11.03.2001

Mit Urteil vom 08.01.2001 – II ZR 88/99 – hat der BGH erstmalig ausdrücklich festgestellt, dass Gesellschafterdarlehen mit eigenkapitalersetzendem Charakter in der Überschuldungsbilanz zu passivieren sind, soweit für sie keine Rangrücktrittserklärung abgegeben worden ist; den Text der Entscheidung finden Sie im Anhang zu diesem Artikel. Zwar erging die Entscheidung noch zur früheren Konkursordnung; der BGH hat seine Erwägungen allerdings in einem obiter dictum ausdrücklich auch auf die seit dem 1.1.1999 in Kraft getretene Insolvenzordnung erstreckt.

Bedeutung erlangt die Entscheidung für die Definition der Überschuldung gem. § 19 InsO, als einer der drei Eröffnungsgründe für das Insolvenzverfahren. Als Grundlage für die Feststellung einer rechtlichen Überschuldung im Sinne der InsO dient eine Gegenüberstellung von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten auf der Grundlage eines besonderen Ansatz- und Bewertungsverfahrens. Nicht ausreichend ist die Aufstellung einer ein negatives Ergebnis ausweisenden Handelsbilanz, sondern es bedarf grundsätzlich der Erstellung einer Überschuldungsbilanz (BGH, Urt. v. 18.12.2000 – II ZR 191/99 – wiedergegeben im Anhang zu diesem Artikel).

Erforderlich ist eine zweistufige Überschuldungsprüfung (sog. „zweistufiger Überschuldungsbegriff“). Zunächst wird in einer Fortführungsprognose auf der Grundlage revolvierender Finanzpläne eingeschätzt, ob das Unternehmenskonzept geeignet und in der Lage ist, dass finanzielle Gleichgewicht des Unternehmens über den Prognosezeitraum (mindestens 1 Jahr) zu halten. Die betrieblichen Rahmenbedingungen, inklusive eventueller Sanierungsmassnahmen, müssen dabei die fristgerechte Erfüllung aller finanziellen Verpflichtungen nahe legen. Es handelt sich damit letztlich um eine Zahlungsfähigkeitsprognose.

Das Ergebnis dieser Fortführungsprognose ist entscheidend für die Ansatz- und Bewertungsmethoden der anschließenden Überschuldungsbilanz (auch „Überschuldungsstatus“ genannt). Bei einer negativen Fortführungsprognose sind die vorhandenen Vermögenswerte lediglich mit ihren Liquidationswerten anzusetzen, bei positiver Prognose hingegen mit den wesentlich höheren Fortführungswerten. Diesen Aktiva sind die bestehenden Verbindlichkeiten gegenüberzustellen. Eigenkapital ist hier nicht anzusetzen, lediglich echte Verbindlichkeiten und Rückstellungen sind zu passivieren.

In diesem Zusammenhang entfaltete sich der Streit, ob Gesellschafterforderungen aus der Gewährung eigenkapitalersetzender Leistungen als Verbindlichkeit anzusehen sind.

Das GmbHG enthält in § 32 a und b Regelungen, die die Rückgewähr von Darlehen eines Gesellschafters an die Gesellschaft während einer Krise, zu der die drohende Zahlungsunfähigkeit wegen Überschuldung zweifelsfrei gehört, hindern. Allerdings greifen diese Vorschriften nur für die Dauer der Krise und selbst im Falle der Insolvenz bleiben diese Rückgewähransprüche als Drittansprüche vorrangig vor den Forderungen anderer Gesellschafter. Damit behalten diese Forderungen trotz vorübergehenden Undurchsetzbarkeit ihren Charakter als Verbindlichkeit der Gesellschaft und sind demnach zu passivieren.

Etwas anderes kann nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH nur bei Abgabe einer Rangrücktrittserklärung gelten. Hiermit erklärt der betreffende Gesellschafter sinngemäß, er wolle mit den genannten Forderungen erst nach Befriedigung sämtlicher Gesellschaftsgläubiger und auch nicht vor, sondern nur zugleich mit den Rückgewähransprüchen seiner Mitgesellschafter berücksichtigt werden. Damit stellt er aber seine ursprüngliche Drittleistung auf eine Stufe mit den Einlagen seiner Mitgesellschafter und qualifiziert sie so zu funktionalem Eigenkapital um. Einer darüber hinaus gehenden Erklärung des Gesellschafters, insbesondere eines Forderungsverzichts bedarf es aber nicht, um eine Passivierung in der Überschuldungsbilanz zu vermeiden.

Diese Rechtsprechung ist in ihrer Klarheit zu begrüßen. Sie beseitigt vor allem endgültig die ständige zivil- und strafrechtliche Unsicherheit der Geschäftsführung, ob nicht rangrücktrittsbewehrte Gesellschafterdarlehen im Überschuldungsstatus  anzusetzen sind. Davon hängt in der Regel ganz entscheidend die Frage ab, ob Insolvenzantrag zu stellen ist oder nicht. Gerade hier standen Geschäftsführer unter vielfältigem Druck der Gesellschafter und Mitgeschäftsführer, sich eher gegen einen Insolvenzantrag zu entscheiden.  Kamen diese Geschäftsführer dann – sei es auch unter Druck – zu der sich nachträglich als falsch herausstellenden Überzeugung einer fehlenden Passivierungspflicht, hatten sie sogleich strafrechtlich mit dem Vorwurf der Konkursverschleppung und zivilrechtlich mit persönlicher Haftungsinanspruchnahme zu rechnen. Damit ist es jetzt zum Glück vorbei. Entweder die Gesellschafter (oder Drittgläubiger) erklären ihren Rangrücktritt oder es ist zwingend Insolvenzantrag zu stellen – Raum für wachsweiche Auslegungen bleibt nun nicht mehr.

 Verfasser: Rechtsanwalt und Steuerberater Andreas Jahn

 

BGH: Nachweis der Überschuldung einer GmbH durch Erstellung einer spezifischen Überschuldungsbilanz

BGH, Urt. v. 18. 12. 2000 — II ZR 191/99 (OLG Hamm)
 

Leitsätze des Gerichts:

1. Dem Anspruch auf Rückgewähr des in der Krise der GmbH gezahlten Entgelts für eine eigenkapitalersetzend wirkende Gebrauchsüberlassung steht nicht entgegen, dass der Gesellschafter der Gesellschaft Mittel (hier: „Untermietzinsen“) überlassen hat, durch welche ein Aufwendungsersatzanspruch erfüllt werden sollte, den die GmbH gegen ihn besaß.

