19.01.2010

I.        Der Fall

Bei der Klägerin handelt es sich um eine Gemeinschaftspraxis von Augenärzten. Anlässlich einer Betriebsprüfung stellte der Prüfer fest, dass die Klägerin Lasik-Behandlungen zur Korrektur einer Fehlsichtigkeit durchgeführt und diese Umsätze als steuerfrei gem. § 4 Nr. 14 UStG behandelt hatte. Die Bezahlung der Behandlungskosten erfolgte durch die Patienten, eine Übernahme bzw. Erstattung der Kosten durch Sozialversicherungsträger, Krankenkassen, Beihilfestellen o.ä. erfolgte nicht. Diese Leistungen waren nicht im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen enthalten. Der Prüfer vertrat die Auffassung, dass es sich hierbei um sog. Schönheitsoperationen handele, die nicht der medizinischen Behandlung einer Krankheit oder einer anderen Gesundheitsstörung dienten und deshalb nicht umsatzsteuerbefreit seien. Entsprechend den Prüfungsfeststellungen erließ das beklagte Finanzamt USt-Festsetzungen. Hiergegen wendete sich die Klägerin nach erfolglosem Widerspruch mit der Klage zum FG Münster.

II.       Die Entscheidung

Das FG Münster behandelte die Umsätze aus der Laserbehandlung als gem. § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei und gab der Klage statt (Finanzgericht, Urteil vom 08.10.2009, 5 K 3452/07 U).

Nach § 4 Nr. 14 UStG sind u.a. die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt von der Umsatzsteuer befreit.

Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin / heilberufliche Tätigkeit

§ 4 Nr. 14 UStG beruht auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG (so auch die Regierungsbegründung zu § 4 Nr. 14 UStG). Die Bestimmung des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c lautet:

„(1) Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedsstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:

c) die Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedsstaat definierten ärztlichen oder arztähnlichen Berufe erbracht werden.“

Der Richtlinientext des Buchstaben c) entspricht dem Wortlaut des Art 132 Abs. (1) Buchstabe c) der aktuell gültigen Mehrwertsteuer-System-Richtlinie (Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom 28. November 2006).

Diese Bestimmung ist nach der Rechtsprechung des EuGH dahingehend auszulegen, dass medizinische Leistungen, die nicht in der medizinischen Betreuung von Personen durch das Diagnostizieren und Behandeln einer Krankheit oder einer anderen Gesundheitsstörung bestehen, nicht in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fallen; befreit sind nur diejenigen Leistungen, deren Zweck der Schutz der menschlichen Gesundheit ist; die befreiten Leistungen müssen der medizinischen Behandlung einer Krankheit oder einer anderen Gesundheitsstörung dienen. Nur medizinisch nicht indizierte Eingriffe werden nicht in Ausübung der heilkundlichen Tätigkeit erbracht und sind nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers nicht nach § 4 Nr. 14 UStG von der Umsatzsteuer befreit.

Maßgebend für die Qualifizierung einer Leistung als „heilberufliche Tätigkeit“ ist das jeweils mit der Leistung verfolgte Ziel

Wird eine solche Leistung in einem Zusammenhang erbracht, der die Feststellung zulässt, dass ihr Hauptziel nicht der Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit ist, findet die Befreiung keine Anwendung. Dass die betreffende Leistung von einer Person erbracht wird, die die für Heilbehandlungen erforderlichen beruflichen Voraussetzungen erfüllt, und dass die Person sich derselben Methoden wie bei Heilbehandlungen bedient, reicht ebenso wenig aus wie der Umstand, dass die mit einem anderen Hauptzweck vorgenommene Tätigkeit zugleich auch zum Schutz der Gesundheit des Betroffenen beigetragen hat (BFH-Beschluss vom 31. Juli 2007 V B 98/06, BStBl II 2008, 35).

Laserbehandlungen (Lasik-Operationen) als heilberufliche Tätigkeit

Die Fehlsichtigkeit findet sich als katalogisierte Krankheit unter der Klassifizierungsnummer H 54.2 und H 54.5 des ICD-10 Codes (International Classification of Diseases and Related Health Problems). Die Laserbehandlung dient der Beseitigung der Fehlsichtigkeit und führt damit operativ zur Heilung einer Krankheit. Anders als die Hilfsmittel „Brille“ und „Kontaktlinsen“ bietet diese Behandlung eine Heilung der Krankheit.

Der von Finanzamt gezogene Vergleich mit medizinisch nicht indizierten Schönheitsoperationen greift nicht, weil diese gerade nicht dem Zweck der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen.

Fehlende Kostenübernahme durch Krankenkassen ist umsatzsteuerlich unbeachtlich

Der Umstand, dass die Kosten der Lasik-Behandlungen von den Krankenkassen nicht übernommen werden, steht dem nicht entgegen. Zwar stellt die Übernahme der Kosten einer Behandlung im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen ein gewichtiges Indiz für die medizinische Indikation der Behandlung dar. Es kann aber im Umkehrschluss aus einer Nichtaufnahme einer Behandlung in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen nicht geschlossen werden, dass eine medizinische Indikation nicht vorliegt. Die Frage der Übernahme von Behandlungskosten – gerade auch bei neuen und kostenintensiven Verfahren – richtet sich nicht in jedem Fall nach der medizinischen Notwendigkeit, sondern ist auch von finanziellen Kostengesichtspunkten beherrscht. So werden medizinisch indizierte Kosten zum Teil auf die Patienten umgelegt (Praxisgebühr, Zuzahlungen bei Medikamenten, Zahnbehandlungen und Hilfsmitteln). Neue und kostenintensive Behandlungsmethoden werden oftmals erst nach geraumer Zeit und einer gerichtlichen Klärung in den Leistungskatalog aufgenommen.

Kein individueller Nachweis einer medizinischen Indikation erforderlich

Entgegen der Auffassung des Finanzamts bedurfte es auch nicht im Einzelfall eines Nachweises der medizinischen Indikation, denn die Lasik-Operationen dienten allein der Behandlung der Fehlsichtigkeit und damit einer Krankheit.

III.      Fazit

Augenärzte, die wegen der Umsätze aus Lasik-Behandlungen zur Umsatzsteuer veranlagt werden, sollten die Bescheide unter Berufung auf die insgesamt überzeugende Entscheidung des FG Münster in jedem Fall angreifen. Die Erfolgsaussichten stehen gut.

Lorbeerkranz

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  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuer­recht“
    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2022/2023)

  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuer­recht“
    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2017-2021)

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