Das ThüringerOberlandesgericht hat in einem Beschluss in einem Prozesskostenhilfeverfahren – 1 UF 424/08 – vom 8. Juni 2009 zu zwei Fragen Stellung genommen, die höchstrichterlich noch nicht entschieden sind.
Die Parteien schlossen am 14. März 2000 die Ehe. Aus der Ehe ist ein gemeinsames Kind hervorgegangen, der am 19. August 2000 geborene Sohn. Die Parteien leben seit Oktober 2007 getrennt. Der gemeinsame Sohn verblieb bei der Beklagten.
Die Beteiligten streiten über Trennungsunterhalt. Der Kläger war vollschichtig im Außendienst tätig, bezog während des streiterheblichen Zeitraumes einige Zeit allerdings auch Leistungen nach SGB II. Die Beklagte war vollschichtig als angestellte Architektin tätig. Der Sohn besuchte eine Schule und im Anschluss den Hort. Danach betreute die Beklagte das gemeinsame Kind.
Das Amtsgericht verurteilte die Beklagte aufgrund ihres höheren Einkommens zu Unterhaltszahlungen. Der Kläger legte gegen die Entscheidung Berufung ein und machte höheren Trennungsunterhalt geltend. Die Berufung wurde mit einem Prozesskostenhilfeantrag verbunden. Das Thüringer Oberlandesgericht hat daher zunächst nur im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden. Dem Kläger wurde Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren gewährt, in dem er höheren Trennungsunterhalt geltend machen kann, allerdings nicht in der vom Kläger beantragten Höhe.
In dem umfassend begründeten Prozesskostenhilfebeschluss (PKH-Beschluss) hat das Thüringer Oberlandesgericht im Wesentlichen zu zwei Fragen Stellung genommen:
Der Kläger hat für gewisse Zeiten Kindesunterhalt für den gemeinsamen Sohn gezahlt, für andere Zeiten dagegen nicht. Für die Zeiträume, in denen der Kläger Kindesunterhalt gezahlt hat, stellte sich die Frage, ob der Kindesunterhalt vorab von dem Einkommen des Klägers abzuziehen ist, wodurch sich ein höherer Anspruch auf Trennungsunterhalt des Klägers ergeben hätte.
Die weitere Frage war die Bewertung der Vollerwerbstätigkeit der Beklagten. Das Amtsgericht hatte der Beklagten ein Betreuungsbonus in Höhe von 50 % des Nettoeinkommens zugebilligt. Das Thüringer Oberlandesgericht hat dem widersprochen.
Bei der ersten Frage ist unter den Oberlandesgerichten umstritten, ob geleisteter Kindesunterhalt beim verpflichteten Elternteil abgezogen werden kann, wenn durch den Abzug des Kindesunterhalts erstmalig ein Anspruch auf Ehegattenunterhalt gegenüber dem anderen Ehegatten entsteht oder sich dieser Anspruch erhöhen würde. Haben beispielsweise beide Elternteile ein Nettoeinkommen von 1.500,00 € und zahlt ein Elternteil Kindesunterhalt in Höhe von 199,00 €, könnte dieser Elternteil bei Abzug des Kindesunterhaltes den anderen Ehegatten auf Trennungsunterhalt in Höhe von (3/7 x 199,00 € =) 85,00 € in Anspruch nehmen.
Das Thüringer Oberlandesgericht hat sich den Oberlandesgerichten von Köln und Hamburg angeschlossen und einen Vorwegabzug des Kindesunterhalts abgelehnt. Der betreuende Elternteil erfülle seine Unterhaltspflicht gegenüber dem gemeinsamen Kind durch Pflege und Erziehung. Würde der Kindesunterhalt bei dem anderen Elternteil abgezogen werden und entstünde dadurch ein Trennungsunterhaltsanspruch, würde der betreuende Elternteil zusätzlich neben der Betreuung auch noch den Barunterhalt des anderen Elternteils mittelbar mitfinanzieren. Dies widerspreche der Gleichwertigkeit von Betreuungsunterhalt und Barunterhalt.
Einen Betreuungsbonus hat das Thüringer Oberlandesgericht dagegen abgelehnt. Seit der Reform des Unterhaltsrechts zum 1. Januar 2008 bestünde ein Anspruch auf Unterhalt nach der Scheidung bei der Betreuung von Kindern, die älter als drei Jahre sind, nur noch aus Billigkeit. Diese Billigkeit könnte sich aus kind- oder elternbezogenen Gründen ergeben. Der betreuende Elternteil müsse, wenn er selbst den Nachscheidungsunterhaltsanspruch gegen den anderen Elternteil geltend mache, diese kind- bzw. elternbezogenen Gründe darlegen und beweisen. Für den hier zu entscheidenden umgekehrten Fall einer Unterhaltspflicht des Ehegatten trotz Kinderbetreuung, müssten diese Grundsätze entsprechend gelten. Die beklagte Ehefrau müsse daher vortragen und ggf. beweisen, welche kind- oder elternbezogenen Gründe eine umfassendere Betreuung des Kindes gebieten. Nur wenn dieser Beweis gelinge, sei ein Teil der Einkünfte der Beklagten überobligationsmäßig und daher nicht zu berücksichtigen.
Fazit: Es spricht vieles dafür, dass sich die Auffassung des Thüringer Oberlandesgerichts zum (Nicht-)Abzug des Kindesunterhalts in der hier gegebenen Situation durchsetzen wird. Es wäre auch schwer einzusehen, dass der betreuende Elternteil mittelbar über den Trennungsunterhalt bzw. über den Nachscheidungsunterhalt die Unterhaltspflicht des anderen, nicht betreuenden Elternteils für das Kind mit zu finanzieren hat.
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