2. Kommt es für die Feststellung der Umqualifizierung einer Gesellschafterleistung in funktionales Eigenkapital auf die Überschuldung der Gesellschaft an, wird die Gesellschaft bzw. ihr Insolvenzverwalter seiner Darlegungs- und Beweislast durch die Vorlage einer ein negatives Ergebnis ausweisenden Handelsbilanz, mag diesem Umstand auch indizielle Bedeutung beikommen können, nicht gerecht; vielmehr bedarf es grundsätzlich der Erstellung einer Überschuldungsbilanz, welche die aktuellen Verkehrs- oder Liquidationswerte ausweist.

Tatbestand:

Der Beklagte gründete Ende 1991 die M. Hutmanufaktur GmbH (im Folgenden: M. GmbH). Diese mietete zugleich ein dem Beklagten gehörendes, sanierungsbedürftiges Grundstück, welches sie teilweise selbst nutzte, teilweise im Auftrag des Beklagten „untervermietete“. Die von dem Beklagten für erforderlich angesehenen Instandsetzungs- und Verbesserungsmaßnahmen gab nicht er selbst in Auftrag, sondern verpflichtete in dem Mietvertrag die M. GmbH mit deren Ausführung. Zur Finanzierung der Baumaßnahmen nahm die M. GmbH aus öffentlichen Kassen geförderte Kredite in einer Gesamthöhe von 2 Mio. DM auf. Der Beklagte sicherte diese Darlehensaufnahme durch die Einräumung von Grundschulden und die Übernahme einer Bürgschaft ab. Im Falle der Beendigung des Mietverhältnisses sollte die M. GmbH aus der Kreditverpflichtung entlassen und an ihrer Stelle allein der Beklagte gegenüber den Darlehensgebern verpflichtet sein. Gegenüber der M. GmbH verpflichtete er sich zum Ersatz aller ihr durch die Baumaßnahmen entstehenden Aufwendungen. Soweit die eingehenden Mietzahlungen hierzu nicht ausreichten, hatte der Beklagte die erforderlichen Beträge aus seinem sonstigen Vermögen aufzubringen.

Nachdem die M. GmbH im Jahr 1992 zwischen Februar und August die Mieten regelmäßig auf das Mietkonto des Beklagten überwiesen hatte, ist sie in der Folgezeit ihre Zahlungen schuldig geblieben; lediglich am 18. März 1993 hat sie einen Betrag von 15 000 DM geleistet. Die Klägerin, die nach Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens Ende Februar 1995 zur Verwalterin berufen worden ist, hat — soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung — von dem Beklagten Erstattung der von der Gemeinschuldnerin in den beiden Jahren 1992 und 1993 gezahlten Mieten in Höhe von insgesamt 57 500 DM mit der Begründung verlangt, die Grundstücksüberlassung habe eigenkapitalersetzenden Charakter gehabt. Das Berufungsgericht hat die entsprechende Klage abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Revision der Klägerin hat der Senat nur hinsichtlich der im März 1993 gezahlten Mieten angenommen.

Entscheidungsgründe:

Da der Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war, ist durch Versäumnisurteil (§§331, 557 ZPO), aber auf Grund sachlicher Prüfung (BGHZ 37, 79, 81) zu entscheiden.

Im Umfang der Annahme ist die Revision der Klägerin begründet. Sie rügt mit Recht, dass das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft angenommen hat, die im März 1993 geleistete Mietzahlung von 15 000 DM müsse deswegen von dem Beklagten nicht erstattet werden, weil der Gemeinschuldnerin seitens des Beklagten in demselben Zeitraum „Untermietzinsen“ von mehr als 30 000 DM belassen worden sind. Mit dieser Erwägung setzt sich das Berufungsgericht zu seiner eigenen Annahme in Widerspruch, dass die dem Beklagten zustehenden „Untermietzinsen“ — wie es mit der M. GmbH bei Abschluss des Mietvertrages vereinbart worden war — dazu verwendet worden sind, die Pflicht des Beklagten zur Erstattung derjenigen Aufwendungen zu erfüllen, die der M. GmbH bei den in seinem Auftrag und in seinem Interesse als Grundstückseigentümer veranlassten Bau- und Sanierungsmaßnahmen einschließlich der Bedienung der in diesem Zusammenhang aufgenommenen Kredite entstanden sind. Dienten danach die dem Beklagten gebührenden „Untermietzinsen“ allein dazu, dessen gegenüber der M. GmbH eingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen, geht das Berufungsgericht fehl, wenn es in der Überlassung der „Untermietzinsen“ an die M. GmbH eine die Auszahlung gebundenen Stammkapitals kompensierende Leistung ihres Gesellschafters sehen will und aus diesem Grund annimmt, ein von der Klägerin auf die sog. „Rechtsprechungsregeln“ gestützter Erstattungsanspruch könne nicht bestehen.

Eine abschließende Entscheidung ist dem Senat verwehrt, weil das Berufungsgericht — von seinem abweichenden Standpunkt aus folgerichtig — nicht geprüft, sondern lediglich unterstellt hat, dass die Gesellschaft bei Bewirkung der Mietzahlung am 18. März 1993 überschuldet gewesen ist. Damit die hierzu erforderlichen Feststellungen nachgeholt werden können, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. In diesem Zusammenhang weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass die Klägerin allein mit der Vorlage der zum 31. Dezember 1992 erstellten Jahresbilanz ihrer Darlegungs- und Beweislast für das Vorhandensein einer Überschuldung (vgl. Senatsurteil v. 2. 6. 1997 — II ZR 211/95, ZIP 1997, 1648, dazu EWiR 1997, 893 (Pape)) der M. GmbH nicht nachkommen kann, weil nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. BGHZ 125, 141, 146 = ZIP 1994, 701, 702, dazu EWiR 1994, 467 (v. Gerkan); Senatsurteil v. 12. 7. 1999 — II ZR 87/98, ZIP 1999, 1524) die Überschuldungsbilanz nach anderen Kriterien als die Handelsbilanz aufzustellen ist. Abgesehen davon, dass ein negatives Ergebnis der Handelsbilanz zum maßgebenden Stichtag — mag es auch indizielle Bedeutung haben können — nicht zwangsläufig auch das Vorhandensein einer Überschuldung belegt, kann selbst bei Annahme einer Überschuldung am 31. Dezember 1992 nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden, dass die erst zu Beginn des Jahres 1995 in die Insolvenz geratene Gesellschaft im Zeitpunkt der Zahlung der Miete (18. März 1993) die Krise überwunden hatte und in der Lage war, den Betrag aus ungebundenem Gesellschaftsvermögen zu zahlen.

 

 

BGH: Passivierung von eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen ohne Rangrücktritt in der Überschuldungsbilanz

BGH, Urt. v. 8. 1. 2001 — II ZR 88/99 (OLG Düsseldorf)

Leitsätze des Gerichts:

1. Forderungen eines Gesellschafters aus der Gewährung eigenkapitalersetzender Leistungen sind, soweit für sie keine Rangrücktrittserklärung abgegeben worden ist, in der Überschuldungsbilanz der Gesellschaft zu passivieren.

