11.01.2002

Unbemerkt von der Öffentlichkeit sind durch das Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz (StVBG) in § 27b UStG weitere rechtsstaatlich problematische Regelungen eingeführt worden:

Danach können Finanzbeamte im Rahmen einer sogenannten „Umsatzsteuer-Nachschau“ ohne vorherige Ankündigung und außerhalb einer Außenprüfung Geschäftsräume betreten, um umsatzsteuerrelevante Sachverhalte anhand von Unterlagen zu überprüfen. Die betroffenen Personen haben den betrauten Amtsträgern auf Verlangen Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden über die der allgemeinen Nachschau unterlegenen Sachverhalte vorzulegen und Auskünfte zu erteilen, „soweit dies zur Feststellung einer steuerlichen Erheblichkeit zweckdienlich ist“. Die bei der Nachschau getroffenen Feststellungen dürfen auch für andere Steuerarten ausgewertet werden!

Dabei dient die Sorge um die Umsatzsteuerkriminalität als Aufhänger, um beliebig, ohne Verdacht oder Ankündigung ins Blaue hinein in den Geschäftsräumen eines jeden selbständigen Steuerpflichtigen zu ermitteln,

„soweit dies zur Feststellung einer steuerlichen Erheblichkeit zweckdienlich ist“.

Wegen der Einzigartigkeit dieser neuen Eingriffsbefugnis ist der Volltext der Gesetzesfassung nachstehend wiedergegeben:

㤠27b Umsatzsteuer-Nachschau

(1) Zur Sicherstellung einer gleichmäßigen Festsetzung und Erhebung der Umsatzsteuer können die damit betrauten Amtsträger der Finanzbehörde ohne vorherige Ankündigung und außerhalb einer Außenprüfung Grundstücke und Räume von Personen, die eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausüben, während der Geschäfts- und Arbeitszeiten betreten, um Sachverhalte festzustellen, die für die Besteuerung erheblich sein können (Umsatzsteuer-Nachschau). Wohnräume dürfen gegen den Willen des Inhabers nur zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung betreten werden.

(2) Soweit dies zur Feststellung einer steuerlichen Erheblichkeit zweckdienlich ist, haben die von der Umsatzsteuer-Nachschau betroffenen Personen den damit betrauten Amtsträgern auf Verlangen Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden über die der Umsatzsteuer-Nachschau unterliegenden Sachverhalte vorzulegen und Auskünfte zu erteilen.

(3) Wenn die bei der Umsatzsteuer-Nachschau getroffenen Feststellungen hierzu Anlass geben, kann ohne vorherige Prüfungsanordnung (§ 196 der Abgabenordnung) zu einer Außenprüfung nach § 193 der Abgabenordnung übergegangen werden. Auf den Übergang zur Außenprüfung wird schriftlich hingewiesen.

(4) Werden anlässlich der Umsatzsteuer-Nachschau Verhältnisse festgestellt, die für die Festsetzung und Erhebung anderer Steuern als der Umsatzsteuer erheblich sein können, so ist die Auswertung der Feststellungen insoweit zulässig, als ihre Kenntnis für die Besteuerung der in Absatz 1 genannten Personen oder anderer Personen von Bedeutung sein kann.“

Die Gesetzesbegründung führt hierzu aus:

„Anders als bei Maßnahmen nach § 93 AO bedarf es für Maßnahmen nach dieser Vorschrift keines „hinreichenden Anlasses“ und keines konkreten Besteuerungsverfahrens […] Die Vorschrift soll präventiv wirken, da der von den Ermittlungen vor Ort betroffene – soweit erforderlich – frühzeitig dazu angehalten werden, seinen steuerlichen Verpflichtungen nachzukommen. Die Ermittlungen vor Ort haben auch Kontrollfunktion. […] Da die allgemeine Nachschau in erster Linie einer zeitnahen und kursorischen Kontrolle dienen und die Vorschriften über die Außenprüfung nicht verdrängen soll, sollen vertiefte Ermittlungen weiterhin einer Außenprüfung vorbehalten bleiben. Um den nahtlosen Übergang zwischen einer allgemeinen Nachschau und der Außenprüfung sicher zu stellen sowie Ergebnisse der Nachschau nicht zu gefährden, ist es jedoch erforderlich, ohne zeitliche Unterbrechung mit der Außenprüfung beginnen zu können. Auf die Anwendbarkeit des § 197 AO muss deshalb verzichtet werden.“

Selbständige und Freiberufler müssen sich daher nun darauf einrichten, dass Finanzbeamte ohne jeden Anlass und unangemeldet in den Geschäftsräumen Akten sichten und auswerten werden, wobei sie gesetzlich zur Mitwirkung verpflichtet sind.  Sämtliche dabei gewonnenen Erkenntnisse – auch soweit sie nicht die Umsatzsteuer betreffen – können dann zur Besteuerung herangezogen werden.

Lorbeerkranz

Auszeichnungen

  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuer­recht“
    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2022/2023)

  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuer­recht“
    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2017-2021)

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