I.
Was ist Rating? Wozu betreiben Banken Rating?
Gerade mittelständische Unternehmen sind oft auf die Versorgung mit Fremdkapital durch Banken angewiesen, um betriebliche Modernisierungen oder Erweiterungen finanzieren zu können. Zur Zeit sind Risikokredite nach der bislang geltenden Eigenkapitalvereinbarung des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht mit acht Prozent Eigenkapital durch die vergebenden Kreditinstitute zu unterlegen. Die Möglichkeiten, solche Kredite zu erhalten, wird sich in den nächsten Jahren vermutlich enorm erschweren, sofern das kreditnehmende Unternehmen keine ausreichende Bonität aufweisen kann.
Der Grund hierfür nennt sich im Fachjargon Rating und kann kurz mit „individueller Bonitätseinstufung nach erfolgter Bonitätsprüfung“ übersetzt werden. Es ist der Prozess der Urteilsfindung über die wirtschaftliche Fähigkeit eines Kreditnehmers, auch in Zukunft seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Dieser Begriff entstammt der im Januar vom Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht vorgelegten Neuregelung der internationalen Kriterien für die Kreditvergabe (kurz: Basel II), die nach einer Übergangszeit von drei bis vier Jahren in Kraft treten wird, voraussichtlich im Jahr 2005.
Der Baseler Ausschuss, welcher bei der Bank für internationalen Zahlungsausgleich angesiedelt und von den Notenbankgouverneuren der zehn führenden Industrienationen (G 10) besetzt ist, besteht aus Vertretern der Bankenaufsichtsbehörden dieser Länder sowie Luxemburgs. Die Baseler Eigenkapitalvereinbarung enthält Empfehlungen an international operierende Kreditinstitute dieser Länder und wurde von rund 100 Staaten übernommen. Basel II sieht vor, die Eigenkapitalhinterlegung der von den Banken gewährten Kredite an den tatsächlichen ökonomischen Risiken und damit an der Bonität des Kreditnehmers auszurichten. Dazu ist ein Rating des Unternehmens erforderlich. Untersucht und bewertet werden dabei unter anderem
– die aktuelle Finanz- und Ertragslage
– die Brancheneinschätzung
– die Wettbewerbsposition
– die Qualität des Managements einschließlich Unternehmensnachfolgeregelungen
– die Kontoführung (das „Finanzgebaren“)
– aber auch die Rechtsform des Unternehmens (Haftung der Gesellschafter …).
Anhand der Rating-Ergebnisse werden die Unternehmen dann in verschiedene Risikogruppen eingeteilt. Danach bestimmt sich, mit wieviel Eigenkapital die Bank einen Kredit mit dem jeweiligen Unternehmen zu unterlegen hat. Ein Kredit mit einem Unternehmen in der besten Risiko-Einstufung würde dann gegenüber jetzt 8% vielleicht nur noch eine Eigenkapitalunterlegung von 8% * 25% = 2% durch die Bank benötigen. Folglich wäre die Bank in der Lage, bedeutend mehr Kredite an Unternehmen mit gutem Rating-Ergebnis zu vergeben. Ein vereinfachtes Beispiel mag das verdeutlichen:
Verfügt ein Kreditunternehmen über eine Eigenkapitalunterlage von bspw. DM 1 Mio., kann es bei heutiger 8%-Vorgabe einen maximalen Kreditrahmen von DM 12,5 Mio. ausgeben und bei einem unterstellten Gewinn (Marge) von 1% des Kreditvolumens max. DM 125.000,00 Gewinn erzielen. Bei einem Unternehmen mit sehr guter Bonität (hohes Rating-Ergebnis) und dann bspw. geltender 2%-Vorgabe, könnte das Kreditunternehmen einen Kreditrahmen von DM 50 Mio. ausgeben und so selbst bei einem zu Lasten der eigenen Marge verbilligtem Kredit (Marge z.B. nur noch 0,5%) einen doppelt so hohen Gewinn von DM 250.000,00 erzielen. Gilt bei einem schlecht „gerateten“ Unternehmen hingegen eine 16%-Vorgabe (= 8% * 200%), kann nur noch ein Kreditvolumen von DM 6,25 Mio. ausgegeben werden, bei einem zu erwartendem Maximalgewinn von DM 62.500,00 – bei einem gleichzeitig bestehenden besonders hohem Kreditausfallrisiko des Kreditunternehmens.
Ein solches Rating wird deshalb in absehbarer Zeit für wohl alle mit Bankkrediten arbeitenden Unternehmen und vor allem für den Mittelstand ein Muss, darüber sind sich viele Experten einig. Und über noch etwas ist man sich einig: Nicht wenige Mittelständler wissen bis heute noch nichts bzw. nur unzureichend davon, dass sich in nächster Zeit die Finanzierungsbedingungen für sie erheblich ändern werden.