2. Maßstab für die Prüfung, ob eine Zahlung des Geschäftsführers i. S. v. §64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar ist, sind nicht allein die allgemeinen Verhaltenspflichten des Geschäftsführers, sondern insbesondere auch der Zweck des §64 Abs. 2 GmbHG, Masseverkürzungen der insolvenzreifen Gesellschaft und eine bevorzugte Befriedigung einzelner Gesellschaftsgläubiger zu verhindern.

3. Zahlungen, die der Geschäftsführer dem Verbot des §64 Abs. 2 GmbHG zuwider geleistet hat, sind von ihm ungekürzt zu erstatten (Abweichung von BGHZ 143, 184 = ZIP 2000, 184, dazu EWiR 2000, 295 (Noack)). Ihm ist in dem Urteil vorzubehalten, seinen Gegenanspruch, der sich nach Rang und Höhe mit dem Betrag deckt, den der begünstigte Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätte, nach Erstattung an die Masse gegen den Insolvenzverwalter zu verfolgen. Etwa bestehende Erstattungsansprüche der Masse gegen Dritte sind Zug um Zug an den Geschäftsführer abzutreten.

Tatbestand:

Gegenstand des Geschäftsbetriebs der im Jahr 1980 gegründeten und zuletzt mit einem Stammkapital von 750 000 DM ausgestatteten S. und B. GmbH, der späteren Gemeinschuldnerin, war die Herstellung und der Vertrieb von elektrischen Anlagen. Gesellschafter und Geschäftsführer waren ursprünglich die Beklagten zu 1) und zu 2). Unter dem 25. Oktober 1993 hat der Beklagte zu 1) sein Geschäftsführeramt niedergelegt und zugleich seinen Geschäftsanteil auf seinen Sohn, den Beklagten zu 2), übertragen. Die Produktionsanlagen standen im Wesentlichen im Eigentum der S. und B. Handels GmbH & Co. KG, der Beklagten zu 3), die die Maschinen und Betriebsvorrichtungen an die Gemeinschuldnerin im Wege einer Betriebsaufspaltung zusammen mit dem durch sie selbst von einer BGB-Gesellschaft, bestehend aus dem Beklagten zu 1) und seiner Ehefrau, gemieteten Betriebsgrundstück auf Grund eines Miet- und Pachtvertrages überlassen hatte.

Erstmals im Geschäftsjahr 1991/1992 erwirtschaftete die bis dahin sehr erfolgreiche Gesellschaft ein negatives Betriebsergebnis von annähernd 1,5 Mio. DM, das nach Auflösung von Gewinnrückstellungen zum Ausweis eines nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrages von 85 702 DM in der Jahresbilanz zum 31. Januar 1992 führte. Beim nächsten Bilanzstichtag war der nicht gedeckte Fehlbetrag auf 1,272 Mio. DM angewachsen. Im November 1992 und im Mai 1993 gewährten die Gesellschafter der GmbH ein Darlehen i. H. v. jeweils 1 Mio. DM, wobei das Novemberdarlehen mit einer Rangrücktrittserklärung versehen war. Außerdem leitete die Geschäftsführung im Laufe des Jahres 1993 Umstrukturierungsmaßnahmen ein, die langfristig die Personalkosten reduzieren sollten, zunächst die Gesellschaft aber mit Abfindungszahlungen an ausscheidende Arbeitnehmer in Millionenhöhe belasteten. In der zweiten Jahreshälfte desselben Jahres mit Interessenten wegen der Übernahme des gesamten Unternehmens geführte Verhandlungen sind spätestens Mitte Dezember 1993 gescheitert. Auf den am 20. Dezember 1993 gestellten Antrag des Beklagten zu 2) hin ist am 21. Januar 1994 das Konkursverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet und der Kläger zum Konkursverwalter bestellt worden.

Dieser hat von den Beklagten mit einer einheitlichen, aber auf unterschiedliche Sachverhalte gestützten Klage Zahlung verschiedener Beträge gefordert. Nachdem das Landgericht nach §145 ZPO verfahren ist, geht es im vorliegenden Rechtsstreit um einen Anspruch auf Zahlung von 119 254 DM, den der Kläger auf folgenden Sachverhalt stützt:

Nach dem ursprünglich übereinstimmenden, erstmals gegen Ende des Berufungsverfahrens von den Beklagten bestrittenen Vortrag des Klägers bestand zwischen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten zu 3) eine seit 1981 praktizierte umsatzsteuerliche Organschaft nach §2 Abs. 2 Nr. 2 UStG. Die an die Beklagte zu 3) als Organträgerin geleisteten Miet- und Pachtzahlungen, die ihr wesentliches Einkommen ausmachten, blieben danach wegen des Organschaftsverhältnisses umsatzsteuerfrei; zu den von der Gemeinschuldnerin erzielten Umsätzen gab die Beklagte zu 3) als Organträgerin die vorgeschriebenen Umsatzsteuererklärungen ab, während die fälligen Zahlungen absprachegemäß unmittelbar von der Gemeinschuldnerin an das Finanzamt geleistet wurden. Am 10. Dezember 1993 stellte der Beklagte zu 2) für die Gemeinschuldnerin einen Scheck über 119 254 DM aus und reichte ihn bei dem Finanzamt ein, um damit die fällige Umsatzsteuervorauszahlung für den Monat Oktober 1993 zu begleichen. Der Scheck wurde am 17. Dezember 1993 eingelöst. Nach Meinung des Klägers hat die Verfahrensweise des Beklagten zu 2) nicht nur auf §64 Abs. 2 GmbHG gestützte Erstattungsansprüche gegen ihn selbst, sondern außerdem auch einen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte zu 3) ausgelöst, weil diese als Organträgerin und Steuerschuldnerin durch das Vorgehen der Gemeinschuldnerin von ihrer Umsatzsteuerverbindlichkeit befreit worden sei.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die zuletzt nur noch gegen die Beklagten zu 2) und zu 3) gerichtete Berufung des Klägers hatte gegenüber der Beklagten zu 3) lediglich i. H. v. 3 500 DM nebst Zinsen, gegenüber dem Beklagten zu 2) aber in vollem Umfang Erfolg. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten zu 2) (im Folgenden: Beklagter), der die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen will.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. 1. Das Berufungsgericht hat aus dem Umstand, dass der Beklagte am 20. Dezember 1993 den zur Verfahrenseröffnung führenden Konkursantrag gestellt und bereits in der Klageerwiderung die Umstände näher dargelegt hat, die hierfür Veranlassung gegeben haben, hergeleitet, dass die Gemeinschuldnerin Anfang Dezember 1993 überschuldet war. In der Richtigkeit dieser Beurteilung hat es sich durch die im Rechtsstreit vorgelegten Jahresbilanzen der Gesellschaft zum 31. Januar 1992 und zum 31. Januar 1993 bestätigt gesehen und hat es deswegen abgelehnt, auf den nicht nachgelassenen Schriftsatz des Beklagten vom 15. Januar 1999 die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.

