09.03.2010

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat mit Urteil vom 3. Juli 2009 – II-7 UF 300/08 – zum Umfang der Erwerbsverpflichtungen eines Ehegatten, der Kinder betreut, Stellung genommen, wenn die schulische Betreuung – aus Sicht des Gerichtes – nicht ausreichend ist.

Die unterhaltsberechtigte Ehefrau betreute zwei gemeinsame Kinder im Alter von 13 und 14 Jahren. Der jüngere Sohn litt unter wiederkehrenden Kopfschmerzen, deren Umfang und Auswirkungen strittig waren. Unstrittig war jedoch, dass an der weiterführenden Schule des älteren Sohnes kein Mittagessen angeboten wurde und dass an der weiterführenden Schule des jüngeren Sohnes zwar Mittagessen anboten wurde, die Hausaufgabenbetreuung allerdings von Oberstufenschülern geleistet wurde. Die unterhaltsberechtigte Ehefrau war mit 25 Stunden in der Woche berufstätig. Der unterhaltsverpflichtete geschiedene Ehemann beantragte im Rahmen eines Abänderungsverfahrens, den  titulierten nachehelichen Ehegattenunterhalt herabzusetzen oder zu befristen. Das Amtsgericht wies die Klage ab. Die Berufung beim OLG hatte keinen Erfolg.

Das OLG Hamm bejahte einen Unterhaltsanspruch der Ehefrau aus Gründen des Kindeswohls. Nach dem ab 2008 geltenden Unterhaltsrecht bestehe ein unbeschränkter Unterhaltsanspruch nur noch in den ersten drei Jahren eines Kindes. Anschließend komme ein Billigkeitsunterhalt in Betracht, entweder aus kindeswohlbezogenen Gründen oder aus elternbezogenen Gründen.

Strittig war insoweit, ob die unterhaltsberechtigte Mutter ihren Erwerbsobliegenheiten mit einer Teilzeittätigkeit von 25 Stunden in der Woche nachkam. Das OLG Hamm bejahte dies. Zum einen erfordere die Erkrankung des jüngeren Sohnes eine besondere Betreuung, die mit einer Vollzeittätigkeit nicht darzustellen sei. Unabhängig davon komme ein weiterer Unterhaltsanspruch wegen der unzureichenden schulischen Betreuung beider Kinder in Betracht. Bei dem jüngeren Sohn gebe es zwar ein Mittagessen in der Schule, aber keine ausreichende Hausaufgabenbetreuung. Die Hausaufgabenbetreuung für den 12 bzw. 13 Jahre alten Sohn werde nicht von Fachkräften ausgeübt, sondern von Oberstufenschülern. Bei dem älteren Sohn gebe es noch nicht einmal ein Mittagessen in der Schule. Der unterhaltsberechtigte Ehegatte müsse daher gegen Mittag wieder zurück sein, um ein Mittagessen für den älteren Sohn vorzubereiten.

Fazit: Die Entscheidung ist aus mehreren Gründen interessant: Eine Hausaufgabenbetreuung durch Oberstufenschüler stellt keinen ausreichenden Ersatz für eine Betreuung durch den unterhaltsberechtigten Ehegatten – im Regelfall die Mutter – dar. Der BGH hat in allen Entscheidungen zum Nachscheidungsunterhalt nach dem neuen Recht betont, dass der unterhaltberechtigte Ehegatte keine Wahl mehr habe, ob er die Kinder selbst betreue oder durch staatliche Einrichtungen betreuen lasse, wenn entsprechende staatliche Einrichtungen – Ganztagskindergarten, Offene Ganztagsschule, Hort – zur Verfügung stehen. Zu der Qualität dieser Betreuung hat sich der BGH nicht geäußert. Das OLG Hamm hat sich hier deutlich positioniert und eine „ausreichende“ staatliche Betreuung bei einer Hausaufgabenbetreuung durch Oberstufenschüler nicht anerkannt.

Das OLG Hamm hat die Revision nicht zugelassen, da sich die Entscheidung auf die neue Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stütze. Daran können Zweifel bestehen. Der BGH ließ bisher jede Art von staatlicher Betreuung zu, ohne sich über die Qualität der staatlichen Betreuung im Einzelnen zu äußern. Die weitere Entwicklung bleibt daher abzuwarten.

Für die Praxis empfiehlt sich, die Qualität der Betreuung zu prüfen, wenn der unterhaltsberechtigte Elternteil teilzeitbeschäftigt ist. Bei nicht ausreichender staatlicher Betreuung lässt sich eine Teilzeittätigkeit auf der Grundlage der Entscheidung des OLG Hamm rechtfertigen.

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