08.11.2001

Mit dem „Gesetz zu Eindämmung illegaler Betätigung im Baugewerbe“ vom 30. August 2001 hat der Gesetzgeber in §§ 48 bis 48 d EStG zur Sicherung von Steueransprüchen bei Bauleistungen einen Steuerabzug eingeführt. Danach haben alle Unternehmer im Sinne des § 2 Umsatzsteuergesetzes und juristische Personen des öffentlichen Rechts von allen Vergütungen für Bauleistungen, die ihnen gegenüber im Inland von einem inländischen oder ausländischen Unternehmer erbracht werden, ab dem 01.01.2002 15 % des Rechnungsbetrages einzubehalten und an die Finanzkasse abzuführen. Mit dieser Bauabzugsbesteuerung beabsichtigt die Bundesregierung, Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung gerade im Bereich der Bauwirtschaft zu bekämpfen.

 

So notwendig diese Maßnahmen auch sein mögen, so problematisch ist das gewählte Abzugsverfahren. Denn es nimmt nicht den in erster Linie anvisierten Bauunternehmer aufs Korn, sondern den Leistungsempfänger (Auftraggeber). Jeder Auftraggeber von Bauleistungen im Sinne der § 48 Abs. 1 EStG, § 211 Abs. 1 SGB III und § 2 der Baubetriebe-Verordnung hat grundsätzlich 15 % des Rechnungsbetrages einzubehalten und abzuführen, soweit nicht Bagatellgrenzen oder eine Freistellungsbescheinigung eingreifen. Behält er nicht ein – aus Unwissenheit oder aus Fahrlässigkeit, haftet er für den Steuerabzugsbetrag – und damit für die Steuerschuld des leistenden Unternehmens. Auf ein Verschulden kommt es grundsätzlich nicht an.

 

Aber nicht nur die unübersehbare Zahl von Werkleistungen, Werklieferungen, Reparatur- und Montageleistungen, die von diesem Gesetz erfasst ist, bereitet Sorgen; auch der erfasste Adressatenkreis ist sich heute seiner ab dem 1. Januar 2002 bestehenden Verpflichtung sicher noch nicht im klaren. Denn betroffen sind nicht nur alle die klassischen Unternehmen, sondern jeder Unternehmer im Sinne des § 2 UStG selbst wenn er nur umsatzsteuerfreie Lieferungen und Leistungen erbringt (beispielsweise Kreditvermittler, Versicherungsunternehmen, Versicherungsmakler, jeder Vermieter (!), Ärzte, Heilpraktiker, sogar Hebammen und steuerfrei gestellte Wohlfahrtsverbände). Daneben erfasst die Regelung sämtliche Kleinunternehmer im Sinne des § 19 UStG, für die Umsatzsteuer überhaupt nicht erhoben wird.

 

Kommen diese „Unternehmer“, die oftmals genug gar nicht wissen, dass sie im Sinne des neuen Gesetzes Unternehmer sind, den Abzugsverpflichtungen nicht oder nicht rechtzeitig nach, können Verspätungs- und Säumniszuschläge festgesetzt werden.

 

Besonders heikel wird es bei umsatzsteuerlichen Organschaften. Dort muss der Organträger als fiktiver Leistungsempfänger den Einbehalt für die auftraggebende Organgesellschaft vornehmen, obwohl der Abzug in keinem Zusammenhang mit der Umsatzsteuer der betreffenden Unternehmen steht, sondern auf Lohnsteuer, Einkommen- und Körperschaftsteuer des leistenden Unternehmens angerechnet wird. Im umgekehrten Fall ist aber eine Organgesellschaft ohne weiteres selbst leistender Unternehmer, so dass Ihr gegenüber der Abzug vorzunehmen ist.

 

Für alle Auftraggeber kann deshalb die Empfehlung nur lauten, sich möglichst umgehend mit der neuen gesetzlichen Regelung vertraut zu machen und vorsorglich eine Freistellungsbescheinigung des leistenden Unternehmers zu verlangen, damit eine Abzugsverpflichtung sicher ausgeschlossen werden kann. Anderenfalls sollte vorsorglich der Abzug vorgenommen werden, ggf. nach Rücksprache mit dem zuständigen Finanzamt oder ihrem Berater.

 

Auf der anderen Seite empfiehlt es sich für jeden mit Bauleistung beschäftigten Unternehmer, möglichst unverzüglich eine Freistellungsbescheinigung des Finanzamts zu beschaffen und die hierfür erforderlichen Angaben vollständig und unverzüglich abzugeben. Denn dann sind die Auftraggeber von der Abzugsverpflichtung befreit, was im Wettbewerb einen ganz besonderen Vorteil darstellen kann und wird.

 

Zu Ihrer weiteren Information haben wir nachfolgend das umfangreiche Erläuterungsschreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 01.11.2001 im Volltext angehängt. Auf Wunsch übersenden wir Ihnen gerne als E-Mail dieses Schreiben des BMF, ein hierzu ergangenes sehr gut lesbares Merkblatt des BMF oder auch den Fragebogen zur Freistellung vom Steuerabzug bei Bauleistungen. Eine kurze E-Mail an jahn@mkvdp.de genügt.

 

Bei weiteren Fragen stehen wir Ihnen gerne auch telefonisch oder in einem erläuternden Gespräch zur Verfügung.

 

 

Steuerabzug von Vergütungen für im Inland erbrachte Bauleistungen (§ 48 ff. EStG)

Bundesministerium der Finanzen 1.11. 2001, IV A 5 – S 1900 – 292/01

1.

Steuerabzugspflicht

4 – 40

1.1

Begriff der Bauleistung

5 – 12

1.2

Abzugsverpflichteter

13 – 17

1.3

Leistender

18 – 21

1.4

Abstandnahme vom Steuerabzug

22 – 40

1.4.1

Erteilung der Freistellungsbescheinigung

23 – 32

1.4.2

Handhabung der Freistellungsbescheinigung durch den

 

 

Leistungsempfänger

33 – 37

1.4.3

Bagatellregelung

38 – 40

2.

Einbehaltung, Abführung und Anmeldung des Abzugsbetrages

41 – 46

3.

Abrechnung mit dem Leistenden

47 – 48

4.

Haftung

49 – 55

5.

Widerruf und Rücknahme der Freistellungsbescheinigung

56

6.

Bemessungsgrundlage und Höhe des Steuerabzugs

57 – 58

7.

Entlastung aufgrund von Doppelbesteuerungsabkommen

59

8.

Anrechnung des Steuerabzugsbetrags

60 – 62

9.

Erstattungsverfahren

63 – 65

10.

Sperrwirkung gegenüber §§ 160 AO, 42d Abs. 6 und 8 sowie

 

 

50a Abs. 7 EStG

66 – 68

11.

Zuständiges Finanzamt

69 – 74

1 Mit dem Gesetz zur Eindämmung der illegalen Betätigung im Baugewerbe vom 30. August 2001 (BGBl. I S. 2267) wurde zur Sicherung von Steueransprüchen bei Bauleistungen ein Steuerabzug eingeführt. Die Regelungen hierzu enthält der neue Abschnitt VII des Einkommensteuergesetzes (§§ 48 bis 48d EStG). Ab 1. Januar 2002 haben danach unternehmerisch tätige Auftraggeber von Bauleistungen (Leistungsempfänger) im Inland einen Steuerabzug von 15 v.H. der Gegenleistung für Rechnung des die Bauleistung erbringenden Unternehmens (Leistender) vorzunehmen, wenn nicht eine gültige, vom zuständigen Finanzamt des Leistenden ausgestellte Freistellungsbescheinigung vorliegt oder bestimmte Freigrenzen nicht überschritten werden.

2 Im Zusammenhang mit der Einführung des Steuerabzugs wurde außerdem für Unternehmen des Baugewerbes, die ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Ausland haben, jeweils eine zentrale örtliche Zuständigkeit von Finanzämtern im Bundesgebiet geschaffen. Diese umfasst auch das Lohnsteuerabzugsverfahren sowie die Einkommensbesteuerung der von diesen Unternehmen im Inland beschäftigten Arbeitnehmern mit Wohnsitz im Ausland.

3 Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder vertrete ich zu Einzelfragen dieser Regelung folgende Auffassung:

1 Steuerabzugspflicht

4 Vergütungen für Bauleistungen, die im Inland gegenüber einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes (§ 2 UStG) erbracht werden, unterliegen dem Steuerabzug (§ 48 Abs. 1 Satz 1 EStG).

