschreibt
- oder zwischen einem Verbraucher und seinem Vertragspartner mit Sitz in demselben Staat getroffen werden, wobei dieser Staat solche Vereinbarungen zulassen muss.
Das Urteil des OLG Dresden dürfte vor allem für Geschäftskontakte zwischen Deutschland und der Schweiz Bedeutung haben; auch der entschiedene Fall spielt im deutsch-schweizerischen Rechtsverkehr.
Die Entscheidung ist hier im Volltext abrufbar:
http://www.justiz.sachsen.de/elvis/documents/10U1816.08.pdf
Verfasser: Thomas Krümmel, LL.M., Rechtsanwalt, Berlin
Rechtsgebiet: Internationaler Rechtsverkehr
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