26.08.2009 -

 

Wir hatten uns bereits mit Freiwilligkeitsvorbehalten bei Sonderzahlungen befasst. Das BAG hatte sich nun erneut mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt zu befassen und seine Rechtsprechung präzisiert (BAG, Urt. v. 21.1.2009 – 10 AZR 219/08). Die Entscheidung hat für die Praxis weitreichende Bedeutung und macht deutlich, dass der Freiwilligkeitsvorbehalt auch zukünftig genutzt werden kann und das Entstehen einer betrieblichen Übung verhindert.

 

Der Sachverhalt der Entscheidung:

Die Parteien streiten über Weihnachtsgeld für das Jahr 2006.

Der beklagte Arbeitgeber handelt mit Fahrzeugen. Die klagende Arbeitnehmerin ist bei dem Arbeitgeber als Disponentin beschäftigt. In § 3 des Arbeitsvertrages heißt es wörtlich:

„§ 3 Vergütung und Urlaub

Der Arbeitnehmer erhält ein monatliches Gehalt von 3.250,00 DM brutto. Die Vergütung wird dem Arbeitnehmer jeweils bis zum 5. des Folgemonats ausbezahlt.

Die Gewährung sonstiger Leistungen (z.B. Weihnachts- und Urlaubsgeld, 13. Gehalt etc.) durch den Arbeitgeber erfolgen freiwillig und mit der Maßgabe, dass auch mit einer wiederholten Zahlung kein Rechtsanspruch für die Zukunft begründet wird.

…“

Der Arbeitgeber zahlte der Arbeitnehmerin in den Jahren 1999 bis 2005 ein halbes Bruttomonatsgehalt als Urlaubsgeld und mit dem Gehalt für November jeweils ein halbes Bruttomonatsgehalt als Weihnachtsgeld. Im Kalenderjahr 2006 erhielten die Arbeitnehmer nur Urlaubsgeld. In einem der Gehaltsabrechnung für November 2006 beigefügten Schreiben bat der Beklagte seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um Verständnis dafür, dass er aufgrund seiner schwierigen wirtschaftlichen Lage im Jahre 2006 kein Weihnachtsgeld auszahlen könne.

Die Arbeitnehmerin hat die Beklagte wegen betrieblicher Übung auf die Zahlung des Weihnachtsgeldes, ein halbes Bruttomonatsgehalt, mit der Begründung verklagt, die Freiwilligkeitsklausel im Arbeitsvertrag sei unwirksam.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen.

 

Die Entscheidung:

Das Bundesarbeitsgericht hat die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt.

 

I. Betriebliche Übung

Unter einer betrieblichen Übung wird die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers verstanden, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Eine allgemeinverbindliche Regel, ab welcher Zahl von Leistungen der Arbeitnehmer erwarten darf, dass er die Leistung erhält, gibt es nicht. Das Bundesarbeitsgericht hat aber für jährlich an die gesamte Belegschaft geleistete Gratifikationen, z.B. Urlaubs- oder Weihnachtsgeld die Regel aufgestellt, dass bei einer dreimaligen vorbehaltlosen Gewährung eine Verbindlichkeit auch für die Zukunft entsteht.

 

II. AGB-Kontrolle

Freiwilligkeitsvorbehalte unterliegen der AGB-Kontrolle. Sie müssen daher u.a. dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 BGB genügen. Der Wortlaut muss eindeutig sein.

Der Freiwilligkeitsvorbehalt ist dabei von einer versprochenen Leistung abzugrenzen. Wird eine Zahlung fest und verbindlich zugesagt, kann sie nicht gleichzeitig freiwillig sein. Die verbindliche Zusage kann vielmehr nur mit einem Widerrufsvorbehalt versehen werden. Dieser hingegen misst sich an den Regeln des § 308 Nr. 4 BGB und im Arbeitsvertrag müssen bei einem Widerrufsvorbehalt die Gründe, in denen der Widerruf erfolgen darf, aufgeführt sein. Für den Freiwilligkeitsvorbehalt gilt dies jedoch nicht!

 

III. Freiwilligkeitsvorbehalte sind zulässig

Das BAG hat in der vorliegenden Entscheidung deutlich klargestellt, dass auch nach der AGB-Kontrolle Arbeitgeber berechtigt sind, Freiwilligkeitsvorbehalte zu vereinbaren. Arbeitgeber sind grundsätzlich in ihrer Entscheidung frei, ob und unter welchen Voraussetzungen sie zum laufenden Arbeitsentgelt eine zusätzliche Leistung gewähren möchten. Dies beinhaltet grundsätzlich, einen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers um eine in Aussicht gestellte Sonderzahlung auszuschließen.

Aber: Dieses Recht besteht nicht für laufendes Arbeitsentgelt. Ferner darf es nicht zu einer verbindlichen Zusage der Sonderzahlung gekommen sein.

 

IV. Keine Ankündigungsfristen!

Die Arbeitnehmerin wandte im vorliegenden Prozess ein, die Kürzung des Weihnachtsgeldes habe sie überrascht. Arbeitgeber sind jedoch nach dem BAG nicht verpflichtet, bereits zu Beginn des Bezugszeitraums unter Berufung auf die Freiwilligkeitsklausel anzukündigen, keine Sonderzahlung leisten zu wollen. Mangels eine Anspruchs des Arbeitnehmers bedarf es weder einer Ankündigung, um einen Anspruch des Arbeitnehmers zu Fall zu bringen, geschweige denn einer Präzisierung in der Vorbehaltsklausel, aus welchen Gründen der Freiwilligkeitsvorbehalt ausgeübt werden kann.

 

Hinweis für die Praxis:

Freiwilligkeitsvorbehalte können weiter zulässig vereinbart werden. Eine mögliche, nunmehr vom Bundesarbeitsgericht abgesegnete Formulierung, findet sich in der oben wiedergegebenen Sachverhaltsdarstellung. Solche Klauseln verhindern eine betriebliche Übung und rechtfertigen damit ihre Existenz. Keinesfalls zulässig ist aber die Kombination eines Freiwilligkeitsvorbehalts mit laufendem Entgelt. Für laufendes Entgelt gilt vielmehr die völlig anders gelagerte und deutlich strengere Rechtsprechung zu Widerrufsklauseln.

 

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