1.1 Begriff der Bauleistung

5 Unter Bauleistungen sind alle Leistungen zu verstehen, die der Herstellung, Instandsetzung oder -haltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen (§ 48 Abs. 1 Satz 2 EStG). Diese Definition entspricht der Regelung in § 211 Abs. 1 Satz 2 SGB III in Verbindung mit der Baubetriebe-Verordnung (abgedruckt im Anhang), wobei zu den Bauleistungen im Sinne des Steuerabzugs nach § 48 EStG auch die Gewerke gehören, die von der Winterbauförderung gemäß § 2 Baubetriebe-Verordnung ausgeschlossen sind. Der Begriff des Bauwerks ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG-Urteil vom 21. Januar 1976 – 4 AZR 71/75 -) weit auszulegen und umfasst demzufolge nicht nur Gebäude, sondern darüber hinaus sämtliche irgendwie mit dem Erdboden verbundene oder infolge ihrer eigenen Schwere auf ihm ruhende, aus Baustoffen oder Bauteilen mit baulichem Gerät hergestellte Anlagen. Hierzu gehören Fenster und Türen sowie Bodenbeläge und Heizungsanlagen, aber auch Einrichtungsgegenstände, wenn sie mit einem Gebäude fest verbunden sind, wie z.B. Ladeneinbauten, Schaufensteranlagen, Gaststätteneinrichtungen oder Einbauküchen in Mietwohngebäuden.

6 Die in der Baubetriebe-Verordnung aufgeführten Tätigkeiten sind nicht in allen Fällen dem Steuerabzug zu unterwerfen. Voraussetzung für den Steuerabzug ist immer, dass die in der Baubetriebe-Verordnung aufgeführten Tätigkeiten im Zusammenhang mit einem Bauwerk durchgeführt werden, also der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Die Annahme einer Bauleistung setzt voraus, dass sie sich unmittelbar auf die Substanz des Bauwerks auswirkt, d.h. eine Substanzveränderung im Sinne einer Substanzerweiterung, Substanzverbesserung oder Substanzbeseitigung bewirkt, hierzu zählen auch Erhaltungsaufwendungen.

7 Ausschließlich planerische Leistungen (z.B. von Statikern, Architekten, Garten- und Innenarchitekten, Vermessungs- und Bauingenieuren) sind keine Bauleistungen. Ebenso ist die Arbeitnehmerüberlassung keine Bauleistung, auch wenn die überlassenen Arbeitnehmer für den Entleiher Bauleistungen erbringen.

8 Die bloße Reinigung von Räumlichkeiten oder Flächen, zum Beispiel Fenstern, stellt keine Bauleistung dar, es sei denn, es handelt sich um eine Nebenleistung zu weiteren als Bauleistung zu qualifizierenden Tätigkeiten. Eine Bauleistung stellt dagegen ein Reinigungsvorgang dar, bei der die zu reinigende Oberfläche verändert wird. Die zum Steuerabzug führende Fassadenreinigung gemäß § 2 Nr. 3 der Baubetriebe-Verordnung liegt z.B. bei Vornahme einer Behandlung vor, bei der die Oberfläche abgeschliffen oder abgestrahlt wird.

9 Reine Wartungsarbeiten an Bauwerken oder Teilen von Bauwerken stellen keine Bauleistung dar, solange nicht Teile verändert, bearbeitet oder ausgetauscht werden.

10 Auch Materiallieferungen z.B. durch Baustoffhändler oder Baumärkte sind keine Bauleistungen.

11 Werden im Rahmen eines Vertragsverhältnisses mehrere Leistungen erbracht, bei denen es sich teilweise um Bauleistungen handelt, kommt es darauf an, welche Leistung im Vordergrund steht, also der vertraglichen Beziehung das Gepräge gibt. Eine Abzugsverpflichtung besteht dann, und zwar insgesamt, wenn die Bauleistung als Hauptleistung anzusehen ist. Die Nebenleistung teilt jeweils das Schicksal der Hauptleistung.

Beispiele:

  • Die von einem Gastwirt bestellte Theke ist von dem beauftragten Schreiner individuell nach den Wünschen des Auftraggebers geplant, gefertigt, geliefert und vor Ort montiert worden. Bei der Fertigung und Montage handelt es sich um Bauleistungen. Demgegenüber sind Planung und Transport durch den Schreiner nicht als Bauleistungen anzusehen. Sie teilen aber hier als Nebenleistungen das Schicksal der Hauptleistung, so dass von der Vergütung insgesamt ein Steuerabzug vorzunehmen ist.
  • Einem Handwerksbetrieb wird eine Maschine geliefert. Der Lieferant nimmt die Maschine beim Auftraggeber in Betrieb. Zu diesem Zweck muss beim Auftraggeber eine Steckdose versetzt werden, was durch einen Arbeitnehmer des Lieferanten erfolgt. Ein Steuerabzug ist nicht vorzunehmen, denn die Lieferung der Maschine ist keine Bauleistung. Bei dem Versetzen der Steckdose handelt es sich zwar um eine Bauleistung, die jedoch als Nebenleistung hinter die Lieferung der Maschine zurücktritt.

12 Unerheblich ist demgegenüber die zivilrechtliche Einordnung des Vertragsverhältnisses. Die Abzugsverpflichtung ist nicht auf Werkverträge beschränkt, sondern greift z.B. auch in Fällen, in denen die Bauleistung im Rahmen eines Werklieferungsvertrags (§ 651 BGB) erbracht wird.

1.2 Abzugsverpflichteter

13 Abzugsverpflichtet ist der Leistungsempfänger, wenn es sich hierbei um eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder um einen Unternehmer im Sinne des § 2 UStG handelt. Umsatzsteuerlich ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig nachhaltig ausübt. Entscheidend ist hierbei, dass die Tätigkeit auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet ist; auf die Absicht, mit der Tätigkeit Gewinn zu erzielen, kommt es nicht an. Daher werden auch Tätigkeiten erfasst, die einkommensteuerlich eine Liebhaberei darstellen. Dabei umfasst das Unternehmen die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit. Die Abzugsverpflichtung besteht demzufolge auch für Kleinunternehmer (§ 19 UStG), pauschalversteuernde Land- und Forstwirte (§ 24 UStG) und Unternehmer, die ausschließlich steuerfreie Umsätze tätigen. Dazu gehört auch die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken, von Gebäuden und Gebäudeteilen. Die Abzugsverpflichtung betrifft nur den unternehmerischen Bereich des Auftraggebers. Wird eine Bauleistung ausschließlich für den nichtunternehmerischen Bereich eines Unternehmers erbracht, findet der Steuerabzug nicht statt.

14 Wird die Bauleistung für ein Bauwerk erbracht, das nur teilweise unternehmerischen Zwecken dient, kommt es abweichend von A 192 Abs. 18 UStR darauf an, ob die Bauleistung dem unternehmerischen oder nichtunternehmerischen Teil des Bauwerks zugeordnet werden kann. Bauleistungen, die einem Teil des Bauwerks nicht eindeutig zugeordnet werden können, sind dem Zweck zuzuordnen, der überwiegt. Der überwiegende Zweck ist anhand des Wohn-/Nutzflächenverhältnisses oder anderer sachgerechter Maßstäbe festzustellen.

Beispiele:

  • Ein Bäcker lässt im Verkaufsraum seiner Bäckerei eine neue Ladeneinrichtung installieren. Die Vergütung unterliegt dem Steuerabzug nach § 48 EStG.
  • Ein freiberuflich tätiger Journalist lässt die Fliesen im Badezimmer seiner zu eigenen Wohnzwecken genutzten Eigentumswohnung erneuern. Die Vergütung unterliegt nicht dem Steuerabzug, obwohl es sich beim Leistungsempfänger um einen Unternehmer handelt, denn die Bauleistung wurde in dessen Privatwohnung vorgenommen.
  • Ein Eigentümer lässt in einem Mehrfamilienhaus, in dem er eine Wohnung selbst bewohnt und die übrigen Wohnungen vermietet, Verbundglasfenster einbauen. Da es sich bei dem Eigentümer hinsichtlich seiner Vermietungstätigkeit um einen Unternehmer handelt, unterliegt die Vergütung insoweit dem Steuerabzug, als sie sich auf den Einbau von Fenstern in den vermieteten Wohnungen bezieht. Fenster in Gemeinschaftsräumen (z.B. Flure, Treppenhäuser) sind der überwiegenden Nutzung zuzuordnen. Da in dem Beispiel die größere Zahl der Wohnungen vermietet ist, ist von der Gegenleistung für diese Fenster der Steuerabzug vorzunehmen.
  • Ein Arbeitnehmer ist nebenberuflich als Bausparkassenvertreter tätig und lässt das Dach seines selbstgenutzten Eigenheims neu eindecken, in dem sich ein häusliches Arbeitszimmer befindet. Der Arbeitnehmer ist zwar hinsichtlich seiner Nebentätigkeit Unternehmer. Ein Steuerabzug unterbleibt jedoch, weil die Bauleistung dem unternehmerischen Zweck nicht unmittelbar zugeordnet werden kann und die Wohnnutzung überwiegt.

15 Leistungsempfänger und damit zum Steuerabzug verpflichtet ist auch ein Generalunternehmer, der sich zur Erfüllung seiner Leistungspflicht Subunternehmer bedient. Der Generalunternehmer gilt im Verhältnis zum Auftraggeber auch dann als Leistender, wenn er selbst keine Bauleistungen erbringt, sondern lediglich über solche Leistungen abrechnet. Im Verhältnis zu den Subunternehmern handelt es sich indessen bei dem Generalunternehmer um einen Leistungsempfänger, der als Unternehmer zum Steuerabzug verpflichtet ist.

