18.02.2010

Arbeitgeber und Arbeitnehmer können den Zeitpunkt des Zuflusses einer Abfindung oder eines Teilbetrags einer Abfindung in der Weise steuerwirksam gestalten, dass die ursprünglich vorgesehene Fälligkeit vor ihrem Eintritt auf einen späteren Zeitpunkt verschoben wird.

Im Zuge der Auflösung eines Dienstverhältnisses stellt sich für jeden Arbeitnehmer die Frage, welche einkommensteuerrechtlichen Auswirkungen der Zufluss des Abfindungsbetrags mit sich bringt. Eine gleichsam für Arbeitnehmer und Arbeitgeber interessante Entscheidung hat der BFH (IX R 1/09) in jüngster Vergangenheit gefällt.

Entgegen der durch das beklagte Finanzamt vertretenen Auffassung befand der BFH, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Fälligkeit einer (Teil-)Abfindung entgegen der ursprünglich festgelegten Fälligkeit durch eine vertragliche Vereinbarung auf einen späteren Zeitpunkt verlagern können. Voraussetzung sei allerdings, so der BFH, dass die die Fälligkeit verlagernde Vereinbarung vor dem Eintritt der ursprünglich vereinbarten Fälligkeit getroffen werde.

 

I.        Der Fall

Im Streitfall erhielt die Klägerin von ihrem früheren Arbeitgeber (A GmbH) anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung in Höhe von 75.000 €. Der zugrunde liegende Sozialplan sah vor, dass die Fälligkeit der Abfindung im Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eintreten solle.

Auf der Grundlage eines Interessenausgleichs schlossen die Klägerin und die A GmbH sowie die A+B GmbH (Auffanggesellschaft) zu einem späteren Zeitpunkt eine Vereinbarung, nach der das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der A GmbH mit Ablauf des 14. Novembers 2000 enden und ein Teil der Abfindungszahlung in Höhe von 51.000 € erst im Januar 2001 zur Auszahlung gebracht werden sollte. Ein Betrag in Höhe von 24.000 € sollte bereits zum Zeitpunkt des Austritts im November 2000 ausgezahlt werden.

Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung 2000 erklärte die Klägerin außerordentliche Einkünfte in Höhe von 24.000 €, für das Jahr 2001 außerordentliche Einkünfte in Höhe von 51.000 €. Das beklagte Finanzamt widersprach dem und unterwarf auch den Teilbetrag von 51.000 € der Einkommensteuerveranlagung für 2000.

Das angerufene Finanzgericht gab der Klage der Klägerin statt.

II.       Die Entscheidung

Der BFH bestätigt die Auffassung der Vorinstanz und stützt sich dabei auf Grundprinzipien des Einkommensteuergesetztes.

Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Einnahmen − hierzu zählt auch der nicht laufend gezahlter Arbeitslohn in Form der Abfindung − innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Der Zufluss ist zu bejahen, sobald der Steuerpflichtige über den Arbeitslohn wirtschaftlich verfügen kann. Die Fälligkeit eines Anspruchs allein, vor seiner Erfüllung durch Auszahlung, führt jedoch noch nicht zu einem gegenwärtigen Zufluss. Denn maßgeblich ist allein der uneingeschränkte, volle wirtschaftliche Übergang des geschuldeten Gutes oder das Erlangen der wirtschaftlichen Dispositionsbefugnis darüber.

Der BFH bestätigt seine ständige Rechtsprechung und führt aus, dass Gläubiger und Schuldner einer Geldforderung im Wege der zivilrechtlichen Gestaltung des Erfüllungszeitpunkts grundsätzlich auch die steuerrechtliche Zuordnung der Erfüllung zu einem Veranlagungszeitraum gestalten können. Sei es den Beteiligten etwa möglich, von vornherein die Zahlung einer Abfindung für die Auflösung eines Dienstverhältnisses auf einen anderen Zeitpunkt, als den der tatsächlichen Auflösung des Dienstverhältnisses zu terminieren, der für sie steuerlich günstiger scheine, so könne es ihnen auch nicht verwehrt sein, die vorherige Vereinbarung − jedenfalls vor der ursprünglich vereinbarten Fälligkeit − im Einvernehmen und beiderseitigem Interesse wieder zu ändern. Ein Rechtsmissbrauch im Sinne des § 42 AO, so der BFH, komme in derartigen Fällen regelmäßig nicht in Betracht.