II.
Die Folgen von Rating
Die Folgen von Rating zeichnen sich indes schon deutlich ab. Demnach werden sich vor allem mittelständische Unternehmen bald einem erheblichen Druck ausgesetzt sehen, an einer Bonitätsprüfung teilzunehmen. Die Kredite für bonitätsstarke Unternehmen werden preiswerter und für bonitätsschwache deutlich teurer. Denn für Kreditinstitute wird es – wie das Beispiel zeigt – wirtschaftlich gesehen wesentlich interessanter, Kredite an Schuldner „guter Qualität“ zu vergeben, wenn hierfür weniger Eigenkapital gebraucht und damit insgesamt mehr Kredite vergeben werden können. Nahezu völlig uninteressant für Kreditinstitute wird voraussichtlich die Begleitung von Unternehmen in der Krise und Sanierung. Die Sanierungskredite dürften so teuer werden, dass sie eine Sanierung erst recht erschweren.
Auf der anderen Seite lassen sich die Fremdkapitalkosten im Unternehmen erwartungsgemäß deutlich senken, wenn das Unternehmen mit einem guten Rating-Ergebnis aufwarten kann. Ein weiteres Beispiel soll die Chancen verdeutlichen.
Kalkulierte ein Kreditinstitut die vom Kunden verlangten Zinsen im Rahmen einer unternehmensweiten und kreditnehmerübergreifenden Mischkalkulation (vereinfacht!) etwa wie folgt:
Refinanzierungszins 4,00%
Marge 1,00%
Risikozuschlag 2,00%
= Marktzins 7,00%
kann bei einem sehr guten Rating-Ergebnis die Kalkulation etwa wie folgt aussehen:
Refinanzierungszins 4,00%
Marge 0,50%
Risikozuschlag 0,25%
= Marktzins 4,75%
und bei ungünstigem Rating-Ergebnis:
Refinanzierungszins 4,00%
Marge 2,00%
Risikozuschlag 8,75%
= Marktzins 14,75%
Derselbe Kredit würde das letzte Unternehmen 10% mehr Zinsen kosten, also schon DM 100.00,00 jährlich (!) bei einem Kreditvolumen von lediglich DM 1 Mio. Und Kreditunternehmen sprechen hinter vorgehaltener Hand schon über Risikozuschläge von bis zu 14% – was die Kredite unbezahlbar und damit bspw. in der Krise auch unrealistisch macht.
Das Unternehmensinteresse sollte also auch im Hinblick auf die Senkung des Zinsaufwands für Fremdkapital auf die Rating-Optimierung ausgerichtet werden.
Weiter ist zu befürchten, dass der Stellenwert konventioneller Kreditsicherheiten sinken dürfte, da das Rating-Ergebnis hiermit nicht wesentlich beeinflusst werden kann. Insgesamt könnte sich das Kreditangebot für den Mittelstand vermindern, da sich einige Kreditinstitute vermutlich aus dem traditionellen Betriebsmittel- und Investitionskreditgeschäft zurückziehen werden. Andere Banken werden möglicherweise nur noch Kredite in Verbindung mit Zusatzgeschäften wie etwa Provisionseinnahmen vergeben oder spezialisierten sich vermehrt auf das traditionelle Kreditgeschäft und bauten es aus.
Mit anderen Worten: Ein Teil der Unternehmen wird profitieren, da sie als Kreditnehmer mit guter Bonität günstigere Konditionen erhalten werden. Mit deutlich höheren Kreditzinsen werden es aber auf der anderen Seite diejenigen bezahlen, welche ein höheres Risiko haben.
III.
Externes oder internes Rating?
Unklar ist jedoch noch, ob diese Bewertung des Unternehmens durch die kreditgebende Bank (also intern) oder durch eine kompetente und neutrale Institution (externe Agentur, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater – die Zulassungskriterien sind noch unklar) erfolgen soll.
Große amerikanische Rating-Agenturen reagieren und beginnen langsam, sich nicht mehr nur für große Konzerne, sondern auch für mittelständische Unternehmen zu interessieren. Zudem sind in letzter Zeit im Inland eine ganze Reihe von deutschen Agenturen entstanden, die überwiegend mittelständischer Kundschaft Ratings zu moderaten Preisen anbieten. Allerdings sollte besonderer Wert auf einen anerkannten und seriösen Rater gelegt werden.