Leistungsempfänger kann auch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (z.B. eine Arbeitsgemeinschaft) sein. Entrichtungsschuldner des Steuerabzugsbetrags ist die Personengesellschaft. In diesen Fällen sind die geschäftsführenden Gesellschafter (§ 713 BGB) zur Vornahme des Steuerabzugs verpflichtet.

Ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft umsatzsteuerlich Unternehmer, ist sie als Leistungsempfänger zum Steuerabzug verpflichtet. Dies gilt nicht, wenn alle Wohnungen von den jeweiligen Eigentümern zu eigenen Wohnzwecken genutzt werden.

16 Im Rahmen einer umsatzsteuerlichen Organschaft ist der Organträger Unternehmer. Bei Bauleistungen, die von Leistenden außerhalb des Organkreises an die Organgesellschaft erbracht werden, ist deshalb der Organträger Leistungsempfänger und abzugsverpflichtet.

Organgesellschaften einer umsatzsteuerlichen Organschaft sind keine Unternehmer. Bei Innenumsätzen zwischen verschiedenen Organgesellschaften beziehungsweise zwischen der Organgesellschaft und dem Organträger besteht daher keine Abzugsverpflichtung.

17 Der Beginn und das Ende der Unternehmereigenschaft richtet sich nach den Grundsätzen des Umsatzsteuergesetzes (Hinweis auf A 18 und 19 UStR).

1.3 Leistender

18 Der Steuerabzug ist vom Leistungsempfänger unabhängig davon durchzuführen, ob der Leistende (Auftragnehmer) im Inland oder im Ausland ansässig ist (§§ 811 AO). Es kommt auch nicht darauf an, ob es zum Unternehmenszweck des Leistenden gehört, Bauleistungen zu erbringen oder ob er mit seinem Unternehmen überwiegend Bauleistungen erbringt. Auch wenn jemand nur ausnahmsweise gegenüber einem Unternehmer eine Bauleistung erbringt, unterliegt die Vergütung dem Steuerabzug.

19 Als Leistender gilt auch derjenige, der über eine Leistung abrechnet, ohne sie selbst erbracht zu haben. Daher ist der Steuerabzug auch von der Vergütung vorzunehmen, die ein Generalunternehmer erhält, der selbst nicht als Bauunternehmer tätig wird, aber mit dem Leistungsempfänger die Leistungen der beauftragten Subunternehmer abrechnet. Dagegen ist die Abrechnung einer Wohnungseigentümergemeinschaft mit den Eigentümern keine Abrechnung im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 3 EStG.

20 Auch eine Personengesellschaft kann Leistender sein, ebenso eine Arbeitsgemeinschaft. Schließt eine Arbeitsgemeinschaft Verträge über Bauleistungen mit Leistungsempfängern ab, so ist die Arbeitsgemeinschaft der Leistende. Erbringt ein Partner der Arbeitsgemeinschaft auf Grund eines eigenen Vertrages Bauleistungen gegenüber der Arbeitsgemeinschaft, so ist insofern auch der Partner Leistender und die Arbeitsgemeinschaft Leistungsempfänger.

21 Erbringt eine Organgesellschaft Bauleistungen an Leistungsempfänger außerhalb des umsatzsteuerlichen Organkreises, ist Leistender die Organgesellschaft.

1.4 Abstandnahme vom Steuerabzug

22 Der Steuerabzug muss nicht vorgenommen werden, wenn der Leistende (Auftragnehmer) dem Leistungsempfänger (Auftraggeber) eine im Zeitpunkt der Gegenleistung gültige Freistellungsbescheinigung vorlegt oder die Gegenleistung im laufenden Kalenderjahr insgesamt die Freigrenze von 5.000 Euro bzw. 15.000 Euro (vgl. Tz 1.4.3) voraussichtlich nicht übersteigen wird (§ 48 Abs. 2 Satz 1 EStG).

1.4.1 Erteilung der Freistellungsbescheinigung

23 Der Leistende kann bei dem für ihn zuständigen Finanzamt eine Freistellungsbescheinigung beantragen (§ 48b EStG). Ist eine Personengesellschaft, zum Beispiel eine Arbeitsgemeinschaft, Leistender, ist der Antrag bei dem für die Personengesellschaft beziehungsweise Arbeitsgemeinschaft zuständigen Finanzamt zu stellen. Ist eine Personengesellschaft ertragsteuerlich nicht zu führen, ist auf die umsatzsteuerliche Zuständigkeit abzustellen. Der Antrag bedarf keiner Form. Gegebenenfalls ermittelt das Finanzamt Angaben durch einen Fragebogen. Eine Freistellungsbescheinigung ist zu erteilen, wenn ein inländischer Empfangsbevollmächtigter bestellt ist und der Steueranspruch nicht gefährdet erscheint, also sichergestellt ist, dass der Leistende seine steuerlichen Pflichten im Inland ordnungsgemäß erfüllt.

24 Der Steueranspruch ist insbesondere dann gefährdet und die Versagung einer Freistellungsbescheinigung gerechtfertigt, wenn

1. der Leistende seine Anzeigepflicht nach § 138 AO nicht erfüllt.

25 2. der Leistende seiner Mitwirkungspflicht nach § 90 AO nicht nachkommt.

Insbesondere bei Leistenden, die bislang noch nicht steuerlich erfasst sind, soll das Finanzamt die notwendigen Angaben zur Prüfung der Frage, ob durch einen Steuerabzug zu sichernde Steueransprüche bestehen können und die steuerliche Erfassung des Leistenden notwendig ist, mittels eines Fragebogens erheben. Werden diese Angaben nicht oder nicht vollständig erbracht, ist nach den Gesamtumständen des Einzelfalls abzuwägen, ob wegen einer Verletzung von Auskunfts- und Mitteilungspflichten die Freistellungsbescheinigung zu versagen ist.

26 3. der im Ausland ansässige Leistende den Nachweis der steuerlichen Ansässigkeit nicht durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Steuerbehörde erbringt.

Der dem Antragsteller auferlegte Nachweis der steuerlichen Ansässigkeit nach § 48b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 EStG wird grundsätzlich dadurch erbracht, dass die ausländische Steuerbehörde die steuerliche Erfassung im Sitzstaat bestätigt. In Zweifelsfällen kann das Finanzamt nach § 90 Abs. 2 AO vom Antragsteller eine qualifizierte Sitzbescheinigung verlangen, in der die ausländische Steuerbehörde bestätigt, dass sich auch der Ort der Geschäftsleitung (BFH-Urteil vom 16. Dezember 1998, BStBl 1999 II S. 437) im Sitzstaat befindet und in welchem Umfang der Antragsteller im Sitzstaat selbst wirtschaftliche Aktivitäten entfaltet.

27 Über diese im Gesetz ausdrücklich erwähnten Versagungsgründe hinaus kann auch dann eine Gefährdung des zu sichernden Steueranspruchs vorliegen, wenn z.B. nachhaltig Steuerrückstände bestehen oder unzutreffende Angaben in Steueranmeldungen bzw. Steuererklärungen festgestellt werden oder der Leistende diese wiederholt nicht oder nicht rechtzeitig abgibt. Gegebenenfalls kann in diesen Fällen eine Freistellungsbescheinigung mit einer kurzen Geltungsdauer oder auftragsbezogen erteilt werden.

Einer Arbeitsgemeinschaft, für die keine gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen erfolgt (§ 180 Abs. 4 AO), und die nicht Arbeitgeber der eingesetzten Arbeitnehmer ist, kann eine Freistellungsbescheinigung in der Regel nur erteilt werden, wenn auch den beteiligten Gesellschaftern von dem für sie zuständigen Finanzamt jeweils eine Freistellungsbescheinigung erteilt wurde. Das für die Arbeitsgemeinschaft zuständige Finanzamt kann die Vorlage der den beteiligten Gesellschaftern erteilten Freistellungsbescheinigungen verlangen.

28 Nach § 48b Abs. 2 EStG soll eine Freistellungsbescheinigung erteilt werden, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit kein zu sichernder Anspruch besteht. Der Leistende muss die Voraussetzungen glaubhaft machen. Insbesondere ist dies dann der Fall, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit kein Gewinn erzielt wird, zum Beispiel bei Existenzgründern. Ferner soll einem Leistenden, der darlegt und glaubhaft macht, dass wegen seines nur kurzzeitigen Tätigwerdens im Inland keine zu sichernden Steueransprüche bestehen, eine Freistellungsbescheinigung erteilt werden, wenn das Vorbringen schlüssig ist und nicht in Widerspruch zu anderweitigen Erkenntnissen des Finanzamts steht.

