02.11.2009

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 14. Oktober 2009 – XII ZR 146/08 – zur Begrenzung sowie Befristung des Nachscheidungsunterhalts Stellung genommen.

Die Parteien waren von 1993 bis 2007 verheiratet. Aus der Ehe stammt ein in 1993 geborener Sohn. Die Antragstellerin ist Gymnasiallehrerin. Während der Ehezeit arbeitete sie allerdings nicht als Gymnasiallehrerin, sondern als Texterin in der Werbebranche. Zuletzt beliefen sich ihre Einnahmen als Cheftexterin ohne Abzug von Krankenversicherungsbeiträgen auf 4.974,38 DM (entspricht 2.543,36 €). Die Antragstellerin gab die Tätigkeit Mitte 2000 auf, da der Antragsgegner eine gut dotierte Stelle in Brüssel angenommen hatte. Nach Trennung und Scheidung arbeitete die Antragstellerin wieder als Gymnasiallehrerin, und zwar mit einem Verdienst in Höhe von 1.591,92 € bei einer 80 %-Stelle. Bei einer Vollzeitstelle würde sie ein Netto in Höhe von 1.848,19 € erzielen. Der Antragsgegner ist leitender Angestellter bei dem Europäischen Parlament in Straßburg und erzielt ein bereinigtes Netto nach Abzug des Kindesunterhalts in Höhe von 5.427,80 €.

Das Amtsgericht hat den Antragsgegner verurteilt, an die Antragstellerin nachehelichen Ehegattenunterhalt in Höhe von 1.545,70 € zu zahlen. Auf die Berufung des Antragsgegners änderte das Oberlandesgericht das Urteil für den Zeitraum ab Januar 2012 ab und setzte den ab dann zu zahlenden Nachscheidungsunterhalt auf 500,00 € Euro herab; eine Befristung des Nachscheidungsunterhalts lehnte das Oberlandesgericht ab. Die Revision des Antragsgegners hatte keinen Erfolg.

Der BGH entschied lediglich über die Begrenzung sowie die Befristung des Nachscheidungsunterhalts. Die Höhe des Unterhaltsanspruchs war nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens.

Ausgangspunkt für Begrenzung sowie Befristung des Nachscheidungsunterhalts ist der angemessene Lebensbedarf. Der angemessene Lebensbedarf ist das Einkommen des Ehegatten, das dieser ohne die Ehe und Kindererziehung zur Verfügung hätte. Wenn der Unterhaltsberechtigte diesen angemessenen Lebensbedarf mit eigenen Einkünften erreichen kann, liegen keine ehebedingten Nachteile vor. Reichen die eigenen Einkünfte des unterhaltsberechtigten Ehegatten dagegen nicht aus, das Einkommen zu erreichen, das ohne Ehe und Kindererziehung erzielt worden wäre, und wird dies auch in Zukunft so sein, scheidet eine Befristung des Nachscheidungsunterhalts grundsätzlich aus. Für diesen Fall kann der Unterhaltsanspruch des berechtigten Ehegatten nur auf die Differenz zwischen den eigenen tatsächlichen Einnahmen und demjenigen Einkommen begrenzt werden, das es ohne die Ehe sowie die Haushaltsführung bzw. Kindeserziehung gegeben hätte.

Den konkreten Fall entschied der BGH nicht nach diesen Grundlagen, sondern nach der Darlegungs- und Beweislast. Der BGH hatte schon in mehreren Entscheidungen nach der Unterhaltsrechtsreform betont, dass es sich bei der Begrenzung sowie der Befristung des Nachscheidungsunterhalts um einen Einwand des unterhaltsverpflichteten Ehegatten handelt. Der unterhaltsverpflichtete Ehegatte hat daher zunächst Tatsachen vorzutragen, die einen Wegfall der ehebedingten Nachteile und damit einer Begrenzung/Befristung des Nachscheidungsunterhalts nahelegen. Gelingt dem unterhaltsverpflichteten Ehegatten dies, liegt es wiederum am unterhaltsberechtigten Ehegatten, Tatsachen vorzutragen, aus denen sich doch ehebedingte Nachteile ableiten lassen.

Vor diesem Hintergrund gibt der BGH in dieser Entscheidung eine praktische Handreichung: Kann der unterhaltsberechtigte Ehegatte darlegen, dass seine tatsächlich erzielten bzw. erzielbaren Einkünfte hinter den Einkünften zurückliegen, die ohne Ehe und Familie bestanden hätten, sind ehebedingte Nachteile indiziert. Der unterhaltsverpflichtete Ehegatte ist dann gehalten, zur Überzeugung des Gerichts nachzuweisen, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte auch ohne Ehe und Familie diese Einkünfte nicht (mehr) hätte erzielen können.