2. Mit Recht macht die Revision geltend, dass diese Beurteilung nicht in allen Punkten rechtsfehlerfrei ist, ohne dass sich allerdings deswegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Gemeinschuldnerin sei Anfang Dezember 1993 überschuldet gewesen, auf Grund der bisher getroffenen Feststellungen im Ergebnis als unzutreffend erweist.

a) Schon im Ausgangspunkt hat das Berufungsgericht nicht beachtet, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (BGHZ 125, 141, 146 = ZIP 1994, 701, 703, dazu EWiR 1994, 467 (v. Gerkan); BGH, Urt. v. 12. 7. 1999 — II ZR 87/98, ZIP 1999, 1524; zuletzt BGH, Urt. v. 18. 12. 2000 — II ZR 191/99, ZIP 2001 <&Block;> (in diesem Heft)) das Vorhandensein einer Überschuldung nicht auf der Grundlage einer fortgeschriebenen Jahresbilanz, mag deren negativem Ergebnis auch indizielle Bedeutung beikommen können, festgestellt werden kann, sondern dass es hierzu grundsätzlich der Aufstellung einer Überschuldungsbilanz bedarf, in welcher die Vermögenswerte der Gesellschaft mit ihren aktuellen Verkehrs- oder Liquidationswerten auszuweisen sind.

b) Auf die Erstellung einer derartigen Überschuldungsbilanz kann auch bei einer GmbH, die lediglich als Betriebsgesellschaft fungiert, ohne eigenen Grundbesitz ist und ihre Produkte im Wesentlichen mit Hilfe gemieteter oder gepachteter Maschinen herstellt, grundsätzlich nicht verzichtet werden. Denn auch eine solche Gesellschaft kann im Einzelfall über eigenes Vermögen verfügen, das in der Jahresbilanz nicht mit den aktuellen Werten erfasst worden ist, also stille Reserven enthält. Das hat auch das Berufungsgericht, wenn auch von anderem Ausgangspunkt aus, nicht verkannt und zugunsten des insofern darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten (Senatsurt. v. 2. 6. 1997 — II ZR 211/95, ZIP 1997, 1648, dazu EWiR 1997, 893 (Pape)) als richtig unterstellt, dass der Verkehrswert der mit einem Buchwert von gut 490 000 DM erfassten Gegenstände des Anlagevermögens um mindestens 650 000 DM höher anzusetzen ist.

c) Mangels gegenteiliger Feststellungen ist zugunsten des Beklagten das Vorhandensein stiller Reserven in dieser Höhe für das Revisionsverfahren zu unterstellen. Von den zum 31. Januar 1993 ermittelten Zahlen ausgehend beträgt nach den bisherigen tatrichterlichen Feststellungen das Maß der Überschuldung an dem im vorliegenden Rechtsstreit maßgeblichen Zeitpunkt von Anfang Dezember mindestens 622 053,18 DM, wie ihn das Berufungsgericht — allerdings nicht rechtsfehlerfrei — schon für den 31. Januar 1993 als bestehend angenommen hat.

aa) Schon der Beklagte selbst hat nicht geltend gemacht, dass sich bei der grundsätzlich gebotenen Erstellung einer die aktuellen Verkehrswerte ausweisenden Überschuldungsbilanz Vermögenswerte finden ließen, die das Maß des in der Jahresbilanz ausgewiesenen Fehlbetrages über die oben behandelten stillen Reserven hinaus mindern würden.

bb) Das Maß der Überschuldung ist — anders als die Revision meint — auch nicht deswegen unrichtig ermittelt worden, weil das Berufungsgericht bei seiner Prüfung der Überschuldung bezogen auf den Monat Dezember 1993 von einem zu hohen Betrag der Passiva ausgegangen ist, indem es auch die Verbindlichkeiten aus eigenkapitalersetzenden Gesellschafterleistungen als Passiva angesetzt hat. Zwar durfte das mit einer Rangrücktrittserklärung versehene Gesellschafterdarlehen von November 1992 entgegen der Verfahrensweise des Berufungsgerichts nicht als Passivum erfasst werden, so dass die Annahme, es habe bereits zum Ende des Geschäftsjahres 1992/93 eine Überschuldung bestanden, nicht rechtsfehlerfrei festgestellt worden ist. Zu seinen Gunsten kann der Beklagte hieraus jedoch deswegen nichts herleiten, weil an Stelle des aus dem Überschuldungsstatus herauszunehmenden Gesellschafterdarlehens vom November 1992 für den hier zu prüfenden Zeitpunkt das im Mai 1993 gewährte, zweifelsfrei eigenkapitalersetzend wirkende, nicht mit einem Rangrücktritt versehene Gesellschafterdarlehen von 1 Mio. DM getreten ist und weil diese Verbindlichkeit ebenso wie die seitens der Beklagten zu 3) durch Stehenlassen in funktionales Eigenkapital umqualifizierten Mietschulden von knapp 691 000 DM in der Überschuldungsbilanz zu erfassen waren. Auf die zwischen den Parteien umstrittene und von dem Berufungsgericht nicht geklärte Frage, ob die Gemeinschuldnerin im Laufe des Jahres 1993 weitere Verluste von mehr als 900 000 DM erwirtschaftet hat, kommt es danach ebenso wenig an wie auf die bilanziellen Auswirkungen der mit Abfindungen in Millionenhöhe verbundenen Umstrukturierungsmaßnahmen des Jahres 1993.