29 Das Finanzamt kann eine Freistellungsbescheinigung für einen im Ausland ansässigen Leistenden ablehnen, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland zusteht und wenn sich die formelle Laufzeit der Werkverträge der nach dem einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen maßgeblichen Frist, deren Überschreitung zur Begründung einer inländischen Betriebsstätte (BMF-Schreiben vom 24. Dezember 1999, BStBl I S. 1076, Tz 4.3) führen würde, nähert oder sich aufgrund der Auswertung von Unterlagen oder anderweitiger Erkenntnisse Anhaltspunkte ergeben, dass eine Zusammenrechnung mehrerer Bauausführungen möglich ist, der Antragsteller im Inland eine Geschäftsstelle unterhält, durch einen abhängigen Vertreter handelt oder der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt. In diesen Fällen kann gegebenenfalls eine Freistellungsbescheinigung mit einer kurzen Dauer erteilt werden.

30 Liegen keine Versagungsgründe vor, erteilt das für den Leistenden zuständige Finanzamt die Freistellungsbescheinigung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck. Die Freistellungsbescheinigung kann dabei auf bestimmte Zeit, längstens jedoch für einen Zeitraum von drei Jahren, oder bezogen auf einen bestimmten Auftrag erteilt werden. Die Freistellungsbescheinigung gilt ab dem Tag der Ausstellung. Im Januar 2002 ausgestellte Freistellungsbescheinigungen sind ausnahmsweise mit einer Gültigkeit ab 1. Januar 2002 zu erteilen.

31 Bei nur vorübergehender Tätigkeit im Inland soll die Freistellungsbescheinigung regelmäßig auftragsbezogen erteilt werden. Das Finanzamt kann die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung von der Vorlage des Werkvertrages abhängig machen, wenn sie auf einen bestimmten Auftrag bezogen erteilt werden soll. Auch in Fällen, in denen die Freistellungsbescheinigung für einen bestimmten Auftrag erteilt wird, kann sie auf einen Gültigkeitszeitraum befristet werden.

32 Wird dem Antrag auf Erteilung einer Freistellungsbescheinigung nicht entsprochen, erlässt das Finanzamt unter Angabe der Gründe einen Ablehnungsbescheid. Hiergegen ist der Rechtsbehelf des Einspruchs statthaft.

1.4.2 Handhabung der Freistellungsbescheinigung durch den Leistungsempfänger

33 In Fällen, in denen die Freistellungsbescheinigung auf einen bestimmten Auftrag beschränkt ist, wird sie dem Leistungsempfänger vom Leistenden ausgehändigt. In den übrigen Fällen genügt es, wenn dem Leistungsempfänger eine Kopie der Freistellungsbescheinigung ausgehändigt wird. Der Leistungsempfänger soll die ihm vom Leistenden übergebenen Unterlagen aufbewahren.

34 Wird die Gegenleistung in Teilbeträgen (z.B. Abschlagszahlungen nach Baufortschritt) erbracht, kann im Hinblick auf diese Teilzahlungen nur dann vom Steuerabzug abgesehen werden, wenn bereits vor Auszahlung des jeweiligen Teilbetrags dem Leistungsempfänger eine gültige Freistellungsbescheinigung vorliegt. Es reicht demgegenüber nicht aus, wenn der Leistende die Freistellungsbescheinigung dem Leistungsempfänger erst zusammen mit der Schlussrechnung vorlegt. Entsprechendes gilt, wenn der Leistungsempfänger mit einer Gegenforderung gegen den Anspruch des Leistenden (Hauptforderung) aufrechnet. Der maßgebliche Zeitpunkt, in dem bei der Aufrechnung eine Freistellungsbescheinigung vorliegen muss, ist der Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung, wenn zu diesem Zeitpunkt die Gegenforderung vollwirksam und fällig sowie die Hauptforderung erfüllbar sind (§ 387 BGB).

35 Wurde der Anspruch auf die Gegenleistung vom Leistenden (Zedent) an einen Dritten (Zessionar) abgetreten (§ 398 BGB), kommt es auf die Zahlung an den Zessionar und nicht auf den Zeitpunkt der Abtretung an.

36 Liegt die Freistellungsbescheinigung dem Leistungsempfänger nicht spätestens im Zeitpunkt der Erbringung der Gegenleistung vor, bleibt die Verpflichtung zur Durchführung des Steuerabzugs auch dann bestehen, wenn die Freistellungsbescheinigung dem Leistungsempfänger später vorgelegt wird.

37 Wird die Freistellungsbescheinigung bis zum 10. Februar 2002 vorgelegt, kann der Leistungsempfänger den einbehaltenen Betrag dem Leistenden auszahlen, wenn die Anmeldung noch nicht erfolgt ist.

1.4.3 Bagatellregelung

38 Wird keine Freistellungsbescheinigung vorgelegt, kann vom Steuerabzug auch dann abgesehen werden, wenn die Gegenleistung im laufenden Kalenderjahr den Betrag von 5.000 Euro voraussichtlich nicht übersteigen wird. Die Freigrenze von 5.000 Euro erhöht sich auf 15.000 Euro, wenn der Leistungsempfänger allein deswegen als Unternehmer abzugspflichtig ist, weil er ausschließlich steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 12 Satz 1 UStG (= umsatzsteuerbefreite Vermietungsumsätze) ausführt. Erbringt der Leistungsempfänger aber neben steuerfreien Umsätzen nach § 4 Nr. 12 Satz 1 UStG weitere, ggf. nur geringfügige umsatzsteuerpflichtige Umsätze, dann gilt insgesamt die Freigrenze von 5.000 Euro.

39 Für die Ermittlung des Betrags sind die für denselben Leistungsempfänger im Kalenderjahr erbrachten und voraussichtlich noch zu erbringenden Bauleistungen zusammenzurechnen. Daher ist eine Abstandnahme vom Steuerabzug im Hinblick auf diese Freigrenzen nur zulässig, wenn im laufenden Kalenderjahr nicht mit weiteren Zahlungen für Bauleistungen an denselben Auftragnehmer zu rechnen ist. Geht der Leistungsempfänger zunächst davon aus, dass die Freigrenze nicht überschritten wird, und nimmt er bei Erfüllung der Gegenleistung den Steuerabzug nicht vor, so ist der unterlassene Steuerabzug nachzuholen, wenn es im Nachhinein zur Überschreitung der maßgeblichen Freigrenze im laufenden Kalenderjahr kommt. Auf ein Verschulden des Leistungsempfängers kommt es insoweit nicht an.

Beispiele:

  • Ein Steuerpflichtiger lässt an einem vermieteten Mehrfamilienhaus das Dach neu eindecken. Der beauftragte Dachdecker legt keine Freistellungsbescheinigung vor. Die Kosten der Dachreparatur werden insgesamt ca. 20.000 Euro betragen. Hiervon sind 10.000 Euro zunächst als Abschlagszahlung und der Rest nach Erteilung der Schlussrechnung noch im selben Kalenderjahr zu erbringen. Damit steht von vornherein fest, dass die Freigrenze von 15.000 Euro überschritten wird, so dass bereits von der Abschlagszahlung der Steuerabzug vorzunehmen ist.
  • Ein Steuerpflichtiger lässt an seinem vermieteten Zweifamilienhaus das Dach reparieren. Der beauftragte Dachdecker legt keine Freistellungsbescheinigung vor. Nach dem Kostenvoranschlag soll die Dachreparatur 14.500 Euro kosten. Vereinbarungsgemäß zahlt der Leistungsempfänger nach Baufortschritt eine Abschlagszahlung in Höhe von 10.000 Euro. Durch Zusatzarbeiten verteuert sich der Auftrag, so dass in der Schlussrechnung noch 6.000 Euro in Rechnung gestellt werden, die der Leistungsempfänger noch im selben Jahr zahlt. Damit wurde die Freigrenze von 15.000 Euro überschritten, so dass die gesamte Gegenleistung (16.000 Euro) dem Steuerabzug unterliegt. Sofern bei der Leistung der Abschlagszahlung der Steuerabzug unterblieben ist, muss er nun bei Erfüllung der Restzahlung nachgeholt werden.

40 Reicht der Betrag der Gegenleistung, die im Laufe des Jahres nachträglich zum Überschreiten der Freigrenze führt, für die Erfüllung der Abzugsverpflichtung nicht aus, so entfällt die Abzugsverpflichtung in der Höhe, in der sie die Gegenleistung übersteigt.

  • Ein Steuerpflichtiger lässt zu Beginn des Jahres Reparaturarbeiten an Regenrinnen seines vermieteten Zweifamilienhauses ausführen. Die Gegenleistung beträgt 14.000 Euro. Ein Steuerabzug wird nicht vorgenommen. Im November lässt er durch denselben Dachdecker an dem Gebäude ein Dachflächenfenster reparieren. Diese Reparatur führt zu einer Gegenleistung in Höhe von 2.000 Euro. Der Steuerabzugsbetrag in Höhe von insgesamt 2.400 Euro kann aus der letzten Gegenleistung nicht erbracht werden. Es ist ein Steuerabzug in Höhe der Gegenleistung von 2.000 Euro vorzunehmen.
  • Danach wird noch eine weitere kleine Reparatur durch denselben Dachdecker vorgenommen. Die Gegenleistung beträgt 1.000 Euro. Der Steuerabzugsbetrag beträgt nunmehr insgesamt 2.550 Euro. Ein Abzug von 2.000 Euro ist bereits vorgenommen worden. Der noch verbleibende Steuerabzug von 550 Euro ist von der Gegenleistung durchzuführen.