III.      Fazit

Der BFH begründet seine Entscheidung insbesondere mit dem Zufluss-Abfluss-Prinzip des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG und führt aus, dass maßgeblich sei, dass noch vor dem Eintritt der ursprünglich vertraglich vorgesehenen Fälligkeit der Abfindung ein neuer Fälligkeitstermin zwischen den Beteiligten vereinbart worden sei. Da der Abfindungsanspruch zum Zeitpunkt dieser neuen Fälligkeitsvereinbarung jedoch selbst noch gar nicht fällig war, konnte die neue Fälligkeitsvereinbarung als solche keine für das Jahr 2000 steuerwirksame Disposition über den Abfindungsanspruch darstellen.

Die Entscheidung des BFH zeigt einmal mehr, dass Arbeitnehmer gut beraten sind, wenn sie sich bereits im Vorfeld zur Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses steuerrechtlichen Rat einholen. Insbesondere die Aufteilung von Abfindungszahlungen in Teilbeträge im Wege der Verlagerung von Fälligkeitsterminen ermöglicht es, die Einkommensteuerlast oft um ein Vielfaches zu minimieren. Die Gefahr eines Gestaltungsmissbrauchs besteht ausweislich der Entscheidung des BFH nicht. Erforderlich ist jedoch stets die Prüfung des konkreten Einzelfalls und darauf bezogene individuelle Beratung.

Anmerkung:         Versteuerung von Abfindungszahlungen nach der 1/5-Regelung, (auch „Fünftelregelung“ genannt)

Zur Ermittlung der Einkommensteuer werden normalerweise alle Einkünfte zusammen gerechnet. Die Steuer wird aus dem Gesamtbetrag einheitlich anhand der maßgebenden Tarifformel berechnet. Dies kann jedoch zu Härten führen, wenn zu den laufend bezogenen Einkünften in einem Jahr zusammengeballt außerordentliche und nicht regelmäßig erzielbare Einkünfte hinzutreten, wenn z.B. ein Arbeitnehmer neben seinem Lohn eine Entlassungsentschädigung erhält. Dann nämlich würden die Einkünfte insgesamt einem höheren Steuersatz unterworfen, man spricht hier von Progressionswirkung. Mit Rücksicht auf ihren besonderen Charakter sollen deshalb mittels der 1/5-Regelung außerordentliche Einkünfte, die in einem Veranlagungszeitraum anfallen, nicht dem normalen, sondern einem gemilderten Einkommensteuertarif unterworfen würden.

  • Dazu werden gemäß §§ 24, 34 EStG Abfindungszahlungen (sog. außerordentliche Einkünfte) in einem ersten Schritt rechnerisch von dem zu versteuernden Einkommen abgezogen.
  • Dann wird die Einkommensteuer für das Einkommen ohne die außerordentlichen Einkünfte verglichen mit der Einkommensteuer, die sich ergeben würde, wenn das Einkommen ohne die außerordentlichen Einkünfte um ein Fünftel der außerordentlichen Einkünfte erhöht würde.
  • Dieser Unterschiedsbetrag wird verfünffacht und ergibt damit den auf die außerordentlichen Einkünfte entfallenden Steuerbetrag.
  • Er wird der Einkommensteuer, die sich für die übrigen, nicht außerordentlichen Einkünfte ergibt, hinzugerechnet.

Das Ergebnis entspricht der vom Arbeitnehmer zu tragenden Steuerlast. Das Gesetz selbst definiert die auf die Abfindung entfallende Einkommensteuerlast, nur schwer verständlich als „das Fünffache des Unterschiedsbetrages zwischen der Einkommensteuer für das um diese Einkünfte verminderte zu versteuernde Einkommen und der Einkommenssteuer für das verbleibende zu versteuerndes Einkommen zzgl. eines Fünftels dieser Einkünfte“.

 

Verfasser: Rechtsanwalt & Fachanwalt für Steuerrecht Dr. Stephan Dornbusch, Rechtsanwältin Dorothée Gierlich, MEYER-KÖRING – Bonn

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    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2022/2023)

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