25.01.2010 -

 

Das Bundesarbeitsgericht hatte sich bereits im Jahre 2007 mit der Frage zu beschäftigen, ob der Anspruch nach § 1a KSchG einem Arbeitnehmer auch für eine nach Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist eingereichte Kündigungsschutzklage und einem Antrag des Arbeitnehmers auf nachträgliche Klagezulassung zusteht. Diese Rechtsprechung hat der zuständige Zweite Senat nun fortentwickelt. In einer Entscheidung vom 20. August 2009 (BAG, Urt. v. 20.8.2009 – 2 AZR 267/08) hatte ein Arbeitnehmer ebenfalls die Klage erst nach Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist eingereicht, aber keinen Antrag auf nachträgliche Zulassung gestellt. Das BAG hat auch für diesen Fall den Abfindungsanspruch abgelehnt.

Der Fall:

Der seit 2001 bei dem beklagten Arbeitgeber beschäftigte Arbeitnehmer wurde mit Schreiben vom 19. Juni 2006 zum 31. Dezember 2006 gekündigt. Im Kündigungsschreiben heißt es u.a.:

    „Bei Verstreichen der dreiwöchigen Klagefrist können Sie eine Abfindung beanspruchen. Die Höhe der Abfindung beträgt 0,5 Monatsverdienste für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses (Zeiträume von mehr als sechs Monaten werden auf ein Jahr aufgerundet). Nach unserer Berechnung ergibt sich daher ein Abfindungsanspruch in Höhe von € 3.424,68. Für den Fall eines Kündigungsschutzverfahrens bleibt dieses Abfindungsangebot nicht aufrecht erhalten.“

Das Kündigungsschreiben ging dem Arbeitnehmer am 29. Juni 2006 zu. Am 7. August erhob er Kündigungsschutzklage, also nach Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist. Er gab in der Klageschrift an, die Kündigung sei ihm erst am 17. Juli 2006 zugegangen. Das Angebot einer Abfindung in der angebotenen Höhe lehne er ab. Am 21. August 2006 nahm der Kläger die Klage zurück.

Er hat die Auffassung vertreten, ihm stehe ein Abfindungsanspruch nach § 1a KSchG zu. Der Anspruch setze lediglich das Verstreichenlassen der dreiwöchigen Klagefrist des § 4 KSchG voraus. Wenn später Klage erhoben werde, stehe das dem Abfindungsanspruch nicht entgegen. Es komme auch nicht darauf an, dass er zunächst davon ausgegangen sei, rechtzeitig Klage erhoben zu haben.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen.

Die Entscheidung:

Das Bundesarbeitsgericht hat im Revisionsverfahren die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt.

I. Kein Anspruch bei nachträglicher Klagezulassung

Der Abfindungsanspruch nach § 1a KSchG entsteht nach dem Wortlaut der Regelung nicht, wenn der Arbeitnehmer die Kündigung mit einer Klage angreift. Die gesetzliche Regelung will gerichtliche Auseinandersetzungen der Arbeitsvertragsparteien vermeiden und den Parteien eine einfache, effiziente und kostengünstige außergerichtliche Möglichkeit zu einem angemessenen Interessenausgleich zur Verfügung stellen. Diesem Zweck entspricht es, einem Arbeitnehmer die Abfindung zu versagen, wenn er eine gerichtliche Auseinandersetzung eingeleitet hat. Dies gilt auch für eine nach Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist eingereichte Kündigungsschutzklage und einen Antrag des Arbeitnehmers auf nachträgliche Klagezulassung nach § 5 KSchG.

Zwar regelt § 1a KSchG diesen Fall nicht ausdrücklich. Aus dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung folgt aber, dass ein Anspruch mit der Antragstellung auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage entfällt. Der Arbeitgeber sähe sich ansonsten durch den nachträglichen Klagezulassungsantrag nunmehr doch mit einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses konfrontiert, die er gerade mit dem Angebot einer Abfindungszahlung vermeiden wollte.

II. Rücknahme der Klage ändert hieran nichts

Durch die Rücknahme der Kündigungsschutzklage werden die Voraussetzungen des § 1a KSchG ebenfalls nicht mehr erfüllt. In der Zivilprozessordnung ist zwar geregelt (vgl. § 269 Abs. 3 S. 1 ZPO), dass ein Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen ist,

wenn die Klage zurückgenommen wird. Diese zivilprozessuale gesetzliche Fiktion hat aber keine Auswirkungen auf den Abfindungsanspruchs. Andernfalls würde das gesetzgeberische Ziel unterlaufen, einen Abfindungsanspruch bei betriebsbedingter Kündigung nur im Falle der Vermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung zu begründen. Der Arbeitnehmer soll gerade nicht zunächst die Entwicklung des Kündigungsschutzprozesses abwarten und die Klage bei sich abzeichnender Erfolglosigkeit zurücknehmen dürfen, um doch noch in den Genuss der vom Arbeitgeber nach § 1a KSchG angebotenen Abfindung kommen zu können.

III. Verspätete Klageerhebung löst ebenfalls keinen Anspruch aus

Die Frage, ob auch eine nach Fristablauf erhobene Kündigungsschutzklage, die nicht mit einem Antrag auf nachträgliche Zulassung verbunden ist, eine Entstehung des Anspruchs nach § 1a KSchG hindert, wird im arbeitsrechtlichen Schrifttum nur vereinzelt und uneinheitlich besprochen. Das BAG hat nun für die Praxis klargestellt, dass auch in einem solchen Fall kein Abfindungsanspruch entsteht. Das gesetzgeberische Ziel ist eindeutig: Dem Arbeitgeber soll eine gerichtliche Auseinandersetzung erspart bleiben. Nur unter dieser Voraussetzung soll dem Arbeitnehmer der Abfindungsanspruch zustehen. Im einen wie im anderen Fall beruft sich der Arbeitnehmer aus Sicht des Arbeitgebers auf die Sozialwidrigkeit der Kündigung und akzeptiert die Abfindung nicht. Im vorliegenden Fall hatte das der Arbeitnehmer sogar ausdrücklich behauptet. Erst nachdem er erkannt hatte, dass seine Klage keine Erfolgsaussichten hatte, hat er das Abfindungsangebot (notgedrungen) annehmen wollen. Dies war verspätet.

Hinweis für die Praxis:

Der konsequenten Rechtsprechung des BAG können wir uns nur anschließen. Der Abfindungsanspruch nach § 1a KSchG soll Prozesse verhindern. Klagt der Arbeitnehmer dennoch, um seine Erfolgsaussichten zu erhöhen, entfällt der Abfindungsanspruch. Dies gilt sowohl bei der nachträglichen Klagezulassung als auch bei verspäteter Kündigungsschutzklage.

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