2. Einbehaltung, Abführung und Anmeldung des Abzugsbetrags

41 Die Verpflichtung zum Steuerabzug entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Gegenleistung erbracht wird, d.h. beim Leistungsempfänger abfließt (§ 11 EStG). Dies gilt auch in Fällen, in denen die Gegenleistung in Teilbeträgen (Vorschüsse, Abschlagszahlungen, Zahlung gestundeter Beträge) erbracht wird. Wird die Gegenleistung im Wege der Verrechnung erfüllt, gilt die rechtswirksame Aufrechnung als Zahlung. In diesem Zeitpunkt hat der Leistungsempfänger (= Auftraggeber und Schuldner der Gegenleistung) den Steuerabzug für Rechnung des Leistenden (Auftragnehmers) vorzunehmen (§ 48 Abs. 1 Satz 1 EStG). Dazu muss er den Steuerabzugsbetrag von der Gegenleistung einbehalten.

42 Der Leistungsempfänger hat den innerhalb eines Kalendermonats einbehaltenen Steuerabzugsbetrag unter Angabe des Verwendungszwecks jeweils bis zum 10. des Folgemonats an das für die Besteuerung des Einkommens des Leistenden zuständige Finanzamt (Finanzkasse) abzuführen.

43 Darüber hinaus ist er verpflichtet, über den einbehaltenen Steuerabzug ebenfalls bis zum 10. des Folgemonats eine Anmeldung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck gegenüber dem für den Leistenden zuständigen Finanzamt abzugeben, in der er den Steuerabzug für den Anmeldezeitraum (Kalendermonat) selbst berechnet. Der Leistungsempfänger hat für jeden Leistenden eine eigene Anmeldung abzugeben, auch wenn mehrere Leistende bei einem Finanzamt geführt werden. Die Anmeldung muss vom Leistungsempfänger oder von einem zu seiner Vertretung Berechtigten unterschrieben sein. Sie steht einer Steueranmeldung (§§ 167, 168 AO) gleich.

44 Die benötigten Adressen der zuständigen Finanzämter bzw. Konto-Nummern können regelmäßig beim Leistenden erfragt werden.

Daneben können die Informationen auch im Internet unter www.finanzamt.de ermittelt werden.

Ferner kann jedes Finanzamt entsprechende Informationen geben.

45 Das Finanzamt kann dem Leistungsempfänger bei verspäteter Abgabe der Anmeldung einen Verspätungszuschlag bis 10 v.H. des Abzugsbetrags auferlegen; bei verspäteter Zahlung entstehen Säumniszuschläge.

46 Bei einer nachträglichen Erhöhung der Gegenleistung ist nur der Differenzbetrag zu der vorherigen Anmeldung in dem Anmeldungszeitraum, in dem der erhöhte Betrag erbracht wurde, anzumelden (§ 48a Abs. 1 EStG). Bei einer Minderung der Gegenleistung ist keine Berichtigung vorzunehmen.

3. Abrechnung mit dem Leistenden

47 Der Leistungsempfänger ist verpflichtet, mit dem Leistenden über den einbehaltenen Steuerabzug abzurechnen (§ 48a Abs. 2 EStG). Dazu hat er dem Leistenden (Auftragnehmer) einen Abrechnungsbeleg zu erteilen, der folgende Angaben enthalten muss:

  1. Name und Anschrift des Leistenden,
  2. Rechnungsbetrag, Rechnungsdatum und Zahlungstag,
  3. Höhe des Steuerabzugs,
  4. Finanzamt, bei dem der Abzugsbetrag angemeldet worden ist.

48 Es reicht aus, wenn der Leistungsempfänger dem Leistenden zum Zwecke der Abrechnung den dafür vorgesehenen Durchschlag der Steueranmeldung überlässt.

4. Haftung

49 Ist der Steuerabzug nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden, so haftet der Leistungsempfänger für den nicht oder zu niedrig abgeführten Abzugsbetrag (§ 48a Abs. 3 Satz 1 EStG). Die Haftung ist grundsätzlich unabhängig von einem Verschulden des Leistungsempfängers, wenn dem Leistungsempfänger keine Freistellungsbescheinigung vorgelegen hat. Unerheblich ist auch, ob für den Leistenden im Inland zu sichernde Steueransprüche bestehen. Insbesondere kann sich der Leistungsempfänger im Haftungsverfahren nicht darauf berufen, dass die Gegenleistung beim Leistenden nach einem Doppelbesteuerungsabkommen im Inland nicht besteuert werden kann. Nach § 48d Abs. 1 Satz 1 EStG wird der Steuerabzug nicht durch Doppelbesteuerungsabkommen eingeschränkt. Eine Haftungsinanspruchnahme ist auch möglich, wenn die Person des Steuerschuldners nicht feststeht.

50 Über die Inanspruchnahme des Leistungsempfängers als Haftungsschuldner entscheidet das Finanzamt im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens. Dabei ist auch zu berücksichtigen, inwieweit nach den Umständen des Einzelfalls Steueransprüche entstehen können.

51 Die Haftung des Leistungsempfängers ist jedoch ausgeschlossen, wenn ihm im Zeitpunkt der Gegenleistung eine Freistellungsbescheinigung vorgelegen hat, auf deren Rechtmäßigkeit er vertrauen durfte. Der Leistungsempfänger ist verpflichtet, die Freistellungsbescheinigung zu überprüfen; insbesondere soll er sich vergewissern, ob die Freistellungsbescheinigung mit einem Dienstsiegel versehen ist und eine Sicherheitsnummer trägt. Bei Vorlage einer Kopie müssen alle Angaben auf der Freistellungsbescheinigung lesbar sein.

Der Leistungsempfänger hat die Möglichkeit, sich durch eine Prüfung der Gültigkeit der Freistellungsbescheinigung über ein eventuelles Haftungsrisiko Gewissheit zu verschaffen. Er kann hierzu im Wege einer elektronischen Abfrage beim Bundesamt für Finanzen (Internet www.bff-online.de) ggf. eine Bestätigung der Gültigkeit der Bescheinigung erlangen. Bestätigt das Bundesamt für Finanzen die Gültigkeit nicht oder kann der Leistungsempfänger die elektronische Abfrage nicht durchführen, kann sich der Leistungsempfänger auch durch eine Nachfrage bei dem auf der Freistellungsbescheinigung angegebenen Finanzamt Gewissheit verschaffen.

52 Eine Inanspruchnahme des Leistungsempfängers soll auch dann unterbleiben, wenn dem Leistungsempfänger zum Zeitpunkt der Erbringung der Gegenleistung keine Freistellungsbescheinigung vorgelegen hat, er aber gleichwohl den Steuerabzug nicht vorgenommen hat und ihm im Nachhinein eine bereits im Zeitpunkt der Zahlung gültige Freistellungsbescheinigung nachgereicht wird.

53 Schützenswertes Vertrauen liegt nicht vor, wenn die Freistellungsbescheinigung durch unlautere Mittel oder falsche Angaben erwirkt wurde und dem Leistungsempfänger dies bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war (§ 48a Abs. 3 Satz 3 EStG).

54 Dies gilt auch, wenn dem Leistungsempfänger eine gefälschte Freistellungsbescheinigung vorgelegt wurde und der Leistungsempfänger dies erkannte oder hätte erkennen müssen.

55 Haftet der Leistungsempfänger, so wird er für den nicht oder zu niedrig abgeführten Abzugsbetrag durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen, den das für den Leistenden zuständige Finanzamt erläßt (§ 48a Abs. 3 Satz 4 EStG).

5. Widerruf und Rücknahme der Freistellungsbescheinigung

56 Wird eine rechtmäßige Freistellungsbescheinigung für die Zukunft widerrufen, so ist sie für Gegenleistungen, die nach diesem Zeitpunkt erbracht werden, nicht mehr gültig. Entsprechendes gilt, wenn eine rechtswidrige Freistellungsbescheinigung mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen wird. In diesem Fall war die Abstandnahme vom Steuerabzug jedoch bereits in der Vergangenheit unzulässig. In den Fällen, in denen die Freistellungsbescheinigung für eine bestimmte Bauleistung erteilt worden war, unterrichtet das Finanzamt auch den Leistungsempfänger vom Widerruf bzw. der Rücknahme der Freistellungsbescheinigung. Dies hat zur Folge, dass der Leistungsempfänger von künftigen Gegenleistungen den Steuerabzug vorzunehmen hat und – bei der Rücknahme – auch den Steuerabzug für bereits erbrachte Gegenleistungen nachholen muss. Die Nachholung erfolgt grundsätzlich durch Einbehalt von künftigen Gegenleistungen. Ist dies nicht möglich oder reicht die künftige Gegenleistung hierfür nicht aus, so entfällt insoweit der Einbehalt. Wird eine lediglich zeitlich befristete, jedoch nicht auf einen bestimmten Auftrag beschränkte Freistellungsbescheinigung widerrufen oder zurückgenommen, kommt eine Haftungsinanspruchnahme des Leistungsempfängers nur dann in Betracht, wenn ihm der Widerruf oder die Rücknahme bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt waren.