(1) Die Frage, ob die Forderungen aus eigenkapitalersetzend wirkenden Gesellschafterleistungen in der Überschuldungsbilanz als Passiva zu erfassen sind, ist nicht nur unter der Herrschaft der InsO umstritten, sie ist schon unter der Geltung des hier einschlägigen früheren Rechts nicht einheitlich beantwortet worden (vgl. nur Hommelhoff, in: Festschrift Döllerer, S. 245, 253 ff.; Fleck, in: Festschrift Döllerer, S. 109, 122 ff.; Kleindiek, in: v. Gerkan/Hommelhoff, Handbuch des Kapitalersatzrechts 2000, S. 202 ff.; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Aufl., §64 Rz. 17 ff.; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, GmbHG, 17. Aufl., §64 Rz. 18; je mit eingehender Dokumentation; speziell zur Rechtslage unter der Geltung der InsO Altmeppen, ZHR 164 (2000), 349; Rowedder, GmbHG, 3. Aufl., §63 Rz. 14; Habersack, in: Großkomm. z. AktG, 4. Aufl., §92 Rz. 57; Hüffer, AktG, 4. Aufl., §92 Rz. 11; Lutter, ZIP 1999, 641; Kübler/Prütting/Pape, InsO, §19 Rz. 14; Kirchhof, in: HK-InsO, §19 Rz. 26; Wimmer/Schmerbach, InsO, 2. Aufl., §19 Rz. 18; Hess, InsO §19 Rz. 36). Im Schrifttum im Vordringen war dabei die Auffassung, die sich gegen eine Passivierung aussprach. Begründet wurde dies mit dem Sinn der Überschuldungbilanz festzustellen, ob das Gesellschaftsvermögen ausreiche, alle außenstehenden Gesellschaftsgläubiger zu befriedigen; da in dieser Lage die Gesellschafter Leistungen auf ihre in funktionales Eigenkapital umqualifizierten Hilfen ohnehin nicht fordern dürften, seien deren Forderungen auch in der Überschuldungsbilanz nicht zu erfassen (vgl. etwa Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., §63 Rz. 46a; Lutter/Hommelhoff, aaO, §64 Rz. 17c; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, aaO, §64 Rz. 18, der allerdings für Zweifelsfälle die Bildung einer Rückstellung fordert; ähnlich Fleischer, ZIP 1996, 773, 778 f. und Noack, in: Festschrift Claussen, S. 307, 314 f.; ferner OLG München NJW 1994, 3112 m. abl. Anm. Wolf, DB 1995, 2277). Diese Gleichsetzung von funktionalem und statutarischem Eigenkapital führt zu einer vorrangigen Berücksichtigung des Erhaltungsinteresses der Mitgesellschafter des betroffenen Gesellschafters; es belastet in Grenzfällen jedoch den Geschäftsführer mit den schadenersatzrechtlichen (§64 GmbHG) und strafrechtlichen (§84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG) Risiken der ihm abverlangten Entscheidung, ob jene Gesellschafterleistung als eigenkapitalersetzend einzustufen und ob demgemäß von der Stellung des Insolvenzantrags Abstand zu nehmen ist. Nicht zuletzt das Anliegen, den Geschäftsführer hiermit nicht zu belasten, sondern für zweifelsfreie und rechtssichere Verhältnisse zu sorgen, bewegt neben anderen Gründen die Vertreter der Gegenansicht dazu, grundsätzlich die Einstellung eigenkapitalersetzender Gesellschafterhilfen auf der Passivseite der Überschuldungsbilanz zu verlangen (vgl. etwa Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 9. Aufl., §§32a, 32b Rz. 63; ders., GmbHR, 1999, 9, 15 f.; Priester, ZIP 1994, 413, 416; Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, 2. Aufl., Rz. 610; Habersack, aaO, §92 Fußn. 77; Fastrich, in: Festschrift Zöllner, S. 143, 159 ff.; OLG Düsseldorf GmbHR 1999, 615, 617, dazu EWiR 1999, 175 (Eckardt)).

(2) In Übereinstimmung mit der Senatsrechtsprechung zur Vorbelastungs- und Jahresbilanz (BGHZ 124, 282 = ZIP 1994, 295) wird allerdings allgemein angenommen, dass sich die Frage der Passivierung von Gesellschafterforderungen mit eigenkapitalersetzendem Charakter auch beim Überschuldungsstatus dann nicht stellt, wenn der betreffende Gesellschafter seinen Rangrücktritt, also sinngemäß erklärt hat, er wolle wegen der genannten Forderungen erst nach der Befriedigung sämtlicher Gesellschaftsgläubiger und — bis zur Abwendung der Krise — auch nicht vor, sondern nur zugleich mit den Einlagerückgewähransprüchen seiner Mitgesellschafter berücksichtigt, also so behandelt werden, als handele es sich bei seiner Gesellschafterleistung um statutarisches Kapital (missverständlich Uhlenbruck, aaO, Rz. 613). Stellt sich der Gesellschafter in dieser Weise wegen seiner Ansprüche aus einer in funktionales Eigenkapital umqualifizierten Drittleistung auf dieselbe Stufe, auf der er selbst und seine Mitgesellschafter hinsichtlich ihrer Einlagen stehen, besteht keine Notwendigkeit, diese Forderungen in den Schuldenstatus der Gesellschaft aufzunehmen. Einer darüber hinausgehenden Erklärung des Gesellschafters, insbesondere eines Verzichts auf die Forderung (vgl. hierzu BT-Drucks. 12/2443 S. 115 re. Sp.) bedarf es nicht. Denn durch ihn würden — den allerdings nicht nahe liegenden Fall der Überwindung der Krise oder des Vorhandenseins eines Liquidationsüberschusses unterstellt — ausschließlich die Mitgesellschafter begünstigt, während die Interessen der außenstehenden Gläubiger durch die beschriebene Rangrücktrittserklärung ebenso gewahrt worden sind, wie dem Wunsch der Gesellschafter, die GmbH erhalten zu können, Rechnung getragen worden ist (vgl. in diesem Sinn z. B. Kleindiek, aaO, S. 209 f. m. w. N.; Uhlenbruck, aaO, Rz. 612 f. m. w. N.; Habersack, aaO, §92 Rz. 58 f.; Hüffer, aaO, §92 Rz. 11).

(3) Von dieser Ausnahme einer seitens des Gesellschafters abgegebenen Rangrücktrittserklärung abgesehen hält der Senat auch für den Überschuldungsstatus die Passivierung solcher Gesellschafterforderungen für erforderlich, die wegen ihres eigenkapitalersetzenden Charakters in der durch die Notwendigkeit der Prüfung der Überschuldungssituation gekennzeichneten Krise nicht bedient werden dürfen.

