In der letzten Zeit häufen sich in der betrieblichen Praxis die Probleme der Personalabteilungen mit gefälschten Zeugnissen. Offensichtlich nutzen immer mehr Arbeitnehmer die mit der fortgeschrittenen Technik verbundenen Möglichkeiten, Arbeitszeugnisse oder sonstige für das Bewerbungsverfahren wichtige Urkunden zu fälschen. In einem kürzlich veröffentlichten Urteil hatte sich nun auch das Landesarbeitsgericht Köln (16. Juni 2000 – 11 Sa 1511/99 -, NZA – RR 2000, S. 630) mit dieser Problematik beschäftigt und dabei insbesondere zu klären, ob der Arbeitgeber in einem solchen Fall, also bei Einstellung eines Bewerbers aufgrund gefälschter Zeugnisse, die bereits ausgezahlte Vergütung für die letzten Monate zurückfordern kann.
Der Sachverhalt der Entscheidung:
Der klagende Arbeitgeber suchte mit einer Zeitungsanzeige im Januar 1999 einen „Computerspezialisten“ unter anderem mit CAD-Kenntnissen. Auf diese Anzeige bewarb sich der 1972 geborene Arbeitnehmer und spätere Beklagte, der im Januar 1995 die Gesellenprüfung für das Handwerk des Radio- und Fernsehtechnikers abgelegt hatte. Im Rahmen seiner Bewerbung legte er folgende Zeugnisse vor:
1. Zeugnis des Ausbildungsbetriebes „Radio S“ vom 22.02.1995,
2. Zeugnis des WDR vom 05.07.1996 über eine Aushilfsbeschäftigung als Techniker in der Zeit von Juli bis Dezember 1995 sowie
3. Zwischenzeugnis der Firma S (Unterhaltungselektronik) über eine befristete Beschäftigung als Sachbearbeiter im Kundenservice und einen anschließenden Einsatz als Servicetechniker für die Reparatur und Wartung von Camcordern.
Außerdem legte er das später von dem Arbeitgeber in seiner Echtheit bezweifelte Zeugnis vor, das unter dem 30.09.1996 auf dem Briefpapier der Firma G-GmbH (Geschäftsführer A & S) erstellt wurde und als Unterzeichner einen A angibt. Bei der Firma G-GmbH war der Arbeitnehmer auch tatsächlich im Jahre 1996 bis zum 30.09.1996 beschäftigt. Das „Zeugnis G“ bestätigte ihm eine Beschäftigung als Filialleiter, eine Angabe, die der Arbeitnehmer auch in seinen Lebenslauf übernahm. Ferner wurden ihm in dem gefälschten Zeugnis nennenswerte Erfahrungen im Computerbereich bescheinigt.
Der Arbeitgeber stellte daraufhin den Arbeitnehmer mit Arbeitsvertrag vom 30.01.1999 ab 01.03.1999 zur Installation und Schulung von Softwareprogrammen ein. Zu seinen Aufgaben sollte auch das Entwickeln von anwenderspezifischen Programmen gehören.
Am 01.04.1999 wurde dann das Arbeitsverhältnis durch fristlose Eigenkündigung des Arbeitnehmers beendet. Der Arbeitgeber nahm die Eigenkündigung an und erklärte darüber hinaus wegen arglistiger Täuschung die Anfechtung des Arbeitsvertrages mit Schreiben vom 21.04.1999. Ferner forderte er mit der Begründung, die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers sei nicht verwertbar gewesen, die für März 1999 bereits gezahlte Vergütung samt Arbeitgeberanteilen und Fortbildungskosten in Höhe von insgesamt 5.751,59 DM zurück. Daneben wurden noch weitere Schadensersatzansprüche für überlassene Arbeitsmittel in Höhe von insgesamt 2.128,00 DM geltend gemacht, von deren Darstellung wir jedoch absehen möchten, da dieser Komplex des Falles mit der hier interessierenden Frage in keinem Zusammenhang steht.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.