6. Bemessungsgrundlage und Höhe des Steuerabzugs

57 Dem Steuerabzug unterliegt der volle Betrag der Gegenleistung. Zur Gegenleistung gehört das Entgelt für die Bauleistung zuzüglich Umsatzsteuer. Der Steuerabzug beträgt 15 v.H. der Gegenleistung. Ein Solidaritätszuschlag wird auf den Abzugsbetrag nicht erhoben.

58 Auch bei der Aufrechnung ist ein Steuerabzug vorzunehmen.

Beispiel:

  • Die fällige Forderung des Leistenden aus einem Bauauftrag beträgt 30.000 Euro. Hiergegen rechnet der Leistungsempfänger mit einer fälligen Gegenforderung von 17.000 Euro auf. Aus der verbleibenden Verbindlichkeit von 13.000 Euro wird der 15-prozentige Steuerabzug i.H.v. 4.500 Euro vorgenommen und der Restbetrag von 8.500 Euro an den Leistenden gezahlt.

7. Entlastung aufgrund von Doppelbesteuerungsabkommen

59 Auch in Fällen, in denen die Bauleistung von einem nicht unbeschränkt steuerpflichtigen Leistenden erbracht wird, unterliegt die Gegenleistung dem Steuerabzug. Dies gilt selbst dann, wenn die im Inland erzielten Einkünfte des Leistenden nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung in der Bundesrepublik nicht besteuert werden dürfen (§ 48d Abs. 1 Satz 1 EStG). Das Gleiche gilt, wenn die Gegenleistung aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens vom Steuerabzug freigestellt oder der Steuerabzug nach einem niedrigeren Steuersatz vorzunehmen ist. Unberührt bleibt jedoch der Anspruch des Leistenden auf völlige oder teilweise Erstattung des Abzugsbetrags; die Erstattung erfolgt auf Antrag durch das nach § 20a AO für die Besteuerung des nicht unbeschränkt steuerpflichtigen Leistenden zuständige Finanzamt.

8. Anrechnung des Steuerabzugsbetrags

60 Das Finanzamt rechnet den Abzugsbetrag auf die vom Leistenden zu entrichtenden Steuern an. Voraussetzung ist, dass der Abzugsbetrag einbehalten und angemeldet wurde (§ 48c Abs. 1 EStG). Zur Prüfung dieser Voraussetzung hat der Leistende dem Finanzamt die vom Leistungsempfänger gemäß § 48a Abs. 2 EStG erteilten Abrechnungsbelege vorzulegen.

Für die Anrechnung ist zum Schutz des Leistenden grundsätzlich nicht Voraussetzung, dass der angemeldete Betrag auch abgeführt wurde. Im Hinblick auf § 48c Abs. 3 EStG hat das Finanzamt vor Anrechnung jedoch festzustellen, ob der Leistungsempfänger den angemeldeten Abzugsbetrag abgeführt hat. Ist dies nicht der Fall, ist vom Finanzamt durch weitere Sachverhaltsermittlungen zu klären, ob Anhaltspunkte für einen Missbrauch des Abzugsverfahrens gegeben sind.

Für die Anrechnung gilt folgende Reihenfolge:

  1. auf die nach § 41a Abs. 1 EStG vom Leistenden einbehaltene und angemeldete Lohnsteuer,
  2. auf die vom Leistenden zu entrichtenden Vorauszahlungen auf die Einkommen- oder Körperschaftsteuer. Die Anrechnung kann nur für Vorauszahlungszeiträume innerhalb des Besteuerungs- oder Veranlagungszeitraums erfolgen, in dem die Bauleistung erbracht worden ist. Außerdem darf die Anrechnung auf Vorauszahlungen nicht zu einer Erstattung führen,
  3. auf die Einkommen- oder Körperschaftsteuer des Besteuerungs- oder Veranlagungszeitraums, in dem die Leistung erbracht worden ist, und
  4. auf die vom Leistenden selbst nach dem Steuerabzugsverfahren bei Bauleistungen anzumeldenden und abzuführenden Abzugsbeträge.

61 Soweit nach Anrechnung auf die Beträge nach § 48c Abs. 1 Nr. 1 EStG ein Guthaben verbleibt, kann dieses nur auf die Vorauszahlungen angerechnet werden, die für den Veranlagungszeitraum der Leistungserbringung festgesetzt wurden oder werden. Der übersteigende Betrag kann erst auf die veranlagte Einkommen- oder Körperschaftsteuer des Veranlagungszeitraumes angerechnet werden, in dem die Leistung erbracht wurde. Bis zum Abschluss der Veranlagung dieses Veranlagungszeitraumes kann eine Erstattung der Steuer nicht erfolgen. Das Erstattungsverfahren nach § 48c Abs. 2 EStG bleibt hiervon unberührt. Leistung in diesem Sinne ist nicht die Gegenleistung i.S.v. § 48 Abs. 3 EStG, sondern die Bauleistung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 EStG. Die Bauleistung ist in dem Zeitpunkt erbracht, in dem diese abgeschlossen und nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung die Ergebnisrealisierung eingetreten ist. Hiervon ist allgemein auszugehen, wenn das fertige Werk an den Leistungsempfänger übergeben und von diesem abgenommen wurde. Dass die Anrechnung des Abzugsbetrages erst im Veranlagungszeitraum der Gewinnrealisierung möglich ist, entspricht dem Sicherungscharakter des Steuerabzugsbetrages, der erst im Jahr der Gewinnrealisierung beim Leistenden zur Steueranrechnung zur Verfügung stehen soll. Eine Anrechnung auf Teilleistungen kann ausnahmsweise in vorhergehenden Veranlagungszeiträumen in Betracht kommen, wenn sich ein Großbauwerk über mehrere Jahre erstreckt und wenn der Leistende von seinem Wahlrecht Gebrauch gemacht hat, aufgrund von Teilabrechnungen und Teilabnahmen eine Teilgewinnrealisierung vorzunehmen.

62 Werden die Besteuerungsgrundlagen einheitlich und gesondert festgestellt, weil mehrere Personen beteiligt sind (Personengesellschaft), hat der zur Vertretung der Gesellschaft Berechtigte (§ 34 Abs. 1 AO) dem Finanzamt mitzuteilen, in welchem Verhältnis die Anrechnung nach § 48c Abs. 1 Nr. 2 und 3 EStG zu erfolgen hat. Die Mitteilung hat den Beteiligungsverhältnissen zu entsprechen. Ausnahmsweise können andere Kriterien berücksichtigt werden, wenn sie betrieblich begründet sind. Dies gilt auch für Personengesellschaften, bei denen ein Feststellungsverfahren nicht stattfindet, z.B. Arbeitsgemeinschaften.

9. Erstattungsverfahren

63 Verbleiben nach der Anrechnung gemäß § 48c Abs. 1 EStG Abzugsbeträge, die nicht angerechnet werden konnten und für die eine Aufrechnung nach § 226 AO nicht in Betracht kommt, werden sie dem Leistenden erstattet.

64 Auf Antrag des Leistenden erstattet das zuständige Finanzamt dem Leistenden den Abzugsbetrag. Voraussetzung ist, dass der Leistende nicht zur Abgabe von Lohnsteueranmeldungen verpflichtet ist und eine Veranlagung zur Einkommen- oder Körperschaftsteuer beim Leistenden oder seinen Gesellschaftern nicht in Betracht kommt oder glaubhaft gemacht wird, dass im Veranlagungszeitraum keine zu sichernden Steueransprüche entstehen werden. Wird die Erstattung beantragt, weil nach dem Doppelbesteuerungsabkommen die Gegenleistung im Inland nicht zu besteuern ist, hat der Leistende durch eine Bestätigung der für ihn im Ausland zuständigen Steuerbehörde nachzuweisen, dass er dort ansässig ist (§ 48d Abs. 1 Satz 4 EStG).

65 Der Antrag auf Erstattung ist nach amtlich vorgeschriebenem Muster zu stellen, und zwar bis spätestens zum Ablauf des zweiten Kalenderjahres, das auf das Jahr folgt, in dem der Abzugsbetrag angemeldet worden ist. Ist in einem Doppelbesteuerungsabkommen eine längere Frist eingeräumt, ist diese maßgebend.

10. Sperrwirkung gegenüber §§ 160 AO, 42d Abs. 6 und 8 sowie 50a Abs. 7 EStG

66 Ist der Leistungsempfänger seiner Verpflichtung zur Anmeldung und Abführung des Steuerabzugsbetrags nachgekommen oder hat ihm eine im Zeitpunkt der Gegenleistung gültige Freistellungsbescheinigung vorgelegen, sind § 160 Abs. 1 Satz 1 AO, § 42d Abs. 6 und 8 EStG sowie § 50a Abs. 7 EStG nicht anzuwenden. Es entfällt somit hinsichtlich der betroffenen Gegenleistung die Versagung des Betriebsausgaben- oder Werbungskostenabzugs.

