Die Bundesagentur für Arbeit kann nach § 235a SGB III Zuschüsse gewähren. Voraussetzung ist, dass schwerbehinderte Menschen zur Aus- oder Weiterbildung eingestellt werden. Gestützt auf diese Vorschrift haben einige Arbeitgeber immer wieder befristete Arbeitsverträge abgeschlossen. Das Bundesarbeitsgericht hat nun klargestellt, dass die Förderung seitens der Bundesagentur für Arbeit keinen Sachgrund für eine Befristung darstellt ([1] BAG, Urt. v. 22.4.2009 – 7 AZR 96/08, NZA 2009, 1099).
Der Fall:
Der klagende Arbeitnehmer war bei einem Bundesinstitut für die Zeit vom 1. März 2003 bis zum 31. Mai 2006 aufgrund zweier befristeter Arbeitsverträge beschäftigt. Im zuletzt abgeschlossenen Arbeitsvertrag wurde auszugsweise Folgendes vereinbart:
„Der Befristungsgrund ergibt sich aus den für den oben genannten Zeitraum von Seiten der Bundesanstalt für Arbeit (ZAV) zur Verfügung gestellten Haushaltsmitteln (Zuschuss zur Ausbildungsvergütung Schwerbehinderter).“
Der Arbeitgeber erhielt für die Beschäftigung des Arbeitnehmers einen Zuschuss nach § 235a Abs. 1 SGB III von der Bundesagentur für Arbeit.
Nach Ablauf der Befristung wurde der Arbeitnehmer nicht weiterbeschäftigt. Mit seiner Entfristungsklage hat er die Unwirksamkeit der vereinbarten Befristung geltend gemacht und seine Weiterbeschäftigung verlangt. Er hat gemeint, ein sachlicher Grund für die Befristung liege nicht vor. Die Gewährung eines Zuschusses zur Ausbildungsvergütung von schwerbehinderten Menschen sei kein Sachgrund für die Befristung.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben.
Die Entscheidung:
Das Bundesarbeitsgericht hat im Revisionsverfahren die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt.
I. Zuschüsse nach § 235a SGB III sind kein eigenständiger Sachgrund
Die Vorschrift des § 235a Abs. 1 SGB III normiert keinen eigenständigen Sachgrund für die Befristung des zwischen dem Arbeitgeber und dem schwerbehinderten Menschen abgeschlossenen Vertragsverhältnis. Die Vorschrift bestimmt nicht, dass die Förderung der Aus- und Weiterbildung schwerbehinderter Menschen die Befristung des Arbeitsvertrages ermöglicht. Die Befristung kann daher nur aus anderen Gründen wirksam sein.
II. Aus- oder Weiterbildung als Sachgrund?
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann die Aus- oder Weiterbildung eines Arbeitnehmers die Befristung eines Arbeitsvertrages sachlich rechtfertigen. Dies setzt voraus, dass dem Arbeitnehmer durch die Tätigkeit zusätzliche Kenntnisse und Erfahrungen vermittelt werden, die durch die übliche Berufstätigkeit nicht erworben werden können. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn die Ausbildung nicht nur theoretische Kenntnisse vermittelt, sondern hauptsächlich dazu dient, bereits erworbene theoretische Kenntnisse in die Praxis umzusetzen.
Aber:Allerdings reicht die allgemeine Aus- und Weiterbildung, die mit nahezu jeder mehrjährigen Berufsausübung einhergeht, nicht aus, um die Befristung eines Arbeitsvertrages zu rechtfertigen. Erforderlich ist vielmehr, dass ein bestimmtes Ausbildungsziel systematisch verfolgt wird und die dem Arbeitnehmer vermittelten Kenntnisse, Erfahrungen oder Fähigkeiten auch außerhalb der Organisation des Arbeitgebers beruflich verwertbar sind. Da es für die Wirksamkeit der Befristung auf die Umstände bei Vertragsschluss ankommt, muss zu diesem Zeitpunkt feststehen, welches Ausbildungsziel die Parteien mit der Beschäftigung verfolgen.
Hinweis für die Praxis:
Die Gewährung von Zuschüssen zu den Lohnkosten und die Aus- und Weiterbildung von Arbeitnehmern sind zwar in dem Katalog des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nummern 1 – 8 TzBfG nicht als Sachgründe für die Befristung genannt. Dies steht der Wirksamkeit einer Befristung aber nicht grundsätzlich entgegen. Die gesetzliche Aufzählung von Sachgründen ist nicht abschließend, wie sich aus dem Wort „insbesondere“ ergibt. Andere Gründe müssen aber den in § 14 Abs. 1 TzBfG zum Ausdruck kommenden Wertungsmaßstäben entsprechen und den in der Vorschrift genannten Sachgründen von ihrem Gewicht her gleichwertig sein. Dies ist dann der Fall, wenn die zuvor genannten Voraussetzungen für eine Aus- oder Weiterbildung vorliegen.
Fazit:
Im vorliegenden Fall war die Befristung weder wegen der Zuschüsse nach § 235a Abs. 1 SGB III wirksam, noch rechtfertigte die Tätigkeit eine Sachgrundbefristung wegen des Erwerbs besonderer Kenntnisse und Erfahrungen. Die Befristung war damit unwirksam. Der Mitarbeiter musste weiterbeschäftigt werden. Die Entscheidung macht einmal mehr deutlich, dass bei der Befristung von Arbeitsverträgen sehr sorgfältig die Anforderungen an einen Sachgrund geprüft werden müssen. Wird die zulässige Höchstdauer von zwei Jahren im Rahmen der Erstbefristung überschritten, kommt nur bei Vorliegen eines echten sachlichen Grundes eine längere Befristung in Betracht.
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