17.01.2010 -

 

Trotz einer zahlreichen Kasuistik in der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung zur rechtlichen Zulässigkeit bestimmter Zeugnisformulierungen kommt es immer wieder zu neuen Rechtsstreitigkeiten. Das Arbeitsgericht Herford hatte nun über den Inhalt eines Zeugnisses zu entscheiden, in dem der Arbeitgeber am Ende den Hinweis aufnahm, hinsichtlich Nachfragen über die Qualität der geleisteten Arbeit zur Verfügung zu stehen (ArbG Herford, Urt. v. 1.4.2009 – 2 Ca 1502/08, abrufbar unter www.justiz.nrw.de). Wir möchten die interessante Entscheidung zum Anlass nehmen, nochmals auf die Unzulässigkeit von Geheimcodes in Zeugnissen hinzuweisen.

 

Der Sachverhalt der Entscheidung:

Die klagende Arbeitnehmerin war als kaufmännische Mitarbeiterin lediglich für einen kurzen Zeitraum von etwas mehr als fünf Monaten bei dem beklagten Arbeitgeber beschäftigt. Im Schlusszeugnis verwendete der Arbeitgeber folgenden Satz:

„Gerne stehen wir jedem zukünftigen Arbeitgeber von Frau … hinsichtlich Nachfragen über die Qualität der von ihr für uns geleisteten Arbeit zur Verfügung.“

Die Arbeitnehmerin hat im Wege der Zeugnisklage beantragt, diesen Satz ersatzlos streichen zu lassen.

 

Die Entscheidung:

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben.

 

I. Keine Verwendung von Geheimcodes

Zeugnisse dürfen nach § 109 Abs. 2 Satz 2 GewO keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussagen über den Arbeitnehmer zu treffen. Verschlüsselte Aufforderungen sind unzulässig. Jede Form des beredten Schweigens ist daher zu vermeiden. Neben sprachlichen Formulierungen gehören zu den verbotenen Codes vor allem bestimmte Zeichen, die Benutzung bestimmter Schreibstifte, bestimmter Stempel oder optischer Hervorhebungen von Textstellen. Teilweise wird auch die Verwendung von Wörtern außerhalb jeder sprachlichen Bedeutung als unzulässiger Geheimcode angesehen.

 

Hinweis für die Praxis:

Die Erfahrung zeigt, dass viele Arbeitnehmer große Sorge vor der Verwendung von Geheimcodes haben, Arbeitgeber hingegen solche Geheimcodes regelmäßig nicht verwenden wollen. Weicht der Zeugnistext sprachlich von üblichen Formulierungen ab, kommt es daher oftmals zu Missverständnissen über den Sinn und die Bedeutung der Formulierungen. Der Praxis ist daher zu empfehlen, sich in der üblichen Zeugnissprache zu bewegen und bei der Verwendung von selten gebräuchlichen Wörtern oder Formulierungen besondere Sorgfalt walten zu lassen.

 

II. Objektiver Maßstab ausschlaggebend

Im vorliegenden Fall wurde dem Zeugnisberichtigungsanspruch stattgegeben. Der Arbeitgeber beteuerte zwar im Verfahren mehrfach, es im Zeugnis nur gut gegenüber der Klägerin gemeint zu haben. Der objektive Zweck und die objektive Aussage des fraglichen Satzes waren jedoch anders zu werten. Ein dritter, objektiver und besonnener Leser des Zeugnisses kann das Angebot des Arbeitgebers, für Nachfragen über die Qualität der von der Arbeitnehmerin für den Arbeitgeber geleisteten Arbeit zur Verfügung zu stehen, nur als verschlüsselte Aufforderung verstehen, dass die im Zeugnis wiedergegebene Leistungsbeurteilung tatsächlich nicht den wirklichen Leistungen entsprechen soll. Das ausdrückliche Angebot der Arbeitgeberseite im Zeugnis, für Leistungsnachfragen betreffend der Arbeitnehmerin zur Verfügung zu stehen, ist derart ungewöhnlich undüberraschend, dass damit dem Leser des Zeugnisses tatsächlich eine andere Aussage über die Leistungsqualität suggeriert wird, als sich aus der äußeren Form und dem Wortlaut des Zeugnisses tatsächlich ergibt. Dies mag der Arbeitgeber subjektiv anders sehen, objektiv ist aber der entsprechenden Passage im Zeugnis kein anderer Wertungsinhalt beizumessen.

 

Fazit:

Zeugnisse sind klar, deutlich und unmissverständlich zu formulieren. Die Verwendung von Geheimcodes ist unzulässig. Im Zweifelsfall kommt es auf das objektive Verständnis einer Formulierung an, nicht auf den subjektiven Willen des Zeugnisverfassers.

 

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