Schwangere Arbeitnehmerinnen genießen nach § 9 Mutterschutzgesetz bekanntlich Sonderkündigungsschutz. Eine ohne Zustimmung der zuständigen Behörde erklärte Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin ist unheilbar unwirksam. Der Arbeitgeber kann die Zustimmung der Behörde aber nur dann einholen, wenn die Schwangerschaft auch bekannt ist. Kündigt er in Unkenntnis der Schwangerschaft, muss die Arbeitnehmerin ihre Schwangerschaft unverzüglich mitteilen, um den Sonderkündigungsschutz noch in Anspruch nehmen zu können. In diesen Fällen läuft aber dennoch die dreiwöchige Klagefrist des § 4 KSchG: Das Bundesarbeitsgericht hat nun klargestellt, dass sich Arbeitnehmerinnen erst bei nachträglicher Mitteilung der Schwangerschaft nicht auf die Sondervorschrift des § 4 Satz 4 KSchG berufen können (BAG, Urt. v. 19.2.2009 – 2 AZR 286/07).
Der Fall (verkürzt):
Die klagende Arbeitnehmerin war seit dem 1. Januar 1995 im Hotel des beklagten Arbeitgebers als Verkaufs- und Veranstaltungsleiterin tätig. Im Frühjahr 2005 wurde sie schwanger. In einer Bescheinigung der sie behandelnden Ärztin waren als Entbindungstermin der 27. Februar 2006 und als letzter Arbeitstag der 15. Januar 2006 angegeben.
Der Arbeitgeber kündigte mit Schreiben vom 30. Juni 2005 das Arbeitsverhältnis zum 31. Oktober 2005 und bot zusätzlich gem. § 1a KSchG für den Fall, dass keine Kündigungsschutzklage innerhalb der gesetzlichen Frist von drei Wochen erhoben wird, eine Abfindung nach dem Regelsatz an.
Die Arbeitnehmerin lies mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 7. Juli 2005 ihre Schwangerschaft mitteilen, lehnte das Abfindungsangebot nach § 1a KSchG ab und forderte eine höhere Abfindung. Der Arbeitgeber lehnte diese höhere Abfindung ab und teilte mit, aus der Kündigung keine Rechte mehr herzuleiten und bot die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses an.
Die Arbeitnehmerin lehnte dieses Angebot jedoch ab und forderte weiterhin eine über den Regelsatz hinausgehende Abfindung. Nachdem man sich auch weiterhin nicht einigte, erhob die Klägerin erst am 12. August 2005 Kündigungsschutzklage und machte hilfsweise die Zahlung einer Abfindung nach § 1a KSchG in Höhe des Regelsatzes geltend (17.385,04 € brutto).
Zur Begründung ihrer Klage hat sie unter anderem ausgeführt: Sie habe die Klagefrist nicht versäumt. Die Kündigung habe einer behördlichen Zustimmung bedurft, die dreiwöchige Klagefrist sei deshalb nicht in Gang gesetzt worden, § 4 Satz 4 KSchG.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen.
Die Entscheidung:
Das Bundesarbeitsgericht hat im Revisionsverfahren die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt.
I. Sonderkündigungsschutz wird durch Mitteilung der Schwangerschaft ausgelöst
Die Kündigung gegenüber einer Frau während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung ist nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Mutterschutzgesetz unzulässig. Voraussetzung ist jedoch, dass dem Arbeitgeber zurzeit der Kündigung die Schwangerschaft oder Entbindung bekannt war oder innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird. Zu ihrer Wirksamkeit bedarf eine Kündigung in solch einem Fall der Zulässigkeitserklärung durch die zuständige Behörde.
Die Arbeitnehmerin war hier zum Kündigungszeitpunkt schwanger und hatte diesen Umstand innerhalb von einer Woche nach Ausspruch der Kündigung fristgerecht mitgeteilt. Der Sonderkündigungsschutz wurde damit nachträglich ausgelöst.
II. Dreiwöchige Klagefrist gilt auch bei nachträglicher Mitteilung der Schwangerschaft!
Die Arbeitnehmerin war aber trotz ihrer Schwangerschaft verpflichtet, den gesetzlichen Unwirksamkeitsgrund des § 9 Abs. 1 Mutterschutzgesetz innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG vor dem Arbeitsgericht geltend zu machen. Grundsätzlich führt zwar die fehlende Zustimmung der zuständigen Stelle zur Nichtigkeit der Kündigung. Auch Unwirksamkeits- und Nichtigkeitsgründe müssen aber innerhalb der Klagefrist fristgerecht geltend gemacht werden. Die Klagefrist beginnt mit Zugang der Kündigung. Trotz Bekanntgabe der Schwangerschaft gegenüber ihrem Arbeitgeber war deshalb die Mitarbeiterin gehalten, die Klagefrist einzuhalten, um den eigentlich gegebenen Nichtigkeitsgrund geltend machen zu können. Mit Ablauf der Dreiwochenfrist wird die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam fingiert.
Die Sondervorschrift des § 4 Satz 4 KSchG steht dem nicht entgegen. Nach dieser gesetzlichen Regelung beginnt die Dreiwochenfrist bei dem Zustimmungserfordernis einer Behörde erst ab der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde. In diesen Fällen kann eine Arbeitnehmerin ohne Begrenzung durch die dreiwöchige Klagefrist das Fehlen einer Zulässigkeitserklärung jederzeit geltend machen.
Aber: Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Ausnahmeregelung des § 4 Satz 4 KSchG ist die Kenntnis des Arbeitgebers von den den Sonderkündigungsschutz begründenden Tatsachen zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung. Erlangt der Arbeitgeber erst nach Zugang der Kündigung Kenntnis von der Schwangerschaft der Arbeitnehmerin, ist § 4 Satz 4 KSchG nicht mehr anwendbar. Dies folgt aus der Wertung der gesetzlichen Regelung und auch aus einem Umkehrschluss zu § 5 Abs. 1 Satz 2 KSchG.
Hinweis für die Praxis:
Die Fristen für schwangere Arbeitnehmerinnen sind kurz. Sonderkündigungsschutz besteht nicht automatisch, sondern setzt voraus, dass der Arbeitgeber Kenntnis von der Schwangerschaft hat oder erlangt. Liegt diese Kenntnis nicht vor, muss innerhalb von zwei Wochen der Arbeitgeber informiert werden, damit der Sonderkündigungsschutz noch greift. Unabhängig davon muss innerhalb von drei Wochen Klage erhoben werden. Die Ausnahmeregelung des § 4 Satz 4 KSchG greift nur dann, wenn die Schwangerschaft vor dem Kündigungsausspruch bereits dem Arbeitgeber mitgeteilt wurde.
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