In der konkreten Entscheidung hat der BGH anhand dieser Darlegungs- und Beweislast entschieden, dass es dem beweisbelasteten Antragsgegner (Ehemann) nicht gelungen sei, die ehebedingten Nachteile der Antragstellerin (Ehefrau) zu widerlegen. Die Antragstellerin hätte ohne den Umzug nach Brüssel ihre Tätigkeit als Cheftexterin fortsetzen können und daher jedenfalls unterhaltsrelevante Einkünfte in Höhe von netto 2.543,36 € erzielen können. Gegenwärtig könne die Antragstellerin allenfalls knapp 2.000,00 € aus einer Vollzeittätigkeit als Gymnasiallehrerin erzielen. Die Differenz zwischen den 2.500,00 € als Cheftexterin sowie den knapp 2.000,00 € als Gymnasiallehrerin seien ehebedingten Nachteile. Dem Antragsgegner sei es nicht gelungen, diese ehebedingten Nachteile zu widerlegen.

Der Unterhaltsanspruch sei nicht zu befristen. Die Differenz in Höhe von knapp 500,00 € aus dem Einkommen der Antragstellerin als Gymnasiallehrerin in Vollzeit (mit großzügig gerundeten 2.000,00 €) sowie den letzten Nettoeinnahmen als Cheftexterin in Höhe von 2.500,00 € sei nicht mehr aufzuholen.

Dagegen nahm der BGH eine Begrenzung des Nachscheidungsunterhalts der Höhe nach an. Der gegenwärtige Unterhaltsanspruch von knapp 1.500,00 € entspreche dem Unterhaltsanspruch nach den ehelichen Lebensverhältnissen aufgrund des weit überdurchschnittlichen Verdienstes des Antragsgegners. Nach einer Übergangszeit sei es der Antragstellerin zuzumuten, sich mit den finanziellen Mitteln zufrieden zu geben, die sie ohne Ehe hätte erzielen können. Aus ihrer damaligen Tätigkeit als Cheftexterin könnte sie heute ein Netto in Höhe von knapp 2.500,00 € erwirtschaften. Der BGH nahm daher eine Begrenzung des Nachscheidungsunterhalts nach einer Übergangszeit auf die Differenz zwischen 2.500,00 aus der fiktiven Tätigkeit als Cheftexterin und 2.000,00 € und der tatsächlichen Tätigkeit als Gymnasiallehrerin an, demnach in Höhe von 500,00 €.

Fazit: Der BGH gibt deutliche Hinweise auf die Dogmatik der Begrenzung sowie Befristung des Nachscheidungsunterhalts. Es sind Vergleichsrechnungen nötig. Es ist zunächst zu prüfen, welche Einnahmen der unterhaltsberechtigte Ehegatte ohne Ehe und Familie erzielen würde. Im zweiten Schritt ist zu prüfen, welche tatsächlichen Einnahmen der unterhaltsberechtigte Ehegatte erzielt bzw. erzielen könnte. Stellt sich hierbei heraus, dass die Differenz zwischen den fiktiven fortgeschriebenen Einnahmen, wie sie  ohne Ehe und Familie wären, und den tatsächlichen erzielten (bzw. erzielbaren) Einkünften nicht mehr auszugleichen ist, scheidet eine Befristung des Nachscheidungsunterhalts aus. Der Unterhaltsanspruch kann dann nur der Höhe nach auf die Differenz zwischen den tatsächlich erzielten Einkünften und den fortgeschriebenen fiktiven Einkünften ohne Ehe und Familie begrenzt werden.

Aufgrund der vom BGH herausgearbeiteten Darlegungs- und Beweislast sollte der unterhaltsverpflichtete Ehegatte die fiktiven Einkünfte des unterhaltsberechtigten Ehegatten bei Fortführung der Tätigkeit ohne Ehe und Familie darstellen und den tatsächlichen Einkünften des unterhaltsberechtigten Ehegatten gegenüberstellen. Ergibt sich hierbei eine nicht mehr aufzuholende Differenz, sollte auf die Begrenzung des Nachscheidungsunterhalts der Höhe nach hingewirkt werden. Ergibt sich eine geringfügige Differenz oder möglicherweise überhaupt keine Differenz, sollte die Befristung des Nachscheidungsunterhalts verlangt werden.

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