Derartige Gesellschafterforderungen verlieren nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats (BGHZ 140, 147, 153 = ZIP 1999, 65, 67 m. w. N., dazu EWiR 2000, 31 (v. Gerkan)) ihren Charakter als Verbindlichkeiten nicht; ebenso wenig wie sie mit dem Eintritt der Krise erlöschen, werden sie automatisch in dieser Situation zu statutarischem Eigenkapital. Die Umqualifizierung der von dem Gesellschafter als Drittem gewährten Leistung in funktionales Eigenkapital und das Eingreifen der von der Rechtsprechung entwickelten Eigenkapitalersatz- und der sog. Novellenregeln (§§32a und b GmbHG) hat lediglich zur Folge, dass der Gesellschafter während der Dauer der Krise seine Forderungen gegen die GmbH nicht durchsetzen darf. Nach Überwindung der Krise ist er jedoch nicht gehindert, die aus seiner Drittgläubigerstellung folgenden Rechte gegen die Gesellschaft — und zwar auch hinsichtlich der Rückstände (BGHZ 140, 147, 153 = ZIP 1999, 65, 67 f.) — zu verfolgen. Im Verhältnis zu seinen Mitgesellschaftern verliert er auch im Falle der Insolvenz der Gesellschaft diese Stellung als Gesellschaftsgläubiger nicht und kann deswegen — sofern nach Befriedigung aller anderen Gläubiger der Gesellschaft ein zu verteilender Betrag verbleibt — die bis dahin in der Durchsetzung gehemmten Ansprüche mit Vorrang vor den Forderungen der Mitgesellschafter bei der Verteilung des Liquidationserlöses geltend machen. Diese schon nach dem hier maßgeblichen früheren Recht geltenden Regeln sind in dem neuen Insolvenzrecht nunmehr in §39 Abs. 1 Nr. 5 InsO ausdrücklich niedergelegt worden.

Bereits dieser Umstand, dass auch die zeitweise nicht durchsetzbaren, weil den Eigenkapitalersatzregeln unterworfenen Gesellschafterforderungen ihren Charakter als Verbindlichkeiten der Gesellschaft beibehalten, spricht für ihren Ausweis in der Überschuldungsbilanz. Es kommt hinzu, dass das von den sich gegen eine Passivierung dieser Ansprüche aussprechenden Stimmen besonders betonte Erhaltungsinteresse der Gesellschafter (vgl. etwa Lutter/Hommelhoff, aaO, §64 Rz. 17a und 17b) gegenüber dem Interesse der Gläubiger und der Allgemeinheit an einer auf rechtssicherer Grundlage getroffenen Entscheidung über die Insolvenzreife keinen Vorzug verdient. Wenn nicht die Gesellschaft ohnehin in einer so desolaten Lage ist, dass es für die Frage ihrer Überschuldung auf die Passivierung der Forderungen aus eigenkapitalersetzend wirkenden Leistungen nicht mehr ankommt, haben es die Gesellschafter, denen an der Erhaltung der GmbH gelegen ist, in der Hand, durch Abgabe der oben näher beschriebenen Rangrücktrittserklärung deutlich zu machen, dass sie jedenfalls für die Dauer der Krise auf ihre Position als Drittgläubiger verzichten. In den Grenzfällen erhält der Geschäftsführer eine zweifelsfreie und rechtssichere Grundlage für die von ihm zu treffende Entscheidung, ob die Gesellschaft überschuldet ist und er den Insolvenzantrag stellen muss. Diese Entscheidung dem Gesellschafter abzuverlangen und mit ihr und ihren schadenersatz- und strafrechtlichen Konsequenzen nicht den Geschäftsführer zu belasten, ist auch deswegen angezeigt, weil mit ihr der Gesellschafter klarstellt, dass er die Forderung nicht in Konkurrenz zu den außenstehenden Gläubigern geltend machen, sondern seine Hilfeleistung fortsetzen und verstärken und dadurch erreichen will, dass die Gesellschaft die Chance der Krisenüberwindung bewahrt. Trifft er diese Entscheidung nicht, so gibt er der Hoffnung, als nachrangiger Gesellschaftsgläubiger wenigstens einen Teilbetrag seiner Gesellschafterhilfe zurückzuerhalten, den Vorrang und lässt es damit zu, dass die GmbH in die Insolvenz geführt wird.

Für den Geschäftsführer bedeutet dies die Befreiung von den — trotz einer ausgedehnten Rechtsprechung zum Eigenkapitalersatzrecht nach wie vor bestehenden (K. Schmidt, GmbHR 1999, 9, 15; a. A. Hachenburg/Ulmer, aaO, §63 Rz. 46a; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, aaO, §64 Rz. 18; Hommelhoff, in: Festschrift Döllerer, aaO, S. 245, 262 f.; Fleischer, ZIP 1996, 773, 776) — Unwägbarkeiten, ob eine Gesellschafterdrittleistung den Eigenkapitalersatzregeln unterliegt oder nicht; er kann den betreffenden Gesellschafter zur Abgabe einer Rangrücktrittserklärung auffordern und hat die Forderungen des Gesellschafters als Verbindlichkeiten zu passivieren, sofern er eine solche Äußerung nicht erhält.

(4) Da danach zwar das Darlehen über 1 Mio. DM vom November 1992 mit Rücksicht auf den erklärten Rangrücktritt nicht in den Überschuldungsstatus aufzunehmen war, wohl aber das gleich hohe, nicht mit einer Rangrücktrittserklärung versehene Gesellschafterdarlehen vom Mai 1993 und auch die „stehen gelassenen“ Mietschulden in Höhe von rund 691 000 DM passiviert werden mussten, hat das Berufungsgericht — auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen, die allerdings im wieder eröffneten Berufungsverfahren ggfs. ergänzt werden können — im Ergebnis zutreffend das Vorhandensein einer Überschuldung für den hier maßgeblichen Zeitpunkt bejaht.

II. Die Ausstellung und Begebung des Schecks über 119 254 DM durch den Beklagten in dieser Überschuldungssituation der Gemeinschuldnerin hat das Berufungsgericht als eine mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht in Einklang stehende Verhaltensweise (§64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG) angesehen. Hiergegen wendet sich die Revision mit Recht, weil das Berufungsgericht den Sachvortrag des Beklagten, aus dem er herleiten will, dass er sich ordnungsgemäß verhalten hat, nicht vollständig geprüft hat.

