Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hat heute den Abschlussbericht der Expertengruppe zur Reform des Seehandelsrechts entgegengenommen. Das deutsche Seehandelsrecht soll vollständig überarbeitet und den Erfordernissen der heutigen Schifffahrt und des modernen Handels angepasst werden.
Dass Recht in Zeiten ökonomischer Globalisierung ein wichtiger Wettbewerbsfaktor sei, gelte, so die Ministerin, ganz besonders für den Seehandel, der typischerweise nationale Grenzen überschreite. Das geltende, zum Teil noch aus dem 19. Jahrhundert stammende Seehandelsrecht müsse einfacher, verständlicher und schlanker, kurz: moderner werden.
Das vor fünf Jahren eingesetzte Expertengremium hatte den Auftrag, das gesamte Seehandelsrecht des Handelsgesetzbuchs kritisch zu untersuchen und Vorschläge für eine umfassende Reform vorzulegen. Sein Bericht schlägt eine vollständige Neufassung des im Fünften Buch des Handelsgesetzbuchs kodifizierten Seehandelsrechts vor. Das derzeit geltende deutsche Recht entspreche nicht mehr den heutigen Verhältnissen in der Schifffahrt; dank moderner Technik sei die Schifffahrt beherrschbarer und vorhersehbarer als früher und die Kommunikation mit dem Schiff jederzeit möglich.
In der Praxis findet deutsches Recht auf seehandelsrechtliche Verträge oft keine Anwendung, da es durch Gerichtsstandsvereinbarungen, die Wahl einer ausländischen Rechtsordnung oder materiell-rechtliche Detailvereinbarungen abbedungen wird. Durch die Neufassung des Seehandelsrechts sollen deutsche Rechtsvorstellungen – auch bei der Ausarbeitung internationaler Regelungen – wieder mehr Beachtung finden.
Die Vorschläge zur Änderung des Handelsgesetzbuchs (HGB) im Überblick:
Vollständige Überarbeitung des Seefrachtrechts: Das neue Seefrachtrecht soll sich weitgehend am allgemeinen deutschen Frachtrecht orientieren. Neben den Stückgutfrachtvertrag als der zentralen Vertragsform der Güterbeförderung soll die Neuregelung des Reisefrachtvertrags treten. Die Bestimmungen über die Haftung für Güter- und Verspätungsschäden sollen nach dem Vorbild der neueren internationalen seefrachtrechtlichen Übereinkommen und moderner ausländischer Seerechtsordnungen, zugleich jedoch unter weitgehender Beachtung der internationalen schifffahrtsrechtlichen Übung ausgestaltet werden. Der Bericht schlägt insbesondere folgende Neuerungen vor:
- Erstmals soll eine Haftung für Verspätungsschäden eingeführt werden, die vor allem bei Vereinbarung eines bestimmten Ablieferungstermins eingreift.
- Die gesetzlichen Haftungsvorschriften sollen künftig durch Individualvereinbarung vertraglich verändert werden können, um der Vertragsgestaltung zwischen nicht schutzbedürftigen Kaufleuten mehr Raum zu geben. Bei Verwendung allgemeiner Geschäftsbedingungen soll es dagegen nur möglich sein, die für den Verfrachter geltenden Haftungshöchstsummen anzuheben oder ein Haftungsregime zu vereinbaren, das im Wesentlichen dem Luftfrachtrecht entspricht. Eine Freizeichnung durch allgemeine Geschäftsbedingungen von der Haftung für Schäden, welche die Güter in der Obhut des Verfrachters an Land erleiden, soll es künftig nicht mehr geben.
- Die bestehende Verschuldenshaftung bleibt – abweichend vom allgemeinen deutschen Frachtrecht, aber im Einklang mit der internationalen Übung – erhalten. Jedoch entfällt der nicht mehr zeitgemäße Ausschluss der Haftung für sog. nautisches Verschulden der Schiffsbesatzung.
- Die Haftungshöchstsummen für Güterschäden werden im Wesentlichen beibehalten, allerdings zur Anpassung an neuere Übereinkommen etwas angehoben.
Das Recht des den Auslieferungsanspruch verbriefenden Konnossements soll in Systematik und Terminologie näher an das Wertpapierrecht angeglichen werden. Zugleich soll das elektronische Konnossement anerkannt werden und der sog. Seefrachtbrief, der heute das klassische Konnossement zunehmend ersetzt, eine gesetzliche Grundlage erhalten.
Die Schiffsmiete (sog. Bareboat-Charter) und die Zeitcharter als in der Praxis wichtige, besondere Formen des Schiffsüberlassungsvertrags sollen erstmals ausdrücklich geregelt werden. Bei der Schiffsmiete wird ein bestimmtes Schiff ohne Besatzung und ohne vollständige Ausrüstung für eine bestimmte Zeit vermietet, während bei der Zeitcharter ein bestimmtes Schiff mit Besatzung für eine bestimmte Zeit zur Verfügung gestellt wird und mit dem Schiff vereinbarte Leistungen wie Güter- oder Personenbeförderung erbracht werden.
Vereinfachung der Regelungen über die Rechtsstellung des Kapitäns und über die Große Haverei: Die Regelungen über die Rechtsstellung des Kapitäns sollen bis auf die Befugnis des Kapitäns zur Vertretung des Reeders und eine Vorschrift über die Führung eines Schiffstagebuchs gestrichen werden. Anders als bei Erlass des HGB im Jahr 1897 kommt dem Kapitän heute keine unternehmerähnliche Stellung mehr zu. Ferner sollen die Regelungen über die Große Haverei auf einige wesentliche Grundprinzipien beschränkt werden, da die Praxis die abdingbaren gesetzlichen Regelungen nahezu durchgängig durch international vereinheitlichte allgemeine Geschäftsbedingungen (York-Antwerp-Rules) ersetzt.
Abschaffung der Partenreederei und des Verklarungsverfahrens: Die Partenreederei ist eine veraltete Gesellschaftsform des Seerechts, von der nur noch sehr selten Gebrauch gemacht wird. Eine Beibehaltung und Neugestaltung dieser Gesellschaftsform erschien nicht sinnvoll. Beim Verklarungsverfahren handelt es sich um ein in der Praxis wegen der modernen Kommunikationsmöglichkeiten weitgehend bedeutungsloses Verfahren vor deutschen Konsulaten im Ausland, mit dem der Kapitän nach einem Schiffsunfall eine Beweisaufnahme über den tatsächlichen Hergang des Unfalls herbeiführen kann.
Schließlich sollen die bislang über das Fünfte Buch des HGB verstreuten Vorschriften über die Verjährung in einem einheitlichen Abschnitt zusammengefasst und stärker mit dem allgemeinen Verjährungsrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch in Einklang gebracht werden.
Die Anforderungen der Zivilprozessordnung an den Arrest in Schiffe sollen nach dem Vorschlag der Expertengruppe nach dem Vorbild ausländischer Rechtsordnungen abgemildert werden, indem das Erfordernis eines Arrestgrundes entfällt.
Als nächsten Schritt wird das Bundesministerium der Justiz den Bericht den Wirtschaftsverbänden, den Landesjustizverwaltungen sowie sonstigen beteiligten Kreisen zur Stellungnahme zuleiten. Im Zuge dessen werden die Vorschläge der Expertengruppe ebenso wie etwaige Kritik hieran im Einzelnen geprüft werden.
Der vollständige Bericht der Expertengruppe ist auf der Internetseite des Bundesjustizministeriums unter www.bmj.de veröffentlicht.
Quelle: Bundesministerium der Justiz
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