Die Entscheidung des LAG Köln:
Das Landesarbeitsgericht hat der Klage des Arbeitgebers insoweit stattgegeben, wie der Anspruch auf die Folgen des gefälschten Zeugnisses gestützt wurde.
I. Ausgangslage
Der Arbeitnehmer hatte sich mit Hilfe eines gefälschten Zeugnisses eine Arbeitsstelle erschlichen. Es musste ihm deshalb nicht nur die Fälschung des Zeugnisses und die arglistige Täuschung des Arbeitgebers konkret nachgewiesen werden, vielmehr musste es aufgrund des bei dem Arbeitgeber hervorgerufenen Irrtums auch zu einem entsprechenden Schaden gekommen sein (sog. Vermögensverfügung). All diese Punkte müssen deshalb von dem Arbeitgeber im Prozess im Einzelnen nachgewiesen werden, da ein Schadensersatzanspruch andernfalls scheitert.
II. Nachweis der Zeugnisfälschung
Da die Fälschung von dem Arbeitnehmer bestritten wurde, war der Arbeitgeber darauf angewiesen, eine Vielzahl von Indizien vorzutragen, die nur den einen Schluss der Fälschung zuließen. Dies ist ihm nach Auffassung des LAG auch gelungen:
So wurde in einer entsprechenden Beweisaufnahme der Geschäftsführer der G-GmbH zu dem Zeugnis befragt. Der seinerzeitige Geschäftsführer der Firma G-GmbH hatte die Urkunde nach seinem Bekunden nicht hergestellt. Eine Person namens A, die der Hersteller des Zeugnisses als Unterzeichner und damit als Verfasser angab, hatte es in der Firma G-GmbH auch nie gegeben. Insoweit war zunächst schon einmal nachgewiesen, dass das Zeugnis objektiv eine Fälschung war.
In einem weiteren Schritt ging es nun darum, dem Arbeitnehmer nachzuweisen, dass er der Hersteller der Urkunde war. Zur Bejahung dieser Frage stützte sich das Landesarbeitsgericht auf das Zusammentreffen folgender Umstände:
1. Der Arbeitnehmer war der einzige, dem dieses nunmehr unstreitig gefälschte Zeugnis nutzen konnte;
2. der Arbeitnehmer hatte in seinem früheren Arbeitsverhältnis bei der G-GmbH Zugang zum Briefpapier der Firma, auf dem das Zeugnis erstellt worden war;
3. schließlich war es offenkundig, dass der Inhalt des Zeugnisses und weite Textpassagen aus dem Zeugnis der Firma Radio S in wesentlichen Punkten abgeschrieben worden war.
So hieß es in diesem Zeugnis beispielsweise:
„Durch seine sehr ruhige und sachliche Art, Problemstellungen zu erkennen und kurzfristig kundenadäquat zu lösen, war er für alle anderen Mitarbeiter im Unternehmen immer ein kompetenter Ansprechpartner.“
In dem gefälschten Zeugnis lautete dieser Absatz wie folgt:
„Durch seine sehr ruhige und sachliche Art, Problemstellungen zu erkennen und kurzfristig kundenadäquat umzusetzen, war er für alle Kunden und Mitarbeiter in unserem Unternehmen immer ein sehr kompetenter, aufgeschlossener und freundlicher Ansprechpartner.“
Diese Identität lässt nur auf ein Plagiat schließen. Der Text ist nämlich gerade kein stereotyper Textbaustein, der sich in vielen Zeugnissen wieder findet. Vielmehr werden gänzlich unbekannte Begriffe verwendet (kundenadäquat, Ansprechpartner), die für diesen Zweck und Kontext ungewöhnlich sind. Teilweise sind sie sogar in der Formulierung auf ganz spezifische Weise unkorrekt, was sie auch aus diesem Grunde als Allgemeingut ausschließt. So ist die Vorstellung nur schwer nachvollziehbar, dass jemand Problemstellungen „ruhig und sachlich“ erkennt; diese Adverbien können sich nämlich eigentlich nur auf die Bewältigung der Probleme nach ihrem Erkennen beziehen, was dem Autor bei seinem Versuch, für „erkennen“ und „lösen“ eine einheitliche Beschreibung zu finden, offensichtlich entgangen (und misslungen) ist.