1. Zu Lasten eines Geschäftsführers, der in der in §64 GmbHG beschriebenen Lage der Gesellschaft Zahlungen aus ihrem Gesellschaftsvermögen leistet, wird allerdings vermutet, dass er dabei schuldhaft, nämlich nicht mit der von einem Vertretungsorgan einer GmbH zu fordernden Sorgfalt gehandelt hat (BGHZ 143, 184 = ZIP 2000, 184, unter II 1 b; BGH, Urt. v. 1. 3. 1993 — II ZR 81/94 (früher: 61/92), ZIP 1994, 891, dazu EWiR 1994, 789 (U.H. Schneider); BGH, Urt. v. 11. 9. 2000 — II ZR 370/99, ZIP 2000, 1896, dazu EWiR 2000, 1159 (Keil)). Nach §64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG kann er diese Vermutung durch den Nachweis widerlegen, dass die von ihm in der Insolvenzsituation bewirkte Leistung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar war. Der hierfür anzulegende Maßstab bestimmt sich nicht allein nach den allgemeinen Verhaltenspflichten eines Geschäftsführers, der bei seiner Amtsführung Recht und Gesetz zu wahren hat; er ist vielmehr an dem besonderen Zweck des §64 Abs. 2 GmbHG auszurichten, die verteilungsfähige Vermögensmasse einer insolvenzreifen GmbH im Interesse der Gesamtheit ihrer Gläubiger zu erhalten und eine zu ihrem Nachteil gehende, bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger zu verhindern (BGHZ 143, 184 = ZIP 2000, 184; BGH ZIP 2000, 1896). Soweit Leistungen des Geschäftsführers in der Insolvenzsituation eine Masseverkürzung nicht zur Folge haben oder soweit durch sie im Einzelfall größere Nachteile für die Masse abgewendet werden (vgl. dazu Hachenburg/Ulmer, aaO, §64 Rz. 42; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, aaO, §64 Rz. 73), kann deswegen das Verschulden nach §64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG ausnahmsweise zu verneinen sein. Dagegen ist das Bestreben des Geschäftsführers, sich durch die genannte Leistung einer persönlichen deliktischen Haftung, etwa aus dem Gesichtspunkt des §823 Abs. 2 BGB i. V. m. §266a StGB (vgl. dazu BGH, Urt. v. 16. 5. 2000 — VI ZR 90/99, ZIP 2000, 1339, dazu EWiR 2000, 1123 (Marxen/Elsner)), zu entziehen, kein im Rahmen des §64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG beachtlicher Umstand; vielmehr müsste in einem solchen — hier allerdings nicht gegebenen — Fall einer Pflichtenkollision das deliktische Verschulden verneint werden, wenn sich der Geschäftsführer — gemessen am Maßstab der dem Interesse der Gesamtheit der Gesellschaftsgläubiger dienenden Spezialvorschrift des §64 Abs. 2 GmbHG — normgerecht verhält.

2. Dass die von dem Beklagten veranlasste Umsatzsteuervorauszahlung für den Monat Oktober 1993 nach diesen Grundsätzen als schuldhafter Verstoß gegen die Masseerhaltungspflicht des §64 Abs. 2 GmbHG einzustufen ist, hat das Berufungsgericht nicht ordnungsgemäß festgestellt.

a) Sollte nämlich, wie der Beklagte geltend gemacht hat, zwischen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten zu 3) trotz der jahrelangen gegenteiligen Verfahrensweise keine umsatzsteuerliche Organschaft i. S. v. §2 Abs. 2 Nr. 2 UStG bestanden haben, hätte der Beklagte auf eine eigene Steuerverbindlichkeit der Gemeinschuldnerin geleistet. Jedenfalls dann, wenn diese Zahlung in derselben Höhe auch im Konkursverfahren hätte geleistet werden müssen, würde es an der Masseverkürzung fehlen, welche die tatbestandliche Voraussetzung für den geltend gemachten Ersatzanspruch ist. Das hängt u. a. von der nach der Verfahrenseröffnung vorhandenen Masse und der Höhe der ggfs. vor der Steuerschuld zu berichtigenden vorrangigen Forderungen anderer Gesellschaftsgläubiger ab. Tatrichterliche Feststellungen hierzu fehlen.

Sollte sich erweisen, dass es durch die Leistung des Beklagten zu einer Masseverkürzung gekommen ist, weil das Finanzamt dem Zweck des §64 Abs. 2 GmbHG zuwider vorrangig vor anderen Gesellschaftsgläubigern Befriedigung erlangt hat, kann der Beklagte seiner Haftung nicht mit der Erwägung begegnen, er habe durch sein Vorgehen seiner Inanspruchnahme als Haftungsschuldner nach §69 AO begegnen wollen. Einer derartigen Haftung war er schon nach den einschlägigen steuerrechtlichen Regeln nicht ausgesetzt. Denn danach war er, unabhängig von der Frage, ob die von ihm bewirkte Umsatzsteuervorauszahlung zu den vorrangig vor anderen Verbindlichkeiten zu erfüllenden Gesellschaftsschulden gehört hat (vgl. Klein/Rüsken, AO, 7. Aufl., §69 Rz. 38 m. w. N.), jedenfalls überhaupt nicht verpflichtet, in der Insolvenzsituation Zahlungen an das Finanzamt zu erbringen. Der Gefahr, nach §69 AO belangt zu werden, setzte er sich allein dann aus, wenn er den das Abgabenrecht prägenden Grundsatz der anteiligen Tilgung verletzte, also andere Gesellschaftsgläubiger vor dem Steuerfiskus bevorzugt bediente (BFH, Urt. v. 2. 3. 1993 — VII R 90/90, BFH-NV 1994, 526, 527; Beermann, DStR 1994, 805, 808 f.; Klein/Rüsken, aaO, §69 Rz. 39 m. w. N.; Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, §69 Rz. 14, 45).

b) Falls dagegen — wie die Parteien bis kurz vor der letzten mündlichen Verhandlung im zweiten Rechtszug übereinstimmend vorgetragen haben — zwischen der Beklagten zu 3) und der Gemeinschuldnerin eine umsatzsteuerliche Organschaft bestanden hat, könnte der Beklagte keinesfalls mit seiner Ansicht durchdringen, er habe den in §64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG niedergelegten Sorgfaltsmaßstab gewahrt. Denn dann wäre nicht die Gemeinschuldnerin, sondern allein die Beklagte zu 3) als Organträgerin Steuerschuldnerin gewesen. Durch die — den seinerzeit angeblich getroffenen Abreden folgende — Zahlung der Gemeinschuldnerin an das Finanzamt wäre dann einerseits die Steuerschuld der Beklagten zu 3) beglichen, zugleich aber auch deren gegenüber der GmbH bestehender Aufwendungsersatzanspruch erfüllt worden. Mit der von dem Beklagten veranlassten Bezahlung der Umsatzsteuervorauszahlung für den Monat Oktober wäre danach dem Verbot des §64 Abs. 2 GmbHG zuwider die Organträgerin wegen ihres Aufwendungsersatzanspruchs vor allen anderen Gesellschaftsgläubigern — das endgültige Bestehen einer Umsatzsteuerschuld unterstellt — masseverkürzend befriedigt worden. Dafür, dass der Beklagte in der geschehenen Weise handeln musste, um einer Inanspruchnahme der Gemeinschuldnerin nach §73 AO zu entgehen, weil die Beklagte zu 3) als Organträgerin außer Stande war, die Steuerschuld zu erfüllen, gibt der Parteivortrag nichts her, abgesehen davon, dass die Inanspruchnahme der Organgesellschaft als Haftungsschuldnerin von einer entsprechenden Ermessensausübung (§191 AO; vgl. dazu Boeker, aaO, §73 Rz. 22 ff.) seitens des Finanzamts abhängig ist. Auch in diesem Zusammenhang könnte sich der Beklagte jedenfalls nicht darauf berufen, er habe zur Abwendung seiner eigenen Haftung nach §69 AO gehandelt, weil auch insofern der oben erörterte Grundsatz der anteiligen Tilgung anwendbar wäre und er nur für eine Bevorzugung einzelner Gläubiger gegenüber dem Steuerfiskus einstehen müsste.

c) Demgemäß kommt es ggfs. darauf an, ob eine umsatzsteuerliche Organschaft nach §2 Abs. 2 Nr. 2 UStG vorgelegen hat.