Für die Entscheidung zu einem externen Ratings bei der Kreditvergabe sprechen gute Gründe: Mit den Ergebnissen eines externen Ratings könnten mittelständische Unternehmen mehrere verschiedene Kreditinstitute aufsuchen und deren Konditionen abfragen. Ein externes Rating vergrößert somit die Auswahl an Fremdmittel-Anbietern. Andererseits fürchten Unternehmer die Kosten einer externen Agentur, weil das die Kosten eines Kredits weiter verteuern würde, denn schließlich sei ein solches externes Rating auch unnötig, da es für die Kreditinstitute den Druck geben werde, ihre Kreditnehmer selbst realistisch einzuschätzen. Diese Bedenken überzeugen allerdings nicht, weil auch die Kosten des internen Ratings anfallen und nur versteckt auf die Kreditkosten umgelegt werden. Zudem kann ein externer Rater zugleich als Berater des Unternehmens agieren und eine Schwachstellenanalyse betreiben. Die so offenbarten strukturellen und betriebswirtschaftlichen Schwächen, die zu einer Abstufung geführt oder eine Höherstufung verhindert haben, können so erkannt und beseitigt werden.
Bringt also ein erstes externes Rating nicht die gewünschten Einstufung, geschieht das noch anonym – auch gegenüber der Bank. Dem Unternehmer bleibt jetzt Zeit, die Fehler mit Hilfe seiner Berater abzustellen und ein für ihn optimales Rating-Ergebnis vorzubereiten. Das hierauf folgende zweite Rating sollte dann „bankentauglich“ sein. Dieser Weg erscheint bei internem Rating allerdings kaum gangbar.
IV.
Ausblick und Empfehlung
Mit der Einführung des Rating ist damit zu rechnen, dass das Eigenkapital im Mittelstand in Zukunft einen deutlich höheren strategischen Stellenwert einnehmen wird, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Mit einer Verstärkung der Eigenmittel lassen sich die Bonität erhöhen und damit gleichzeitig die Rating-Kategorie und die Kreditwürdigkeit verbessern, was zu erheblichen Kreditverbilligungen und entsprechenden Einsparungen führen wird.
Und nicht nur bei der Kreditvergabe, sondern auch bei der Auftragsvergabe könnten Ratings in Zukunft eine bedeutende Rolle spielen. So hat jüngst beispielsweise BMW in einem Rating-Modellprojekt zwei Zuliefererfirmen gesucht, die sich freiwillig raten lassen. Falls das Projekt die gewünschten Ergebnisse zeigt, so könnte BMW möglicherweise künftig von allen Zulieferern Ratings verlangen, vermutet man. Für den Konzern hätte das nämlich den Vorteil, die Zuverlässigkeit des jeweiligen Unternehmens prüfen und sich so vor Lieferengpässen und plötzlichen Pleiten schützen zu können. Für die Zulieferer würde das natürlich den Konkurrenzdruck verschärfen.
Sorge bereitet zudem die Situation von Existenzgründern oder Fällen von Unternehmenskrisen, wenn Kredite in Zukunft je nach Risiko unterschiedlich teuer werden. Zu befürchten ist, dass Firmengründungen in risikoträchtigen Branchen und Sanierungen zumindest über Banken nur noch schwer finanzierbar sind.
Eine offene Frage ist auch, was passiert, wenn ein Unternehmen ein gefordertes Rating verweigert. Wird es ohne Rating einen Kredit bekommen? „Nein“, sagen Rating-Befürworter. Schon heute unterliege bereits jedes Kreditgeschäft einem internen Rating durch den Kreditgeber, also in der Regel der Hausbank. Das bleibe auch künftig so, nur nach anderen Regeln und verfeinerten Bewertungssystemen. Das heißt aber wohl mit anderen Worten: Wer bei der Beantragung eines Kredites bei seiner Hausbank keine Ergebnisse eines externen Ratings einer seriösen Agentur vorlegen kann, wird von der Hausbank intern geratet – wie immer schon – das stimmt vielleicht, aber nun nach völlig neuen Regeln und Bewertungssystemen.
Die Empfehlung kann danach nur lauten:
Machen Sie sich bereits heute mit Rating vertraut und bereiten Sie Ihr Unternehmen auf eine für Sie optimale Rating-Ausgangsposition vor. Sprechen Sie mit Ihrem in Wirtschaftsfragen erfahrenen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer und analysieren und eliminieren Sie rechtzeitig vor einem „Zwangsrating“ die Schwachstellen. Ihr Berater kann Ihnen die spezifischen, neuralgischen Punkte nennen, auf die es im Rating-Verfahren ankommt, und eine auf Ihr Unternehmen maßgeschneiderte Strategie zu Verbesserung Ihres Rating-Ergebnisses entwickeln. Das kann zukünftige Fremdkapitalkosten ganz massiv senken oder aber eine Kreditvergabe überhaupt erst ermöglichen.
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