22.02.2010 -

 

Ab welchem Zeitpunkt beginnt die Anhörungspflicht des Arbeitgebers? Mit Bekanntgabe des Wahlergebnisses oder erst mit Konstituierung des Betriebsrats? Das LAG Düsseldorf (LAG Düsseldorf, Urt. v. 24.6.2009 – 12 Sa 336/09) hat in einem aktuellen Urteil klargestellt, dass erst die Konstituierung des Betriebsrats eine Anhörungsverpflichtung auslöst. Das LAG Düsseldorf hat sich damit der herrschenden Meinung angeschlossen.

Der Fall (verkürzt):

Einem bereits seit 1985 beschäftigten Lagerleiter eines Autohauses wurde fristlos gekündigt. Ihm wurden u.a. fingierte Kundengutschriften vorgeworfen. Den Gesamtschaden bezifferte der Arbeitgeber auf mehr als 138.000,00 €. Die fristlose Kündigung ging dem Arbeitnehmer am 24. Juni 2008 zu.

Am 19. Juni 2008 wählte die Belegschaft erstmals einen Betriebsrat. Das Wahlergebnis wurde am 19. bzw. 20. Juni 2008 in allen vier Betriebsteilen bekannt gemacht. Auch der Arbeitgeber erhielt am 20. Juni 2008 eine Abschrift der Wahlniederschrift. Die konstituierende Sitzung des siebenköpfigen Betriebsrats fand am 26. Juni 2008 statt.

Der Arbeitgeber beteiligte unstreitig zu keinem Zeitpunkt den am 19. Juni 2008 gewählten Betriebsrat. Im Kündigungsschutzprozess berief sich der Arbeitnehmer darauf, dass der gewählte Betriebsrat nicht zur Kündigung angehört worden sei.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.

Die Entscheidung:

Im Berufungsverfahren hat das LAG Düsseldorf die Entscheidung der Vorinstanz bestätigt.

Nach herrschender Meinung beginnt die Anhörungspflicht erst mit Konstituierung des Betriebsrats. Bis zu diesem Zeitpunkt ist der Betriebsrat noch funktionsunfähig. Ohne Vorsitzenden und Vertreter fehlt es an einem Absender und Adressat von Erklärungen gem. § 26 Abs. 2 BetrVG. Die Obliegenheit, das Gremium als Ganzes zu unterrichten, stößt auf unüberwindliche rechtliche und praktische Probleme. Letzteres will zwar eine Mindermeinung zur Vermeidung einer gesetzlichen Schutzlücke nicht gelten lassen. Nach dieser Mindermeinung beginnt die Amtszeit des Betriebsrats schon mit Bekanntgabe des Wahlergebnisses bzw. Ablauf der Amtszeit des vorherigen Betriebsrats. Das Gremium als Ganzes sei ab diesem Zeitpunkt auch handlungsfähig.

Richtig ist zwar, dass eine „Schutzlücke“ zwischen Amtsbeginn (§ 21 S. 2 BetrVG) und konstituierender Sitzung (§ 29 Abs. 1 BetrVG) entstehen kann. Diese Lücke kann aber dadurch minimiert werden, dass der Wahlvorstand die konstituierende Sitzung unmittelbar der Bekanntgabe des Wahlergebnisses nachfolgen lässt. Die Konstituierung liegt allein in der Sphäre des Betriebsrats bzw. des Wahlvorstands, denen es damit überantwortet ist, rechtzeitig für einen funktionsfähigen Betriebsrat zu sorgen.

Hinweis für die Praxis:

Dem Arbeitgeber wird betriebsverfassungsrechtlich nicht abverlangt, die Konstituierung des Betriebsrats abzuwarten, um diesen vor einer beabsichtigten Kündigung anzuhören. Dies kann nicht nur der Wahrung von Fristen, insbesondere der wichtigen 14-tägigen Ausschlussfrist des § 626 BGB, schaden. Dem Arbeitgeber entstehen durch das Zuwarten bei einer fristlosen Kündigung ferner unnötige Annahmeverzugslohnansprüche. Der Entscheidung des LAG Düsseldorf ist damit uneingeschränkt zuzustimmen. Sie entspricht der, freilich schon älteren Rechtsprechung des BAG aus dem Jahre 1984.

 

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