Bei einer Betriebsaufspaltung, wie sie hier zwischen der Beklagten zu 3) und der Gemeinschuldnerin vorhanden war, fordert die finanzgerichtliche Rechtsprechung (BFHE 172, 541; Boeker, aaO, §73 Rz. 12; Klein/Rüsken, aaO, §73 Rz. 5), dass das überlassene Betriebsgrundstück für die Umsatztätigkeit der Organgesellschaft „besonders gestaltet, ihrem Betriebsablauf angepasst und dafür nach Lage, Größe und Bauart und Gliederung besonders zugeschnitten ist“. Dass diese Voraussetzung hier erfüllt ist, nachdem der seit 1981 von der Gemeinschuldnerin geführte Betrieb schon vorher jahrzehntelang auf demselben mit Produktionshallen, Maschinen usw. ausgestatteten Gelände betrieben worden war, lässt sich mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts nicht ausschließen.

Nach der Rechtsprechung des BFH (Urt. v. 28. 1. 1999 — V R 32/98, DStR 1999, 497) kann entgegen der von dem Beklagten im Berufungsverfahren vertretenen Ansicht auch nicht ohne nähere tatrichterliche Prüfung ausgeschlossen werden, dass es an der für eine umsatzsteuerliche Organschaft erforderlichen organisatorischen Eingliederung, nämlich einem Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen der Beklagten zu 3) und der Gemeinschuldnerin fehlt. Denn eine solche organisatorische Eingliederung wird bereits dann angenommen, wenn durch die Personenidentität der Geschäftsführungsorgane in beiden Gesellschaften sichergestellt ist, dass „eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung bei der Organtochter nicht stattfindet“.

III. Die danach gebotene Aufhebung und Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht — ggfs. nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien — die Gelegenheit, die fehlenden Feststellungen zu treffen. Für die weitere Sachbehandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

1. §64 Abs. 2 GmbHG ist, wie der Senat wiederholt ausgesprochen hat, keine Schadenersatznorm, sondern enthält einen Ersatzanspruch eigener Art (Senatsurt. v. 18. 3. 1974 — II ZR 2/72, NJW 1974, 1088; vgl. auch BGHZ 143, 184 = ZIP 2000, 184). Er ist seiner Natur nach darauf gerichtet, das Gesellschaftsvermögen wieder aufzufüllen, damit es im Insolvenzverfahren zur ranggerechten und gleichmäßigen Befriedigung aller Gesellschaftsgläubiger zur Verfügung steht. Diesem Zweck widerspräche es, könnte der Geschäftsführer, der dem Verbot des §64 GmbHG zuwider masseverkürzende Leistungen erbracht hat, auf andere Möglichkeiten der Rückführung der ausgezahlten Beträge (BGHZ 131, 325 = ZIP 1996, 420, dazu EWiR 1996, 459 (Schulze-Osterloh)) verweisen oder den Erstattungsanspruch im Voraus um den zu diesem Zeitpunkt regelmäßig nicht feststellbaren Betrag kürzen, den der durch die verbotene Zahlung begünstigte Gläubiger erhalten hätte (a. A. Roth/Altmeppen, aaO, §64 Rz. 26; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, aaO, §64 Rz. 76) oder — wie der Beklagte meint — sich gar mit einer bloßen Sicherstellung bis zum Abschluss des Insolvenzverfahrens begnügen. Vielmehr kann der Zweck der Vorschrift nur dadurch erreicht werden, dass der Geschäftsführer den ausgezahlten Betrag ungekürzt erstattet. Damit es nicht zu einer Bereicherung der Masse kommt, ist ihm in dem Urteil vorzubehalten, nach Erstattung an die Masse seine Rechte gegen den Insolvenzverwalter zu verfolgen; dabei deckt sich der ihm zustehende Anspruch nach Rang und Höhe mit dem Betrag, den der begünstigte Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätte. Soweit der Entscheidung des Senats vom 29. November 1999 (BGHZ 143, 184 = ZIP 2000, 184, 186) etwas anderes entnommen werden könnte, wird hieran nicht festgehalten.

2. Sollte sich auf Grund der erneuten Verhandlung ergeben, dass hinsichtlich der von der Gemeinschuldnerin bewirkten Umsatzsteuervorauszahlung ein Erstattungsanspruch gegen das Finanzamt besteht, kann der Beklagte von dem Kläger in entsprechender Anwendung von §255 BGB ggfs. Abtretung dieser Forderung Zug um Zug gegen Erfüllung des geltend gemachten Ersatzanspruchs verlangen.

Falls die Beklagte zu 3) dagegen bereits jene 119 254 DM vom Finanzamt erstattet bekommen haben sollte, hätte der Kläger gegen sie — gleichgültig ob eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft vorgelegen hat oder nicht — einen Aufwendungsersatz- oder Bereicherungsanspruch, den er in gleicher Weise an den Beklagten abzutreten hätte.

3. Die hilfsweise — auf Grund der Unterstellung, es liege eine umsatzsteuerliche Organschaft zwischen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten zu 3) vor — erklärte Aufrechnung mit den der Beklagten zu 3) zustehenden Erstattungsforderungen wegen der von dem Kläger vereinnahmten Umsatzsteuerrückzahlungen von zusammen 101 372,30 DM für die Monate November und Dezember 1993 greift nicht durch. Es fehlt schon an dem Vortrag, dass die Beklagte zu 3) überhaupt jene Vorauszahlungen aus ihrem Vermögen geleistet hat. Außerdem ist nicht behauptet worden, die Beklagte zu 3) habe ihren etwaigen Erstattungsanspruch gegen den Kläger an den Beklagten abgetreten und dieser habe sich ihrer Aufrechnungserklärung angeschlossen. Jedenfalls scheitert die Aufrechnung bereits an §55 Nr. 2 KO. Denn der Beklagte ist vor Eröffnung des Verfahrens nach §64 Abs. 2 GmbHG erstattungspflichtig geworden, während der Steuererstattungsanspruch, dessen sich die Beklagte zu 3) berühmt, erst nach der Konkurseröffnung, nämlich Ende des Jahres 1994 entstanden ist.

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