Dieses Ergebnis wurde durch eine Vielzahl weiterer Textübereinstimmungen, teilweise sogar durch die Übernahme von Rechtschreibfehlern, bestätigt. Durchweg war der Versuch des Plagiators erkennbar, dort wo durch kleinere Einfügungen von der Vorlage abgewichen wurde, stets eine Steigerung des Lobs zu erzielen.
III. Ursächlichkeit der Fälschung für die Einstellung
Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts war die Fälschung auch konkret ursächlich für die Einstellung des Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber hatte ausdrücklich einen Computerspezialisten mit CAD-Kenntnissen gesucht. Wer einen solchen Fachmann sucht, stellt niemanden ein, der neben einer Ausbildung zum Fernsehtechniker als Voraussetzung nur eine Aushilfsbeschäftigung bei einem Sender sowie die Beschäftigung mit Wartungs- und Reparaturarbeiten in der Unterhaltungselektronik mit sich bringt. Nur das gefälschte Zeugnis wies nämlich auf nennenswerte Erfahrungen im Computerbereich hin. Wer aber einen Computerspezialisten sucht, für den ist ein solcher Hinweis dann natürlich auch ausschlaggebend.
Für das LAG genügte deshalb bereits diese Annahme dafür, dass die Einstellung allein aufgrund des gefälschten Zeugnisses erfolgt war.
IV. Bereits geleistete Vergütung als Schaden?
Der Arbeitgeber bezifferte seinen Schaden in der bereits für den Monat März geleisteten Vergütung und den gezahlten Auslagen. Nach Auffassung des Arbeitgebers war nämlich die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nicht verwertbar und konnte dementsprechend auch den Kunden nicht in Rechnung gestellt werden. Der Arbeitnehmer konnte sich deshalb nicht auf die Vermutung, dass sich im Arbeitsverhältnis Leistung und Gegenleistung entsprechen, so wie sie vereinbart sind, berufen. Denn diese Vermutung kann gerade dann nicht gelten, wenn die Vereinbarung auf einer Täuschung des Bewerbers über seine Qualifikation beruht.
Im Übrigen hatte der Bewerber in dem Verfahren sogar ausdrücklich eingeräumt, dass er sich das Spezialwissen für den Geschäftszweig des Arbeitgebers gerne angeeignet hätte. Gerade dieses erforderliche – nicht vorhandene – Spezialwissen war aber für die Firma Voraussetzung für die Einstellung. Die Frage, ob sich der Arbeitnehmer die entsprechenden Kenntnisse hätte aneignen können, war für die hier zu entscheidende Rechtsfrage jedoch unerheblich.
Im Ergebnis wurde deshalb der Arbeitnehmer zu vollen Erstattung der Vergütung, der Arbeitgeberanteile und der entstandenen Fortbildungskosten verurteilt.
Leitsatz:
Ein Arbeitnehmer, der den Arbeitgeber im Rahmen seiner Bewerbung mit Hilfe eines gefälschten Zeugnisses über seine Qualifikation täuscht und dadurch seine Einstellung erreicht, kann sich gegenüber der Forderung des Arbeitgebers auf Erstattung der aufgewendeten Vergütung einschl. der Arbeitgeberanteile im Wege des Schadensersatzes nicht auf die Vermutung berufen, dass sich im Arbeitsverhältnis Leistung und Gegenleistung, so wie sie vereinbart sind, auch tatsächlich entsprechen.
Verfasser: Rechtsanwalt Dr. Besgen
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