67 Ist der Leistungsempfänger seiner Verpflichtung zur Anmeldung und Abführung des Steuerabzugsbetrages nachgekommen und stellt das Finanzamt fest, dass die Gegenleistung nicht für eine Bauleistung, sondern für die Arbeitnehmerüberlassung erbracht wurde, entfällt ebenfalls die Versagung des Betriebsausgaben- oder Werbungskostenabzugs, wenn der Leistungsempfänger den Steuerabzugsbetrag angemeldet und abgeführt hat. Auch die Inanspruchnahme als Entleiher nach § 42d Abs. 6 und 8 EStG ist dann ausgeschlossen. Hat der Entleiher den Steuerabzug gemäß § 48 Abs. 2 EStG nicht vorgenommen, weil ihm im Zeitpunkt der Gegenleistung eine Freistellungsbescheinigung vorgelegen hat, treten diese Entlastungswirkungen allerdings nur ein, wenn er auf die Rechtmäßigkeit der Freistellungsbescheinigung vertrauen konnte. Davon kann jedoch nur ausnahmsweise ausgegangen werden, denn in der Regel wird dem Entleiher als Empfänger der Leistung bekannt sein oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt sein, dass die Bescheinigung durch unlautere Mittel oder durch falsche Angaben für eine Arbeitnehmerüberlassung und nicht für eine Bauleistung erwirkt wurde. Das für den Verleiher zuständige Finanzamt kann in diesem Fall keinen Haftungsbescheid nach § 48a Abs. 3 EStG erlassen, da keine Bauleistung vorliegt; vielmehr kommen die Vorschriften über die Entleiherhaftung (§ 42d Abs. 6 und 8 EStG) sowie ggf. § 160 AO zur Anwendung.

68 Das Steuerabzugsverfahren geht der Abzugsanordnung nach § 50a Abs. 7 EStG als Spezialregelung vor. Die Anordnung dieses Steuerabzugs ist daher bei Bauleistungen ausgeschlossen.

11. Zuständiges Finanzamt

69 Für den Steuerabzug im Zusammenhang mit Bauleistungen ist das Finanzamt des Leistenden zuständig. Ist der leistende Unternehmer eine natürliche Person, ist dies das Finanzamt, in dessen Bezirk sich dessen inländischer Wohnsitz befindet. An die Stelle des Wohnsitzes tritt der inländische gewöhnliche Aufenthalt, wenn der leistende Unternehmer über keinen Wohnsitz verfügt. Ist das leistende Unternehmen eine Personengesellschaft mit Geschäftsleitung bzw. eine Körperschaft mit Sitz und Geschäftsleitung im Inland, ist dies das Finanzamt, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung befindet. Findet für eine Arbeitsgemeinschaft keine gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen statt (§ 180 Abs. 4 AO), ist für den Steuerabzug das Finanzamt zuständig, das für die Umsatzsteuer zuständig ist.

70 Hat der leistende Unternehmer seinen Wohnsitz im Ausland bzw. das leistende Unternehmen (Körperschaft oder Personenvereinigung) den Sitz oder die Geschäftsleitung im Ausland, besteht eine zentrale Zuständigkeit im Bundesgebiet (siehe Umsatzsteuerzuständigkeitsverordnung). Dies gilt auch für die Verwaltung der Lohnsteuer. Demzufolge kann ein im Ausland ansässiges Bauunternehmen im Inland nur eine lohnsteuerliche Betriebsstätte haben. Daher sind die in der Umsatzsteuerzuständigkeitsverordnung genannten Finanzämter für die Besteuerung der inländischen Umsätze und des im Inland steuerpflichtigen Einkommens des Leistenden, für die Verwaltung der Lohnsteuer der Arbeitnehmer des Leistenden, für die Anmeldung und Abführung des Steuerabzugs nach § 48 EStG, für die Erteilung oder Ablehnung von Freistellungsbescheinigungen und für die Anrechnung oder Erstattung des Steuerabzugs nach § 48c EStG zuständig.

Die zentrale Zuständigkeit gilt auch für die Einkommensbesteuerung der Arbeitnehmer ausländischer Bauunternehmen, die im Inland tätig werden und ihren Wohnsitz im Ausland haben, dabei ist für die zentrale Zuständigkeit der Wohnsitzstaat des jeweiligen Arbeitnehmers maßgeblich.

Bei Personengesellschaften ist das zentrale Finanzamt auch für die gesonderte und einheitliche Feststellung nach § 18 Abs. 1 Nr. 2 AO zuständig. Das zentrale Finanzamt ist ferner gemäß § 48a Abs. 3 Satz 4 EStG für den Erlass eines Haftungsbescheides gemäß § 42d Abs. 6 EStG zuständig.

71 Offene Einspruchs- und Klageverfahren sind vom nunmehr zuständigen Finanzamt fortzuführen. Auf die Grundsätze des BMF-Schreibens vom 10. Oktober 1995, BStBl I S. 664, wird hingewiesen. Die abgebenden Finanzämter haben die aufnehmenden Finanzämter auf offene Rechtsbehelfsverfahren und Anträge nach § 361 AO, §§ 69 und 114 FGO aufmerksam zu machen und bei anhängigen Klage- und Revisionsverfahren das Finanzgericht über den Zuständigkeitswechsel zu informieren.

72 Einspruchs- und Klageverfahren wegen strittiger Entleiherhaftung sind von dem Finanzamt fortzuführen, dass nach § 20a Abs. 2 AO für den Verleiher zuständig ist (§ 42d Abs. 6 Satz 9 EStG). Sind die Leistungen von Verleihern unterschiedlicher Nationalität Gegenstand eines Haftungsverfahrens (Altfälle), führt das Finanzamt das Rechtsbehelfsverfahren fort, das für den Verleiher mit dem in der Summe höchsten Haftungsbetrag zuständig ist.

73 Der Zuständigkeitswechsel betrifft auch die Zuständigkeit der Prüfungsdienste (Amtsbetriebsprüfung, Großbetriebsprüfung, Umsatzsteuersonderprüfung, Lohnsteuer-Außenprüfung). Die örtlich zuständigen Finanzämter beauftragen das Finanzamt, in dem das zu prüfende Unternehmen überwiegend tätig wird oder seine Geschäftsleitung unterhält, mit der Außenprüfung (§ 195 Satz 2 AO).

74 Der Steuerabzug nach § 48 EStG ist erstmals auf Gegenleistungen anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2001 erbracht werden (§ 52 Abs. 56 EStG).

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht. Es steht ab sofort für eine Übergangszeit auf den Internet-Seiten des Bundesministeriums der Finanzen unter der Rubrik Steuern und Zölle – Steuern – Veröffentlichungen zu Steuerarten – Einkommensteuer – (http://www.bundesfinanzministerium.de/Einkommensteuer-.479.htm) zum Download bereit.

Anhang:

§ 211 Absatz 1SGB III:

„Ein Betrieb des Baugewerbes ist ein Betrieb, der gewerblich überwiegend Bauleistungen auf dem Baumarkt erbringt. Bauleistungen sind alle Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Betriebe, die überwiegend Bauvorrichtungen, Baumaschinen, Baugeräte oder sonstige Baubetriebsmittel ohne Personal Betrieben des Baugewerbes gewerblich zur Verfügung stellen oder überwiegend Baustoffe oder Bauteile für den Markt herstellen, sowie Betriebe, die Betonentladegeräte gewerblich zur Verfügung stellen, sind nicht Betriebe im Sinne des Satzes 1. Betrieb im Sinne der Vorschriften über die Förderung der ganzjährigen Beschäftigung in der Bauwirtschaft ist auch eine Betriebsabteilung.“

§ 1 Baubetriebe-Verordnung

(1) …

(2) Betriebe und Betriebsabteilungen im Sinne des Absatzes 1 sind solche, in denen insbesondere folgende Arbeiten verrichtet werden:

  1. Abdichtungsarbeiten gegen Feuchtigkeit;
  2. Aptierungs- und Drainierungsarbeiten, wie zum Beispiel das Entwässern von Grundstücken und urbar zu machenden Bodenflächen, einschließlich der Grabenräumungs- und Faschinierungsarbeiten, des Verlegens von Drainagerohrleitungen sowie des Herstellens von Vorflut- und Schleusenanlagen;

2a. Asbestsanierungsarbeiten an Bauwerken und Bauwerksteilen;

  1. Bautrocknungsarbeiten, das sind Arbeiten, die unter Einwirkung auf das Gefüge des Mauerwerks der Entfeuchtung dienen, auch unter Verwendung von Kunststoffen oder chemischen Mitteln sowie durch Einbau von Kondensatoren;
  2. Beton- und Stahlbetonarbeiten einschließlich Betonschutz- und Betonsanierungsarbeiten sowie Armierungsarbeiten;
  3. Bohrarbeiten;
  4. Brunnenbauarbeiten;
  5. chemische Bodenverfestigungen;
  6. Dämm-(Isolier-)Arbeiten (das sind zum Beispiel Wärme-, Kälte-, Schallschutz-, Schallschluck-, Schallverbesserungs-, Schallveredelungsarbeiten) einschließlich Anbringung von Unterkonstruktionen sowie technischen Dämm-(Isolier-) Arbeiten, insbesondere an technischen Anlagen und auf Land-, Luft- und Wasserfahrzeugen;
  7. Erdbewegungsarbeiten, das sind zum Beispiel Wegebau-, Meliorations-, Landgewinnungs-, Deichbauarbeiten, Wildbach- und Lawinenverbau, Sportanlagenbau sowie Errichtung von Schallschutzwällen und Seitenbefestigungen an Verkehrswegen;
  8. Estricharbeiten, das sind zum Beispiel Arbeiten unter Verwendung von Zement, Asphalt, Anhydrit, Magnesit, Gips, Kunststoffen oder ähnlichen Stoffen;
  9. Fassadenbauarbeiten;
  10. Fertigbauarbeiten: Einbauen oder Zusammenfügen von Fertigbauteilen zur Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung oder Änderung von Bauwerken; ferner das Herstellen von Fertigbauteilen, wenn diese zum überwiegenden Teil durch den Betrieb, einen anderen Betrieb desselben Unternehmens oder innerhalb von Unternehmenszusammenschlüssen – unbeschadet der Rechtsform – durch den Betrieb mindestens eines beteiligten Gesellschafters zusammengefügt oder eingebaut werden; nicht erfasst wird das Herstellen von Betonfertigteilen, Holzfertigteilen zum Zwecke des Errichtens von Holzfertigbauwerken und Isolierelementen in massiven, ortsfesten und auf Dauer eingerichteten Arbeitsstätten nach Art stationärer Betriebe; § 2 Nr. 12 bleibt unberührt;
  11. Feuerungs- und Ofenbauarbeiten;

14a.Fugarbeiten an Bauwerken, insbesondere Verfugung von Verblendmauerwerk und von Anschlüssen zwischen Einbauteilen und Mauerwerk sowie dauerelastische und dauerplastische Verfugungen aller Art;

  1. Glasstahlbetonarbeiten sowie Vermauern und Verlegen von Glasbausteinen;
  2. Gleisbauarbeiten;
  3. Herstellen von nicht lagerfähigen Baustoffen, wie zum Beispiel Beton- und Mörtelmischungen (Transportbeton und Fertigmörtel), wenn mit dem überwiegenden Teil der hergestellten Baustoffe die Baustellen des herstellenden Betriebs, eines anderen Betriebs desselben Unternehmens oder innerhalb von Unternehmenszusammenschlüssen – unbeschadet der Rechtsform – die Baustellen des Betriebs mindestens eines beteiligten Gesellschafters versorgt werden;
  4. Hochbauarbeiten;
  5. Holzschutzarbeiten an Bauteilen;
  6. Kanalbau-(Sielbau-)Arbeiten;
  7. Maurerarbeiten;
  8. Rammarbeiten;
  9. Rohrleitungsbau-, Rohrleitungstiefbau-, Kabelleitungstiefbauarbeiten und Bodendurchpressungen;
  10. Schachtbau- und Tunnelbauarbeiten;
  11. Schalungsarbeiten;
  12. Schornsteinbauarbeiten;
  13. Spreng-, Abbruch- und Enttrümmerungsarbeiten; nicht erfasst werden Abbruch- und Abwrackbetriebe, deren überwiegende Tätigkeit der Gewinnung von Rohmaterialien oder der Wiederaufbereitung von Abbruchmaterialien dient;
  14. Stahlbiege- und -flechtarbeiten, soweit sie zur Erbringung anderer baulicher Leistungen des Betriebes oder auf Baustellen ausgeführt werden;
  15. Stakerarbeiten;
  16. Steinmetzarbeiten;
  17. Straßenbauarbeiten, das sind zum Beispiel Stein-, Asphalt-, Beton-, Schwarzstraßenbauarbeiten, Pflasterarbeiten aller Art, Fahrbahnmarkierungsarbeiten; ferner Herstellen und Aufbereiten des Mischguts, wenn mit dem überwiegenden Teil des Mischguts der Betrieb, ein anderer Betrieb desselben Unternehmens oder innerhalb von Unternehmenszusammenschlüssen – unbeschadet der Rechtsform – der Betrieb mindestens eines beteiligten Gesellschafters versorgt wird;
  18. Straßenwalzarbeiten;
  19. Stuck-, Putz-, Gips- und Rabitzarbeiten einschließlich des Anbringens von Unterkonstruktionen und Putzträgern;
  20. Terrazzoarbeiten;
  21. Tiefbauarbeiten;
  22. Trocken- und Montagebauarbeiten (zum Beispiel Wand- und Deckeneinbau und -verkleidungen) einschließlich des Anbringens von Unterkonstruktionen und Putzträgern;
  23. Verlegen von Bodenbelägen in Verbindung mit anderen baulichen Leistungen;
  24. Vermieten von Baumaschinen mit Bedienungspersonal, wenn die Baumaschinen mit Bedienungspersonal zur Erbringung baulicher Leistungen eingesetzt werden;

38a. Wärmedämmverbundsystemarbeiten;

39.   Wasserwerksbauarbeiten, Wasserhaltungsarbeiten, Wasserbauarbeiten (zum Beispiel Wasserstraßenbau, Wasserbeckenbau, Schleusenanlagenbau);

  1. Zimmerarbeiten und Holzbauarbeiten, die im Rahmen des Zimmergewerbes ausgeführt werden;
  2. Aufstellen von Bauaufzügen.

(3) Betriebe und Betriebsabteilungen im Sinne des Absatzes 1 sind auch

  1. Betriebe, die Gerüste aufstellen,
  2. Betriebe des Dachdeckerhandwerks.

(4) Betriebe und Betriebsabteilungen im Sinne des Absatzes 1 sind ferner diejenigen des Garten- und Landschaftsbaus, in denen folgende Arbeiten verrichtet werden:

  1. Erstellung von Garten-, Park- und Grünanlagen, Sport- und Spielplätzen sowie Friedhofsanlagen;
  2. Erstellung der gesamten Außenanlagen im Wohnungsbau, bei öffentlichen Bauvorhaben, insbesondere an Schulen, Krankenhäusern, Schwimmbädern, Straßen-, Autobahn-, Eisenbahn-Anlagen, Flugplätzen, Kasernen;
  3. Deich-, Hang-, Halden- und Böschungsverbau einschließlich Faschinenbau;
  4. ingenieurbiologische Arbeiten aller Art;
  5. Schutzpflanzungen aller Art;
  6. Drainierungsarbeiten;
  7. Meliorationsarbeiten;
  8. Landgewinnungs- und Rekultivierungsarbeiten.

(5) Betriebe und Betriebsabteilungen im Sinne des Absatzes 1 sind von der Förderung der ganzjährigen Beschäftigung im Baugewerbe ausgeschlossen, wenn sie zu einer abgrenzbaren und nennenswerten Gruppe gehören, bei denen eine Einbeziehung nach den Absätzen 2 bis 4 nicht zu einer Belebung der ganzjährigen Bautätigkeit führt.

§ 2 Baubetriebe-Verordnung

Die ganzjährige Beschäftigung wird nicht gefördert insbesondere in Betrieben

  1. des Bauten- und Eisenschutzgewerbes;
  2. des Betonwaren und Terrazzowaren herstellenden Gewerbes, soweit nicht in Betriebsabteilungen nach deren Zweckbestimmung überwiegend Bauleistungen im Sinne des § 1 Abs. 1 und 2 ausgeführt werden;
  3. der Fassadenreinigung;
  4. der Fußboden- und Parkettlegerei;
  5. des Glaserhandwerks;
  6. des Installationsgewerbes, insbesondere der Klempnerei, des Klimaanlagenbaues, der Gas-, Wasser-, Heizungs-, Lüftungs- und Elektroinstallation, sowie des Blitzschutz- und Erdungsanlagenbaus;
  7. des Maler- und Lackiererhandwerks, soweit nicht überwiegend Bauleistungen im Sinne des § 1 Abs. 1 und 2 ausgeführt werden;
  8. der Naturstein- und Naturwerksteinindustrie und des Steinmetzhandwerks;
  9. der Naßbaggerei;
  10. des Kachelofen- und Luftheizungsbaues;
  11. der Säurebauindustrie;
  12. des Schreinerhandwerks sowie der holzbe- und -verarbeitenden Industrie einschließlich der Holzfertigbauindustrie, soweit nicht überwiegend Fertigbau-, Dämm- (Isolier-), Trockenbau- und Montagebauarbeiten oder Zimmerarbeiten ausgeführt werden;
  13. des reinen Stahl-, Eisen-, Metall- und Leichtmetallbaus sowie des Fahrleitungs-, Freileitungs-, Ortsnetz- und Kabelbaus;
  14. und in Betrieben, die Betonentladegeräte gewerblich zur Verfügung stellen.
Lorbeerkranz

Auszeichnungen

  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuer­recht“
    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2022/2023)

  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuer­recht“
    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2017-2021)

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